Ein Hinweisschild mit dem Schriftzug Bundesverfassungsgericht und einem Bundesadler, aufgenommen vor dem Bundesverfassungsgerichts.
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Ein Hinweisschild mit dem Schriftzug Bundesverfassungsgericht und einem Bundesadler, aufgenommen vor dem Bundesverfassungsgerichts.

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Bundesverfassungsgericht: Gesetz zu Kinderehen verfassungswidrig

Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen verstößt gegen das Grundgesetz. Zwar dürfe der Gesetzgeber die Wirksamkeit von im Ausland geschlossenen Ehen von einem Mindestalter abhängig machen, doch müssten Regelungen über die Folgen getroffen werden.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Vormittag am .

Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot sogenannter Kinderehen im Grundsatz gebilligt, aber Nachbesserungen des Gesetzes verlangt. Nach der am Mittwoch bekanntgegebenen Entscheidung können in Deutschland Ehen annulliert werden, wenn einer der Partner bei der Heirat unter 16 Jahre alt war. Allerdings muss das Gesetz Regelungen über die Folgen enthalten, etwa zu Unterhaltsansprüchen. Außerdem muss es die Möglichkeit geben, dass die im Ausland geschlossene Frühehe nach Erreichen der Volljährigkeit auch nach deutschem Recht gültig wird. Der Gesetzgeber hat bis längstens 30. Juni 2024 Zeit, das Gesetz zu ergänzen. Bis dahin bleibt es unter der Voraussetzung in Kraft, dass Unterhaltsansprüche gesichert werden. (Az. 1 BvL 7/18)

Es ging in Karlsruhe um die Frage, ob das entsprechende Gesetz mit der Verfassung vereinbar ist. Mit der Neuregelung von 2017 wurden im Ausland geschlossene Ehen pauschal für nichtig erklärt, wenn Ehepartner oder -partnerin bei der Heirat jünger als 16 Jahre waren. So sollen Kinder und Jugendliche vor Zwangsheirat geschützt werden.

"Kinder heiraten nicht, Kinder werden verheiratet"

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte sich 2017 für ein konsequenteres Vorgehen gegen solche Kinderehen entschieden. Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hatte Handlungsbedarf gesehen, weil vor dem Hintergrund gestiegener Flüchtlingszahlen auch vermehrt minderjährige Verheiratete nach Deutschland gekommen waren. "Kinder heiraten nicht, Kinder werden verheiratet", hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) damals gesagt.

In dem Streitfall ging es um ein aus Syrien nach Deutschland geflohenes Ehepaar. Am 10. Februar 2015 hatte der damals 21-jährige Mann seine 14-jährige Cousine vor einem Scharia-Gericht in Syrien geheiratet. Die Ehe wurde nach syrischem Recht wirksam geschlossen. Als das Paar im August 2015 nach Deutschland floh, wurde die 14-Jährige von ihrem Ehemann getrennt und in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Das Jugendamt wurde zum Vormund bestellt. Die Vorinstanzen erlaubten, dass sie die Wochenenden mit ihrem Mann verbrachte, wogegen das Jugendamt vor den BGH zog. Dieser zweifelte an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift und legte sie dem Bundesverfassungsgericht vor.

Unvereinbar mit dem Grundrecht der Ehefreiheit

Die Richterinnen und Richter des dortigen Ersten Senats stellten nun fest, dass die Norm unvereinbar mit dem Grundrecht der Ehefreiheit sei. Das liege daran, dass Regelungen zu den möglichen Folgen der Nichtigerklärung einer solchen Ehe fehlten. Momentan sei es nicht möglich, eine solche im Ausland wirksam geschlossene Ehe nach Erreichen der Volljährigkeit in Deutschland weiterzuführen. Das berühre aber die Freiheit, einen selbst gewählten Partner zu heiraten. Dieser Eingriff werde dadurch gewichtiger, dass die rechtlichen Vorteile einer Ehe für die Betroffenen entfielen, etwa bei Unterhalt und Erbrecht. Bei einer Scheidung oder Aufhebung der Ehe seien die Folgen geregelt, bei Unwirksamkeit nicht.

Jurist: Betroffene schützen

Der Erlanger Jurist Mathias Rohe rief dazu auf, bei der Neufassung des Gesetzes "die Schutzinteressen der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen". Der Gesetzgeber trage eine Schutzverantwortung für Minderjährige, "auch und gerade im Hinblick auf so schwerwiegende Entscheidungen wie Eheschließungen", sagte er auf Anfrage der Nachrichtenagentur KNA. Aus Sicht des Professors für internationales Privatrecht und islamisches Recht war zu erwarten, "dass das in aufgeregten Wahlkampfzeiten formulierte Gesetz grundlegende Bewertungsfehler enthielt, die nun korrigiert werden müssen". Das Gesetz sei unverhältnismäßig und in Teilen schädlich gewesen.

Mit Informationen von AFP, KNA, epd und dpa

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