Bilanz zum Ausbildungsjahr: Kompromissbereitschaft fehlt
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Die Nachvermittlungsbörsen sind sehr gefragt

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Bilanz zum Ausbildungsjahr: Kompromissbereitschaft fehlt

Die Bundesagentur für Arbeit hat das Ausbildungsjahr 2022/23 analysiert. Wie in den vergangenen Jahren konnten Lehrstellen wegen Bewerbermangels oft nicht besetzt werden. Die Nachvermittlungsbörsen sind deshalb sehr gefragt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Nachvermittlungsbörse der Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken im Oktober ist bei jungen Menschen auf großes Interesse gestoßen. Mehr als zwanzig Arbeitgeber boten ihre noch offenen Ausbildungsplätze an. Hunderte Schulabgänger, die bisher noch keine Lehrstelle gefunden hatten, nutzten die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch.

Hohe Nachfrage bei Nachvermittlungsbörse

Celine Stolz ist mit ihrer Mutter gekommen. Sie habe sich schon seit einiger Zeit auf Angebote zur Kauffrau für Büromanagement beworben, aber bisher habe es noch nicht geklappt. "Also ich bin auf jeden Fall offen für alles, mal schauen, was wird. Ich bin guter Dinge," sagt die 17-Jährige. Johannes Lehr, 18 Jahre alt, hat bis vor Kurzem noch die Fachoberschule besucht. Doch das habe für ihn nicht mehr gepasst, deshalb möchte er jetzt in eine Ausbildung starten, sagt der junge Mann. Auch er ist nicht allein gekommen. Sein Vater, Philipp Lehr, begleitet ihn. Die beiden ziehen von Stand zu Stand und sprechen mit den Firmenvertretern. Über den Schulabbruch seines Sohnes mache er sich schon Gedanken, sagt Philipp Lehr. Natürlich sei es in Ordnung, wenn man merkt, dass die Schule nichts mehr für einen ist. Aber jetzt gehe es halt darum, auf die Schnelle was zu finden. Glücklicherweise hätten sie das Angebot dieser Nachvermittlungsbörse gesehen, sagt Philipp Lehr.

BA-Ausbildungsbilanz 2022/23

Andrea Nahles, die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, hat über das abgelaufene Ausbildungsjahr Bilanz gezogen. Demnach habe es im Vergleich zum Vorjahr keine großen Veränderungen gegeben, weder bei der Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen (529.000), noch bei der gemeldeten Bewerberzahl (422.000). Das bedeute aber auch, eine Trendwende sei auf dem Ausbildungsmarkt nicht in Sicht, so Nahles. Zu denken gebe ihr, dass trotz des Überhangs an Ausbildungsstellen, nicht alle Kandidaten vermittelt werden konnten.

Mehr Kompromissbereitschaft erwünscht

Sie stelle fest, sagte Nahles, dass von Arbeitgeberseite ein deutlicher Unterschied gemacht werde, zwischen weniger gut qualifizierten und besser qualifizierten Kandidaten. Doch müsse man in einer Situation, wo viele Lehrlinge gesucht würden, vielleicht auch mal einem Hauptschüler eine Chance geben. Andererseits sollten sich auch Bewerberinnen und Bewerber nicht nur auf den Wunschberuf fixieren, sondern eine größere Bandbreite an Ausbildungsberufen in Erwägung ziehen. Die BA-Chefin wünscht sich mehr Kompromissbereitschaft von beiden Seiten.

Noch große Auswahl an Lehrstellen

Die Auswahl an freien Ausbildungsplätzen auf der Nachvermittlungsbörse ist vielfältig. Besonders viele Lehrstellen – nämlich insgesamt sechzehn – hat ein großes Bauunternehmen im Gepäck. Die Branche leidet seit einigen Jahren unter Lieferengpässen und im Moment - aufgrund der Teuerung – auch unter den Pleiten von Auftraggebern. Katja Kaiser ist Referentin für Ausbildung bei der Firmengruppe Max Bögl. Auf die Frage, ob es normal sei, dass noch so viele Lehrstellen unbesetzt seien, sagt sie, sicherlich habe da auch die Flaute im Baugewerbe ein bisschen mitgespielt. In den vergangenen Jahren sei es Jahr für Jahr etwas schlechter geworden. Dieses Jahr, so Ausbildungsreferentin Kaiser, seien die Bewerbungen auch später eingegangen. Aber letztlich sei man doch ganz zufrieden, bislang 158 Auszubildende gefunden zu haben, so Kaiser. Und vielleicht werden es noch mehr, die Warteschlange derjenigen, die an Ihrem Stand das Gespräch suchen, ist jedenfalls lang.

Nachvermittlung ist wichtig

Viele Unternehmer haben sich schon darauf eingestellt, dass sie nicht pünktlich zum Ausbildungsstart im September alle Lehrstellen besetzt bekommen. Einer davon ist Michael Ammon. Der Juniorchef des Anbieters von Beschlägen und Sicherheitstechnik, hat einen guten Draht zu jungen Menschen. Auf dieses Ausbildungsjahr angesprochen, erzählt er, dass seine Firma zwar schon viele Azubis gefunden habe, es aber noch Bedarf gebe. Die Suche nach Lehrlingen werde immer schwieriger, deshalb empfinde er Nachvermittlungsbörsen als sehr sinnvoll. Ammon verweist auch darauf, dass es einen Unterschied mache, ob man in einer Stadt wie Nürnberg, oder im ländlichen Raum nach Auszubildenden suche. In der Stadt sei die Konkurrenz einfach viel größer. Seiner Firma gehe es weniger darum, eine bestimmte Ausbildungszahl zu erreichen, sondern darum, gute Azubis zu bekommen. Denn das sichere dem Betrieb die Fachkräfte von morgen.

Syrerin kann noch ins Ausbildungsjahr starten

Auch Alaa Doko aus dem syrischen Damaskus hat sich auf der Nachvermittlungsbörse orientiert. Sie führt ein längeres Gespräch mit einer Unternehmerin, die einen Ausbildungsplatz zur Kauffrau für e-commerce anbietet. Die 22-jährige legt ihre Bewerbungsmappe vor. Nach dem Gespräch erzählt sie uns, sie könne zuerst ein Praktikum machen. Wenn das funktioniere, könne sie sofort mit der Ausbildung beginnen. "Das ist toll", sagt die junge Frau und strahlt über das ganze Gesicht.

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