Noch stehen im Altöttinger Staatsforst keine Windräder. Aber das könnte sich bald ändern: Der Wald gilt jetzt als Vorranggebiet für Windräder.
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Noch stehen im Altöttinger Staatsforst keine Windräder. Aber das könnte sich bald ändern: Der Wald gilt jetzt als Vorranggebiet für Windräder.

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Der größte Windpark Bayerns steht in den Startlöchern

Die Windkraft ist in Bayern seit Jahren ein Streitthema. Nun soll im Landkreis Altötting der bisher größte Windpark gebaut werden – bis zu 40 Windräder sind in Planung. Aber nicht alle sind damit zufrieden.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Hochmodern und 200 Meter hoch sollen die Windräder werden, die in den Bayerischen Staatsforsten geplant sind. Denn im bayerischen Chemiedreieck gibt es einen großen Energiehunger – rund 0,5 Prozent der gesamten deutschen Strommenge verbraucht der Industriestandort. Bei der Ausschreibung durch die Bayerischen Staatsforsten hat sich nun die "Qair Deutschland GmbH" durchgesetzt – ein französisches Unternehmen, das vergangenes Jahr die insolvent gegangene Münchner Green City AG übernommen hat.

Windkraftanlagen im Wald für Altöttinger Landrat unbedenklich

"Ich habe mich bewusst für den Wald entschieden", sagt der Altöttinger Landrat Erwin Schneider, "weil das momentan am konfliktfreiesten ist". Die Windräder seien für den Wald zwar optisch nicht schön, so Schneider, "ökologisch wird das meines Erachtens aber einigermaßen verträglich sein".

Bisher war der Altöttinger Staatsforst ein Ausschlussgebiet. Dieses Jahr wurde allerdings der Grundsatzbeschluss gefasst – der Wald gilt jetzt sogar als Vorranggebiet für den Bau von Windrädern. Denn durch die gestiegenen Strompreise und die Abschaltung des letzten bayerischen Atomkraftwerkes sei ein Windpark-Projekt im Wald auch für Investoren interessanter, erklärt der Landrat. "Diejenigen, die hier investieren wollen, haben auch eine gewisse Sicherheit, dass es sich rechnet", so Schneider.

Der Windpark kann trotz Gegenstimmen gebaut werden

Doch diese Änderungen tragen Konfliktpotential in sich. Bisher haben sieben von neun der Anrainergemeinden zugestimmt. Die Gemeinden Kastl und Emmerting lehnen die Windkraftanlagen in ihren Waldanteilen bisher ab. Wenn sich eine Gemeinde gegen den Bau von Windkraftanlagen entscheide, werde sie auch von den Planungen ausgeschlossen, so Landrat Erwin Schneider. Das Projekt könne insgesamt aber trotzdem umgesetzt werden, "das macht das Kraut nicht fett, da würden vielleicht zwei, drei Windräder mehr entstehen", so Schneider.

Zwei Kommunen sind gegen die Windkraftanlagen

In Emmerting bleibt Bürgermeister Stefan Kammergruber skeptisch: "Ich habe kein Problem, wenn Windanlagen entlang der Autobahn und Industrien entstehen, da hat es Maß und Mitte, aber nicht in der Nähe von Wohngebieten und Geltungsbereichen und schon gleich gar nicht in einem Forst". Vor allem die Informationslage zur Windgeschwindigkeit kritisiert der Emmertinger Bürgermeister. Anfangs sei davon ausgegangen worden, dass in einer Höhe von 160 Metern eine Windgeschwindigkeit zwischen fünf und sechs Metern pro Sekunde herrscht, sagt Kammergruber.

"Nach dem jetzigen Vorschlag des regionalen Planungsausschusses reden wir jetzt nur noch von 4,8 Metern pro Sekunde, die hier notwendig sind, um ein Windrad zu betreiben“, kritisiert Kammergruber. Seine Gemeinde behält es sich deshalb vor, eine Entscheidung zu treffen. Aus dem Landratsamt in Altötting heißt es dazu, dass der Investor selbst wissen müsse, ob sich das Projekt rechne: "Wir haben die Windgeschwindigkeiten im Vorhinein nicht gemessen, das ist nicht unser Bier", so Landrat Erwin Schneider.

Die Grünen kritisieren das Auswahlverfahren der Staatsforsten

Auch der Kreisverband der Grünen in Altötting zeigt sich kritisch gegenüber dem Bauvorhaben. Der Kreisvorsitzende Peter Áldozó befürchtet, dass der Großkonzern auf kurzfristigen und maximalen Gewinn setze: "Unsere Position pro Windpark im Staatsforst war immer verknüpft mit dem Gemeinwohl, dem die Bayerischen Staatsforsten per Gesetz eigentlich verpflichtet wären", sagt Áldozó.

Die Bayerischen Staatsforsten betonen indes, dass es sich um ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren gehandelt habe, bei dem die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Wertschöpfung eine hohe Bedeutung gehabt habe. "Ist der Bieter nicht bereit, die gewünschten Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten vollumfänglich umzusetzen, wird dessen Angebot im Auswahlverfahren nicht weiter berücksichtigt", heißt es in einer Stellungnahme der Bayerischen Staatsforsten.

Dass der Großteil des Teams der ehemaligen Green City AG von Qair integriert wurde, spreche gerade für die Erfahrung der Belegschaft mit Genehmigungsverfahren und Bauprojekten in Süddeutschland. Neben der Möglichkeit der Bürgerbeteiligung soll es auch einen wirtschaftlichen Vorteil geben, denn von den Stromerlösen muss der Betreiber auch Geld an die Gemeinden zahlen. "Die vierzig Windräder, die derzeit geplant sind, würden für die Gemeinden direkt eine Abgabe von rund einer Million Euro bedeuten", sagt Landrat Erwin Schneider. Zu der vergleichsweise geringen Summe fließe auch die Gewerbesteuer in die jeweiligen Gemeinden.

Trotz Kritik werden jetzt die nächsten Schritte eingeleitet

Das Unternehmen Qair werde sich nun mit den Bürgermeistern der Kommunen, die dem Projekt zugestimmt haben, zusammensetzen, sagt Schneider. Um die endgültigen Genehmigungen zu erlangen, muss Qair zunächst Windmessungen durchführen, um potentielle Standorte für die Windräder festlegen zu können. Anschließend folgen artenschutzrechtliche Prüfungen.

Im Altöttinger Landratsamt soll indes der Regionalplan geändert werden: Was bisher als Ausschlussgebiet galt, wird nun zum Vorranggebiet umgewandelt, erklärt Erwin Schneider. Bis die ersten Windkraftanlagen gebaut werden könnten, würden allerdings noch Jahre vergehen. "Mir gefallen übrigens die Windräder optisch auch nicht, muss ich ganz deutlich sagen", so Schneider, "aber es hilft nichts mehr, es geht um unsere Existenz und die unserer Kinder und Enkel."

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