Vermummte Aktivisten bei einem Corona-Protest am 30.01.2022 in Nürnberg
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Vermummte Aktivisten bei einem Corona-Protest am 30.01.2022 in Nürnberg

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Corona-Proteste: Welche Rolle spielen Rechtsextreme?

In Bayern gehen regelmäßig Menschen auf die Straße, laut eigenen Angaben um gegen eine mögliche Impfpflicht und die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Doch wer steckt dahinter und welche Rolle spielen rechtsextreme Ideologien?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Rund 350 Demonstrationen und unangemeldete Corona-Proteste, die in der Szene oft als "Spaziergänge" verharmlost werden, sind am vergangenen Montag in Bayern in einschlägigen Telegram-Kanälen beworben worden. Erklärtes Ziel von führenden Aktivisten: In die Breite und Fläche gehen und Stärke zeigen. Die Teilnehmerzahlen bei den regelmäßig stattfindenden Protesten reichen dabei von einzelnen wenigen Menschen bis hin zu 4.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Demo-Anmelder mobilisiert über Rechtsextremen

Vor allem in Nürnberg sind die Corona-Proteste in Bayern am größten. Ende Dezember des vergangenen Jahres versammelten sich laut Polizeiangaben 12.000 Menschen in Nürnberg. Bei den Behörden angemeldet wurde die Demonstration von der Gruppe "Schüler stehen auf", hinter der ein 17-Jähriger steht.

Der Schüler mobilisierte dafür über den Schweizer Rechtsextremen Ignaz Bearth, der in der deutschsprachigen Szene der Corona-Proteste sehr einflussreich ist – ihm folgen auf Telegram mehr als 54.000 Nutzerinnen und Nutzer. Laut des Mobilisierungsvideos von Bearth bat der Schüler diesen um die Mobilisierungshilfe. Auch für die als "Mega-Demo" angekündigte Versammlung am vergangenen Sonntag teilte der 17-jährige Demo-Anmelder einen erneuten Aufruf des Schweizers, nach Nürnberg zu kommen.

Keine Abgrenzung nach rechts

Warum der 17-Jährige für die Corona-Proteste immer wieder auf die Unterstützung des rechtsextremen Akteurs aus der Schweiz zählte, beantwortete dieser schriftlich so: "Jede Person, jede Gruppierung darf für unsere Veranstaltung mobilisieren. Wir sehen Ignaz Bearth als coronakritischen Streamer und nicht als Rechtsextremisten." Eine Abgrenzung nach rechts gibt es demnach nicht. Der Schüler teilte schon zuvor Beiträge des Pegida-Gründers Lutz Bachmann und des rechtsextremen AfD-Politikers Björn Höcke in sozialen Netzwerken.

Demonstrant: "Solange alles friedlich ist, stört mich das nicht"

Teilnehmerinnen und Teilnehmer störte es offenbar nicht besonders, dass für die Demo vom Anmelder auch über einen Rechtsextremen mobilisiert wurde. "Da kann ich jetzt in dem Fall nichts dagegen machen", sagte eine Demonstrantin im BR-Interview, ein anderer sagte: "Jeder kann tun, was er möchte. Solange alles friedlich ist, stört mich das nicht." Eine Demonstrantin meinte, sie hätte andere Beweggründe auf die Demonstration zu kommen, zudem kenne sie die Menschen nicht.

Versammlungsleiter: "Wir haben Meinungsfreiheit"

Als Versammlungsleiter trat am Sonntag der Rechtsanwalt Harald Schörverth auf, der laut eigenen Angaben zum Kernteam von "Querdenken 911" gehörte und Mitglied bei der Partei "Die Basis" ist. Der 53-Jährige will nicht gewusst haben, dass auch über einen Rechtsextremen mobilisiert wurde. Dem BR sagte er: "Das ist überhaupt nicht in unserem Interesse, dass die aufrufen. Aber wie gesagt, wir haben Meinungsfreiheit."

Auch auf der Bühne distanzierte sich Schörverth dann von "Rechts- und Linksextremismus" und erntete daraufhin Pfiffe aus dem Publikum. Kein Wunder, direkt neben der Bühne standen auch Aktivisten aus dem Spektrum der rechtsextremen Identitären Bewegung. Führungskader der Neonazi-Partei "Der dritte Weg" waren ebenso zugegen wie NPD-Aktive, Reichsbürger und AfD-Politiker.

Hauptredner wird vom Verfassungsschutz beobachtet

Ein Hauptredner, mit dem für die Versammlung in Nürnberg geworben wurde, war Oberst a.D. Maximilian Eder. Der hochrangige Ex-Militär wird laut eigener Aussage als Einzelperson im vom Inlandsgeheimdienst geschaffenen Beobachtungsobjekt "sicherheitsgefährdende, demokratiefeindliche Bestrebung" eingestuft. Eder ist laut ARD-Recherchen Teil eines Netzwerkes aus Ex-Soldaten, das sich mit Querdenkern und Reichsbürgern im Kampf gegen eine vermeintliche Corona-Diktatur wähnt.

Er selbst war Gründungsmitglied des "Kommandos Spezialkräfte" (KSK), das später immer wieder durch rechtsextreme Umtriebe einiger Soldaten erschüttert wurde. Bei einer Corona-Demo in Berlin sagte er: "Man müsste das KSK mal nach Berlin schicken und hier ordentlich aufräumen, dann könnt ihr mal sehen, was die können." Seit diese Rede öffentlich wurde, beschäftigen sich die Sicherheitsbehörden mit ihm.

Szene-Streit wegen rechter Aktivisten

Im Vorfeld distanzierten sich zwei andere Nürnberger Gruppierungen von der Demonstration von "Schüler stehen auf". Nach BR-Recherchen führte die Teilnahme von Rechtsextremen bei der Demonstration Ende Dezember zum Zerwürfnis. Wörtlich heißt es in einer Mitteilung an den BR: "Querdenken 911 Nürnberg und Team Menschenrechte haben sich im Vorfeld klar von der Veranstaltung abgegrenzt und sie nicht unterstützt oder beworben."

Doch auch bei Veranstaltungen von "Querdenken 911 Nürnberg" wurden Umsturz-Fantasien geäußert. Schon zu Beginn des vergangenen Jahres forderte eine "Querdenken"-Aktivistin, den Rechtsstaat auszuhebeln und Politiker der damaligen Bundesregierung, die die Aktivistin als "Verbrecher" titulierte, verhaften zu lassen.

Experte hält Proteste für "rechte Bewegung"

Auch in München distanziert sich der Hauptorganisator der Proteste von Rechtsextremen. Szene-Kenner Robert Andreasch vom antifaschistischen a.i.d.a.-Archiv in München bleibt skeptisch: "So etwas kommt manchmal als Reaktion, wenn Medien über die Anwesenheit von bekannten Köpfen aus der neonazistischen oder neofaschistischen Szene berichten."

Jedoch würde sich von den "offen antidemokratischen und antisemitischen Inhalten, vom wissenschaftsfeindlichen und medienfeindlichen Müll in der eigenen Bewegung" kaum distanziert werden, bilanziert Andreasch. Ihm zufolge handeln die Protestierenden "zutiefst egoistisch und unsolidarisch". Ihre Schilder, Parolen und die Chats in den Telegram-Chatgruppen zeigten, dass es sich um eine "rechte Bewegung" handele, "voller Antisemitismus und faschistischer Umsturzphantasien."

Neonazis organisierten Corona-Proteste in Deggendorf

Nach BR-Recherchen stellen organisierte Rechtsextreme bei den Corona-Protesten in Bayern lediglich eine kleine Minderheit dar. Anders war das allerdings im niederbayerischen Deggendorf. Jan Nowak von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus stellte fest, dass die dortigen Proteste "bis ins Frühjahr 2021 hinein stark von Neonazis dominiert" waren. Sie meldeten demnach die Versammlungen an und stellten die Hauptredner. Diese Erkenntnisse bestätigten Aktive aus der Gewerkschaft und Zivilgesellschaft in Niederbayern dem BR. Nowak zufolge sei die "jüngste Protestwelle seit Dezember nicht mehr von Neonazis dominiert."

Dennoch seien die Redeinhalte "auch ohne die Dominanz der extremen Rechten problematisch." So seien verschwörungsideologische Inhalte verbreitet worden, unter anderem die Behauptung, "das Coronavirus sei eigentlich eine Biowaffe." Überdies wurde nahegelegt, dass das System totalitär agieren und die Bevölkerung terrorisieren würde. Für Nowak stellen derlei Äußerungen "faktisch eine Diffamierung der Demokratie" dar.

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