Autos stauen sich in der Münchner Innenstadt an einer Brücke.
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Verkehr in München

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Diesel-Fahrverbote: Stickstoffdioxid-Belastung in München sinkt

Die Stadt hat vorläufige Werte der Stickstoffdioxid-Messungen veröffentlicht. Laut der Grünen-Stadtratsfraktion lassen die Ergebnisse darauf hoffen, weitere Diesel-Fahrverbote vermeiden zu können. Ob es so kommt, entscheidet sich aber erst später.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Nach einer Pressemeldung der Grünen im Münchner Rathaus sind die Belastungen in der Landshuter Allee im Vergleich zum Mittelwert des vergangenen Jahres um 5 auf nun 44 Mikrogramm pro Kubikmeter gesunken. Der in Europa geltende Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wird damit nur noch um 4 Mikrogramm überschritten.

Nächstes Diesel-Fahrverbot greift eigentlich im Oktober

Falls sich der positive Trend bestätige, so Münchens Bürgermeisterin Kathrin Habenschaden (Grüne), gebe es Hoffnung, dass die nächste Stufe der Fahrverbote nicht notwendig wird, heißt es in der Pressemeldung. Seit Februar 2023 gilt in München ein Dieselfahrverbot für Diesel der Abgasnorm Euro 4/IV und schlechter. Ab Oktober würde eigentlich die zweite Stufe des Diesel-Fahrverbots in München gelten. Kraftfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5/V dürften dann weder auf dem Mittleren Ring noch in die Innenstadt fahren.  

Bis 2021 war Freistaat für Luftreinhaltung zuständig

Das stufenweise angelegte Diesel-Fahrverbot im Münchner Luftreinhalteplan geht auf einen Vergleich zurück, den die Stadt mit dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) getroffen hat. Beide Verbände hatten in der Vergangenheit gegen die Überschreitung des EU-Grenzwerts von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft (µg/m3) in München geklagt.

Bis 2021 war der Freistaat für die Luftreinhaltung in den Kommunen zuständig. Dann gab die Landesregierung die Aufgabe freiwillig an die Kommunen ab. Im Falle von München war nun die Landeshauptstadt selbst für die Erstellung eines Luftreinhalteplans zuständig. Da die Stadt befürchtete, die Klagen von VCD und DUH vor Gericht zu verlieren, entschloss sie sich, mit den beiden Verbänden einen Vergleich zu schließen. Das Ergebnis war ein stufenweise einzuführendes Diesel-Fahrverbot.

Wenn Grenzwerte eingehalten werden, sind Fahrverbote unnötig

Die Messwerte an der Landshuter Allee tendieren nun also langsam, aber sicher in Richtung einzuhaltenden Grenzwert. Deswegen kommt nun anscheinend Euphorie bei der Grünen-Fraktion im Münchner Rathaus auf, denn dort hätte man das Diesel-Fahrverbot lieber heute als morgen vom Tisch, sofern die Grenzwerte es erlauben.

Einen letzten positiven Schub könnte die ab Juli 2023 auf der Landshuter Allee vorgesehene Fahrspur für E-Busse bringen, hofft der Grünen-Stadtrat Florian Roth. Sollte danach nur noch eine geringfügige Überschreitung festgestellt werden, sei zu prüfen, inwiefern die zweite Stufe des Fahrverbots - sprich für Euro 5 /V Diesel - verschoben werden könnte, so Roth.

VCD und DUH: Bisherige Werte nicht aussagekräftig

Ganz so euphorisch klingt Michael Müller-Görnert nicht. Er ist verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland und findet es prinzipiell erfreulich, dass die NO2 Werte sinken. Es handele sich dabei allerdings um eine Momentaufnahme. Zudem seien die Messungen auch immer abhängig vom Wetter. Der Gedanke dahinter: Da es in letzter Zeit viel geregnet hat, könnte es sein, dass die Werte besser sind, als sie es bei trockenem Wetter wären. Ein ähnliches Statement kommt von der Deutsche Umwelthilfe (DUH).

NO2-Werte in Münchner erst vorläufig

Bevor das Fahrverbot ausgesetzt werden könne, so Müller-Görnert, müsse erst geprüft werden, inwiefern der Rückgang nachhaltig sei. Dazu wurde mit der Stadt laut VCD vereinbart, die Werte der ersten sechs Monate des Jahres durch einen Fachguter prüfen zu lassen. Bisher seien aber nur die Werte der ersten drei Monate bekannt. Auch die Stadt verweist auf ihrer Webseite darauf, dass die bisher ermittelten Werte für das Jahr 2023 nur vorläufig errechnet wurden.

Die Deutsche Umwelthilfe zieht zudem Werte des Umweltbundesamtes heran, das laut DUH stundengenaue Messdaten veröffentlicht. Demnach werde für die Landshuter Allee im ersten Quartal eine Überschreitung von 44,7 µg/m3 NO2 festgestellt, sprich gerundete 45 1 µg/m3. Alleine deswegen sehe man den nächsten "notwendigen Maßnahmen" entgegen, heißt es vom DUH Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Ein Aussetzen der Fahrverbote kommt nach Ansicht des VCD-Sprechers Michael Müller-Gönnert nur dann in Frage, wenn der Gutachter feststelle, dass sich die Stickstoffdioxid-Werte rund um den EU-Grenzwert von 40 µg/m3 befänden. Allerhöchstens sei ein Wert von 41 µg/m3 Luft zu tolerieren.

Münchner CSU findet Diesel-Fahrverbot unverhältnismäßig

Damit ist die Münchner CSU-Fraktion nicht einverstanden. Sie fordert, das Dieselfahrverbot sofort auszusetzen. Ihr umweltpolitischer Sprecher Sebastian Schall sieht im "Abrücken der Grünen von ihrem eigenen Diesel-Fahrverbot" sogar ein "Wahlkampf-Wunder". Das Dieselfahrverbot sei unverhältnismäßig, findet auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl und fordert deswegen ein sofortiges Aussetzen der nächsten Verbotsstufe.

Mehrere Klagen am Verwaltungsgericht München

Tatsächlich wird über die Verhältnismäßigkeit des Münchner Fahrverbots noch zu sprechen sein - und zwar vor Gericht. Der Autoclub "Mobil in Deutschland" unterstützt mehrere Klagen vor dem zuständigen Münchner Verwaltungsgericht. Tenor der Klagen: Aufgrund der über Jahre stetig sinkenden Stickstoffdioxid-Werte sei ein Einhalten der EU-Grenzwerte abzusehen und damit ein zonales Diesel-Fahrverbot, so wie in München eingeführt, unverhältnismäßig. Die Luft in München sei sauber, findet der Präsident von "Mobil in Deutschland" Michael Haberland. Das liege nicht an den Diesel-Fahrverboten, sondern daran, dass die Fahrzeuge immer sauberer würden.

Bundesverwaltungsgericht setzt klare Regeln

Tatsächlich hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig festgestellt, dass ein Diesel-Fahrverbot trotz Überschreitung des Grenzwerts unverhältnismäßig sein kann. Die Bedingung: Prognosen müssten zeigen, dass der EU-Grenzwert in Kürze eingehalten wird.

Allerdings nennen die Richter am Bundessverwaltungsgericht auch eine konkrete Zahl. Nur ein einziges µg/m3 dürfe die NO2 Belastung über dem derzeitigen EU-Grenzwert liegen, nur dann sei ein Dieselfahrverbot unverhältnismäßig. Zudem müssten Prognosen klar zeigen, dass im nächsten Jahr der geforderte Wert eingehalten werden kann. Genau auf diesen Punkt beziehen sich VCD und DUH.

Kommt die zweite Stufe? Ende Juli gibt’s Gewissheit

Doch danach sieht es nach Angaben des zuständigen Münchner Referats für Klima und Umwelt (RKU) nicht aus. So rechnet das Referat laut Prognosen des bayerischen Landesamtes für Umwelt mit dem Überschreiten der Grenzwerte bis ins Jahr 2026.

Trotz dieser Prognose würde bei jeder neuen Stufe des Münchner Diesel-Fahrverbots geprüft, ob eine Verschärfung noch nötig sei, heißt es von Seiten des RKU. Deswegen würden die NO2-Werte laufend beobachtet. Sechs Monate, nachdem die erste Stufe des Dieselfahrverbots in Kraft getreten ist, werden laut RKU die Ergebnisse dann gutachterlich ausgewertet. Im Klartext bedeutet das: Erst Ende Juli werden die betroffenen Diesel-Fahrer wissen, ob sie mit ihrem Euro 5/V Diesel auf den Mittleren Ring beziehungsweise in die Münchner Innenstadt dürfen.

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