Hymnen und Dankesreden. Für Charlotte Knobloch wurde der Festakt zu ihrem 90. Geburtstag ein ganz besonderer Tag. Mit Reden gratulierten ihr am Sonntag in der Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Knobloch ihrerseits bedankte sich bei allen Wegbegleitern.
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Pressekonferenz auch am Ehrentag
Obwohl dieser Tag für Charlotte Knobloch außerordentlich eng getaktet war, nahm sie sich trotzdem immer wieder Zeit für diejenigen, die ihre Zeit in Anspruch nehmen wollten. Noch vor dem offiziellen Festakts gab es eine fast einstündige Pressekonferenz. Und bevor sie noch die erste Frage beantwortet hatte, bedankte sie sich schon: dafür, dass so viele Journalistinnen und Journalisten gekommen waren. Sie hätte mit weniger Interesse gerechnet.
Mahnende Worte, mehr gegen Antisemitismus zu tun
Und auch in der Geburtstags-Pressekonferenz blieb sie sich treu - als Kämpferin gegen Hass und für Demokratie: Sie rief die politischen Parteien dazu auf, noch mehr gegen Antisemitismus in Deutschland zu unternehmen. Knobloch sagte, ihr gefalle es nicht, dass diejenigen, "die wir gewählt haben, sich mit Sonntagsreden immer sehr positiv zeigen", aber dann, wenn es um Konsequenzen gehe, sehr zurückhaltend seien: "Es ist schon was getan worden, aber es könnte noch mehr geschehen".
Gerade für junge jüdische Menschen in Deutschland sei das wichtig. "Denn sonst habe ich wirklich die Befürchtung, dass die jungen Leute, die hier eine Familie aufbauen wollen, sich große Gedanken darüber machen, wie ihre Zukunft aussieht."
Größter persönlicher Erfolg: Bau von Synagoge mit Gemeindezentrum
Oft werde sie "als Mahnerin" angesprochen - "ich gebe da nicht nach". Als größten Erfolg ihres Engagements für jüdisches Leben in Deutschland bezeichnet sie den Bau der Synagoge mit jüdischem Gemeindezentrum, Museum und Bildungseinrichtungen. Zwanzig Jahre habe sie gemeinsam mit Mitstreitern hart dafür gearbeitet. Nach ihren Plänen in der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, deren Präsidentin sie ununterbrochen seit 1985 ist, gefragt, sagte Knobloch: "So lange ich kann, mache ich weiter"
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Steinmeier lobt Knoblochs nie nachlassendes Engagement
Beim Festakt in der Hautpsynagoge eröffnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Gratulanten- und Rednerliste. Er sagte Charlotte Knobloch sei ein "Füllhorn der Mitmenschlichkeit" und ein Vorbild wegen ihres nie nachlassenden Engagements für die Versöhnung zwischen Juden und Nichtjuden - "und auch für unsere Demokratie". Für Steinmeier sei Knobloch eine Versöhnerin und eine leidenschaftliche, streitbare Demokratin.
Knobloch habe sich für Deutschland entschieden, sagte Steinmeier weiter: "Darauf durften die Deutschen nicht hoffen, nach allem, was Ihnen und Ihrer Familie angetan wurde." Zugleich zeige sich der Antisemitismus in den letzten Jahren wieder unverhohlener und offener, "auf der Straße, auf Schulhöfen, im Netz": "Die Stimme gegen Judenhass zu erheben, das ist nicht allein Sache der Jüdinnen und Juden in unserem Land. Das ist Sache aller Menschen, die hier leben", so Steinmeier.
Nach der ernsten Ansprache von Steinmeier, hielt Ministerpräsident Markus Söder in der Münchner Hauptsynagoge eine etwas leichtere Rede. Er bezeichnete Knobloch als "Fixstern am bayerischen Firmament". "Sie sind einfach ein toller Mensch!“ Knoblochs Tapferkeit mache anderen Menschen so viel Mut. Sie mache Hoffnung, dass diese Welt noch besser werden kann. "Sie sind unser Herzensmensch, happy birthday Charlotte Knobloch", sagte Söder am Ende seiner Gratulationsrede.
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Charlotte Knoblochs Rede an ihre Gratulanten
Am Schluss des Festakts dankte Charlotte Knobloch all ihren Vorrednern. Sie bedankte sich bei allen Gratulanten und zeigte sich begeistert darüber, dass "wirklich all meine Freunde gekommen sind". Zu den Gästen zählten unter anderem neben den weiteren Rednern, Oberbürgermeister Dieter Reiter und der Zentralratspräsident Josef Schuster, der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler, Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, die Vizepräsidentin des Bundestags Petra Pau, Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, FC Bayern-Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, und Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel
Knobloch hielt schließlich inne und sagte: "Geben Sie mir eine Sekunde, um diesen Moment zu speichern. Ich sage offen und ehrlich, ich feiere gerne, ich liebe es, das Leben zu spüren. Aber im Mittelpunkt zu stehen: Das ist nicht mein Lieblingsplatz." Sie erinnerte daran, wie sie die Reichspogromnacht in München an der Hand ihres Vaters erlebte und den Holocaust in Mittelfranken überlebte, weil sie auf einem Bauernhof als uneheliches Kind ausgegeben wurde. Am Ende ihrer Rede gab es minutenlang Standing Ovations, bevor die Feier im Gemeindezentrum weiterging.
In München geboren
Knobloch wurde am 29. Oktober 1932 in München als Tochter des Rechtsanwalts Fritz Neuland geboren. In einem Versteck in Franken überlebte sie den Holocaust und kehrte 1945 nach München zurück. Seit 1982 wirkt sie im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und ist seit 1985 deren Präsidentin. Sie war zudem Jahre Vizepräsidentin und von 2006 bis 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ferner war sie über mehrere Jahre Vizepräsidentin im European Jewish Congress und im World Jewish Congress. Für Letzteren ist sie bis heute als Beauftragte für das Holocaust-Gedenken tätig.
Mit Material von epd