Thomas Hart lebt in Bad Neustadt an der Saale (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Bildrechte: Thomas Hart

Coming Out nach 21 Jahren: Thomas Hart ist katholischer Klinikseelsorger und schwul.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Coming Out auf katholisch: Ein Unterfranke genießt die Freiheit

125 Mitarbeitende der katholischen Kirche outen sich Ende Januar. Der Würzburger Bischof ist danach einer von wenigen, der queeren Menschen für sein Bistum die Angst vor Konsequenzen nimmt. Klinikseelsorger Thomas Hart konnte nach 21 Jahren aufatmen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Dass Thomas Hart aus Bad Neustadt an der Saale im Landkreis Rhön-Grabfeld mit einem Mann zusammen ist und lebt, hat er nie an die große Glocke gehängt. "Klar, man kommt nicht und sagt: 'Hallo, ich bin der Klinikseelsorger und bin schwul.' Umgekehrt würde das ein Heterosexueller auch nicht machen." So pragmatisch und gleichberechtigt wie Thomas Hart sieht das die katholische Kirche allerdings nicht. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften können da laut Grundordnung des kirchlichen Dienstes ein Kündigungsgrund sein.

Mit der Situation und Diskriminierung arrangiert

Thomas Hart und sein Freund sind seit 21 Jahren ein Paar. Geheiratet haben sie nie. Aus Angst vor den Folgen. Denn Hart arbeitet als Seelsorger am Rhön Klinikum in Bad Neustadt an der Saale – und damit für die katholische Kirche. Für seine Kolleginnen und Kollegen, die mit Kirche nichts am Hut haben, ist das überhaupt nicht nachvollziehbar: Dass die Ehe doch nicht für alle ist, musste er deshalb oft erklären. "Vieles läuft nicht so, wie es sein soll, aber ich hab mich damit über die Jahre arrangiert", sagt der 51-jährige Seelsorger.

Schon immer aktives Kirchenmitglied

Schon als Jugendlicher in seiner Heimatgemeinde in Schweinfurt engagiert er sich in der Kirche: Viele Jahre diente er als Ministrant, war als Jugendleiter in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) aktiv und brachte sich im Pfarrgemeinderat ein. Nach einer Ausbildung zum Erzieher entschied er sich, Religionspädagogik zu studieren, um als Gemeindereferent arbeiten zu können.

Geouteter Seelsorger: "Ich bin wie ich bin - so soll es wohl sein."

Gehadert habe er anfangs schon. Aber er habe ja gewusst, worauf er sich einlasse: "Ich dachte dann halt, na gut, es soll wohl so sein. Eben dass ich so bin ich wie ich bin und in der Kirche tätig bin. Dann finde ich meinen Platz schon." Einen Platz, den längst auch viele andere schwule, lesbische, trans-, bisexuelle und nonbinäre Menschen in der Kirche gefunden haben. Die darauf warten, dass das Versteckspiel ein Ende hat. Nach dem Coming Out von 125 queeren Mitarbeitenden der katholischen Kirche lud Bischof Franz Jung zum digitalen Austausch und Infogespräch in seinem Bistum ein.

Positive Rückmeldungen nach Outing

Irgendwann fasste sich auch Thomas Hart ein Herz: "Ich habe dann gesagt: 'Wissen Sie, ich bin da auch betroffen, ich bin schwul. Ich lebe seit 21 Jahren in einer Beziehung mit einem Mann.' Mir hat dann die Stimme versagt, mir kamen die Tränen." Der Zuspruch, den er daraufhin erfuhr, war groß. Eine Kollegin rief noch am Abend an: Sie selbst habe den Mut nicht, sich offen zu zeigen. Sie sei selbst seit 20 Jahren mit einer Frau zusammen.

Erleichterung nach Selbstverpflichtungserklärung des Bischofs

Viele bestärkten ihn. Kurz darauf verkündete Bischof Franz Jung in einer Selbstverpflichtungserklärung: Queere Beschäftigte müssten in seinem Bistum nicht mehr mit Kündigungen oder Disziplinarmaßnahmen rechnen. Er schließt sich damit den Beschlüssen des Synodalen Wegs an, dem Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland. Auf eine offizielle Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts wollte der Bischof nicht warten. Die könnte in den kommenden drei Tagen bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe beschlossen werden.

Längst überfälliger Schritt in der katholischen Kirche

Für den Bad Neustädter Seelsorger ein längst überfälliger Schritt. Denn er merkt jetzt: Die Furcht, seinen geliebten Job zu verlieren, aufzufliegen, hing jahrelang wie ein Damoklesschwert über ihm. "Jetzt kann ich meinen Kolleginnen und Kollegen sagen: Ich kann heiraten ohne ein schlechtes Gewissen zu haben - weil ich darf jetzt ja auch wirklich heiraten!" Was in Deutschland bürokratisch mit der Eheschließung möglich ist, mussten Hart und sein Partner bislang notariell festlegen. Etwa beim Hauskauf oder in medizinischen Angelegenheiten. "Klar, das zu vereinfachen ist auch ein Grund zu heiraten. Aber auch, weil man in einer Partnerschaft Verantwortung füreinander übernimmt. Und das wollen wir jetzt festigen."

Ab heute treffen sich die 66 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz drei Tage (7. bis 10. März) lang zu ihrer Frühjahrsvollversammlung in Vierzehnheiligen im Erzbistum Bamberg. Im Mittelpunkt der Beratungen steht der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Zwei ganze Tage wird sich die Vollversammlung mit den bisherigen Debatten, aktuellen Texten und dem Fortgang des Synodalen Weges befassen. Dazu zählt auch eine erste Diskussion darüber, wie Beschlüsse in den Bistümern realistisch umgesetzt werden können. Darüber hinaus wird es einen aktuellen Sachstandsbericht zum Themenkomplex Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs geben.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!