Frau mit Kiste voll Lebensmittel vor einem Kühlschrank.
Bildrechte: BR / Daniela Olivares

Philomena Schlamp räumt den Kühlschrank ein: Auf die steigenden Strompreis blickt sie mit Sorge.

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Bayerns Tafeln am Limit – Mehr Kunden, hohe Energiekosten

Die Tafeln in Bayern kamen mit dem Krieg und den geflüchteten Menschen aus der Ukraine an ihre Grenzen. Einige von ihnen verhängen Aufnahmestopps – wie kürzlich in Ingolstadt. Jetzt kommt ein neues Problem hinzu: die explodierenden Energiekosten.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Joghurt, Quark, Käse: Diese Produkte räumt Philomena Schlamp von der Tafel in Neuburg an der Donau in die zahlreichen Kühlschränke. Meterlang sind sie an der Wand aufgereiht, um alles kühl und die Hygienevorschriften einzuhalten. Im hinteren Teil der Tafel ein Kühlraum: Hier stehen die Kisten mit Gemüse und Obst. Das alles kostet Strom. Auf die nächste Abrechnung blickt die Vorsitzende der Tafel mit großer Sorge. "Es wird ja bei allem mehr: Sei es Sprit, sei es Strom. Auch der Laden allein sind schon 38.000 Euro im Jahr, die wir bezahlen müssen. Und die jetzigen Entwicklungen machen uns schon Sorgen!"

Ähnlich besorgt ist man in Schrobenhausen: Dort hat man neue Kühlgeräte. "Ob die viel bringen, wissen wir noch nicht", meint Vorsitzende Verena Bartelmann. Spürbar sind für die Ehrenamtlichen jetzt schon die hohen Spritpreise.

Stark steigende Kosten für Sprit

Der Sprinter der Tafel Neuburg ist auf Abhol-Tour. Dabei ist auch ein Stopp bei der Tankstelle. "Das ist deutlich teurer geworden", meint der ehrenamtliche Helfer. Fast verdoppelt haben sich hier die Preise im Vergleich zum vergangenen Jahr, berichtet Philomena Schlamp von der Neuburger Tafel. Die Gasheizung haben sie noch nicht angemacht - so lang wie möglich soll wenigstens hier gespart werden. Denn viele Möglichkeiten, mit der Energie hauszuhalten, haben sie nicht.

Strenge Hygieneregeln

Die extrem gestiegenen Energiekosten machen nahezu allen Tafeln in Bayern zu schaffen, bestätigt Peter Zilles von der Tafel Bayern. Bei den Kühlgeräten könne nicht einfach die Temperatur erhöht werden, denn es gelten strenge Hygieneregeln.

Und irgendwann müsse man auch heizen. Denn oft arbeiten die Ehrenamtlichen bis zu zwölf Stunden im Tafelladen. Deshalb gebe es wenig Einsparmöglichkeiten, meint Zilles. Im Gegenteil: Viele Tafeln müssen jetzt größere Touren fahren, um Lebensmittel abzuholen.

Unterstützung vom Freistaat

Eine Erleichterung: Unterstützung vom Freistaat gibt es. Die Staatsregierung sei sich dessen bewusst, dass die Tafeln derzeit unter erschwerten Bedingungen arbeiten, heißt es aus dem Sozialministerium. Deshalb gebe es in diesem Jahr eine zusätzliche Förderung von insgesamt 750.000 Euro, um die schwierige Situation abzumildern. Jährlich stelle die Staatsregierung insgesamt 250.000 Euro aus unterschiedlichen Töpfen zur Verfügung.

Auf BR-Anfrage teilt eine Sprecherin mit, dass die Staatsregierung im Frühjahr zusätzlich eine Förderung in Höhe von 200.000 Euro gewähre. Im Sommer würden nochmals 300.000 Euro zur Verfügung gestellt, um über den Landesverband die Tafeln zielgerichtet zu unterstützen, beispielsweise bei der Deckung der aktuell hohen Energiekosten.

Komplett kompensieren diese Maßnahmen aber nicht die Mehrkosten. Dennoch: "Die Tafeln sind für die Hilfe sehr dankbar", meint Peter Zilles von der Tafel Bayern. In anderen Landesverbänden sehe das anders aus: "Da geht es uns noch gut", meint er. Aber: Einen Plan für die Zukunft gibt es nicht. "Wir müssen noch mehr teilen!" Für die Bedürftigen heißt das: weniger Lebensmittel. Und die werden jetzt schon knapper.

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Zahl der Tafelkunden verdoppelt

Doch das ist nicht alles: Die Tafeln sind seit einiger Zeit am Limit. Nahezu überall haben sich die Kundenzahlen in den vergangenen Monaten verdoppelt, meint Vorstand Zilles. So auch in Neuburg. Dort versorgt man jetzt rund 520 Haushalte mit 1.250 Personen. Bis April 2022 waren es noch 300 Haushalte mit über 600 Personen. Trotzdem: Es bekommt jeder etwas. "Bei uns geht keiner mit leeren Händen raus. Wir teilen es so ein, dass jeder etwas bekommt", versichert Schlamp.

Die Menschen, die zur Tafel in Neuburg kommen: Rentner, junge Mütter und Geflüchtete. Für sie ist die Tafel ein wichtiger Anlaufpunkt: "Sonst würde ich abends halt nichts essen, damit die Kinder etwas bekommen", erzählt eine Mutter von zwei Kindern. "Ich würde hungern, das Geld reicht einfach nicht", erzählt eine Frau. "Ich bekomme eine Rente von 800 Euro. Alleine über 500 Euro kostet schon die Miete. Ohne Tafel würde es nicht gehen", meint ein Rentner." Doch die Kunden werden immer mehr: "Wie lange wir das noch stemmen können, weiß ich nicht. Ein Aufnahme-Stopp kann ich nicht ausschließen", meint Philomena Schlamp.

Das galt kürzlich in Ingolstadt – und heißt: Es werden keine neuen Kunden aufgenommen. Andere Tafeln haben die Frequenz geändert. Beispielsweise können Bedürftige dann nur noch alle zwei Wochen kommen. Denn während die Zahl der Tafel-Kunden ansteigt, sind die Spenden rückläufig.

Spenden aus Supermärkten rückläufig

Die Abholer der Tafel Neuburg machen ihren ersten Stopp an einem Supermarkt. Doch sie kommen mit leeren Händen zurück: "Sie hatten diesmal gar nichts", berichtet der Mitarbeiter. Die weitere Tour verläuft mittelmäßig. Überall bemerken die Tafeln, dass die Spenden weniger werden. "Die Supermärkte kaufen selber weniger ein", meint ein Abholer. Viel werde auch noch bei Rabatt-Aktionen verkauft.

Zurück im Tafel-Laden eine schöne Überraschung: Ein Neuburger-Gastronom bringt einen Lieferwagen mit Lebensmitteln vorbei. "Oh, sogar Pommes", freut sich eine Helferin. Für den nächsten Tag ist die Ausgabe gesichert. Wie es nächste Woche aussieht, bleibt ungewiss.

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