Ein Intensivpfleger steht auf der Intensivstation eines Krankenhauses neben einem Covid-19-Patienten.
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Ein Intensivpfleger steht auf der Intensivstation eines Krankenhauses neben einem Covid-19-Patienten (Archivbild).

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Steigende Corona-Zahlen: Kliniken "unter großem Druck"

Auf mehreren Ebenen trifft Corona die Krankenhäuser in Bayern: Zum einen fällt erkranktes Personal aus, zum anderen gibt es immer mehr Patienten. Die Hospitalisierungsrate steigt also - nicht nur in München nach der Wiesn.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Die steigenden Corona-Zahlen in Bayern sorgen für immer mehr Druck auf die Krankenhäuser. 2.505 Menschen mit Corona wurden in den vergangenen sieben Tagen in bayerische Kliniken eingeliefert, wie das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erklärt. Ein Allzeithoch. Im Vergleich zur Vorwoche liegt der Anstieg bei über 160 Prozent.

Zwar kommen viele Patienten mit und nicht wegen Corona in die Krankenhäuser, der Rekordwert gibt aber einen Eindruck, wie stark verbreitet das Virus derzeit ist. In früheren Wellen waren maximal Werte um 1.500 erreicht worden. Die Intensivbetten-Belegung liegt dagegen trotz Anstieg noch deutlich unter den Werten früherer Corona-Wellen.

Inzidenz in Bayern steigt über 1.000

Die offizielle Sieben-Tage-Inzidenz im Freistaat ist dem Robert Koch-Institut zufolge am Dienstagmorgen um 286,3 auf 1.096,8 gesprungen. Nur im Saarland ist die Inzidenz mit 1.664,5 laut RKI noch höher. Fürstenfeldbruck verzeichnet mit 1.840,1 die höchste Inzidenz in Bayern, Tirschenreuth mit 1.708,4 die zweithöchste. In München liegt sie bei 1.497,4. Jedoch bildet die Sieben-Tage-Inzidenz das Infektionsgeschehen nicht mehr ausreichend ab.

Experten zufolge dürfte neben dem Feiertag am 3. Oktober auch eine sehr hohe Dunkelziffer die aktuellen Kennzahlen beeinträchtigen. In die Statistik gehen ausschließlich positive PCR-Tests ein. Jedoch lassen nicht alle Erkrankten einen solchen durchführen. Außerdem haben viele, unter anderem wegen der erfolgten Corona-Impfungen, inzwischen häufig mildere Verläufe.

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Bald Maskenpflicht in Innenräumen?

In und um München sind die Zahlen während und nach dem Oktoberfest, das vor gut einer Woche endete, stark gestiegen. Das Gesundheitsreferat der Stadt geht davon aus, dass es in München zusätzlich eine Dunkelziffer von mindestens dem Dreifachen der offiziell gemeldeten Infizierten gibt. Trifft dies durchgehend zu, würde sich daraus rein rechnerisch auch eine mindestens viermal so hohe Inzidenz ergeben.

Vor dem Hintergrund der hohen Fallzahlen in Bayern warnt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) per Twitter-Post, dass im Winter vermutlich wieder eine Maskenpflicht im Innenraum nötig sein wird. Das Oktoberfest erinnere daran, dass Schreien und Rufen im Innenraum den Aerosolausstoß und somit das Infektionsrisiko erhöhe. Erst kürzlich hatte Lauterbach die Länder dazu aufgefordert, mit dem Erlass einer Maskenpflicht für Innenräume nicht zu lange zu warten.

Söder: "Wir müssen schauen, wie es da jetzt weitergeht"

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekräftigte am Dienstag, dass die Wiesn aus seiner Sicht insgesamt ein Erfolg gewesen sei. Es sei klar gewesen, dass danach die Zahlen hoch gehen. "Wir müssen schauen, wie es da jetzt weitergeht." Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) rief die Bürger bayernweit derweil mit Blick auf die steigenden Corona-Fallzahlen und die zunehmende Auslastung der Krankenhäuser zur Vorsicht auf.

Im Münchner Gesundheitsreferat rechnet man damit, dass die Fallzahlen "noch einige Tage auf hohem Niveau bleiben und der Gipfel der Klinik-Aufnahmen demnach noch nicht erreicht ist". Zudem gebe es eine deutliche Zunahme von Influenza-Meldungen. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erklärte: "Ich habe das Gesundheitsreferat und die München Klinik um dringende Stellungnahme und Sachstandsbericht gebeten und erwarte mir bis morgen Vorschläge, wie mit der unbestritten schwierigen Situation weiter umgegangen werden soll."

Medizinische Versorgung in München gewährleistet

Die Intensiv-und Notfallversorgung in München sei trotz der gestiegenen Hospitalisierungsrate "noch weitgehend sichergestellt", sagte auf BR-Anfrage ein Sprecher der München Klinik, die in der Stadt fünf Krankenhäuser in Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, Schwabing und an der Thalkirchener Straße betreibt. Allerdings stehe man "unter großem Druck".

Zum einen müssen aktuell mehr als 200 Corona-Patienten versorgt werden, davon 15 auf Intensiv- und Überwachungsstationen. Das sei ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vormonat. Zum anderen, so der Sprecher weiter, würden derzeit 250 Mitarbeitende wegen einer Covid-Infektion ausfallen. Weitere fehlten wegen der Betreuung ihrer positiv getesteten Kinder zuhause.

Kliniken müssen wieder häufiger Operationen verschieben

Deshalb könnten weniger Patienten nach der akuten Notfallversorgung auf Normalstationen verlegt werden, was wiederum Einschränkungen bei allen Notfallversorgern in München zur Folge habe. Inzwischen müssen nach Angaben des Sprechers auch wieder deutlich mehr Operationen verschoben werden. Wenn die Situation sich weiter zuspitzen sollte, werden auch temporäre Abteilungsschließungen oder Zusammenlegungen nicht ausgeschlossen, um dadurch Personal zu bündeln.

Um mehr Bettenkapazitäten zu schaffen, fordert die München Klinik, dass "auch die bislang sehr zurückhaltenden weiteren Kliniken" in die Notfallversorgung von Münchner Patienten einbezogen werden. Die Steuerung der Patientenströme müssten die Krankenhauskoordinatoren übernehmen. In dem Zusammenhang erinnert der Klinik-Sprecher an den vergangenen Winter: Damals sei der Belegungsdruck in München "ähnlich hoch", der Personalausfall aber geringer gewesen.

Der zu der Zeit noch ausgerufene Katastrophenfall habe aber "eine klare Koordination der Patientenströme beziehungsweise Verpflichtung von weiteren Kliniken zur Aufnahme von Patienten" durch die Koordinatoren ermöglicht. In der aktuelle Situation dagegen "beruht dieses System auf Freiwilligkeit".

"Die Situation ist ernst"

In einem Brandbrief des Betriebsrates der städtischen München Klinik, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" zitiert, heißt es derweil: "Die Situation ist ernst und es wird noch schlimmer kommen". Die Notfallzentren seien überfüllt, "die Patienten stapeln sich auf den Fluren". Die Sicherheit der Patienten und Mitarbeiter sei "nicht mehr gewährleistet, die Gefährdung ist real und beweisbar".

InnKlinikum in Mühldorf legt zwei Standorte zusammen

In Haag und Mühldorf am Inn greifen die Kliniken bereits zu Unterstützungsmaßnahmen, um die steigende Zahl an Corona-Patienten und Corona-bedingten Ausfällen bei Klinikmitarbeitern zu stemmen. Das InnKlinikum in Haag muss einen Großteil der Beschäftigten nach Mühldorf transferieren. Die Klinik Haag gehört zum InnKlinikum Altötting-Mühldorf und ist einer von insgesamt vier Standorten. Wie ein Sprecher des InnKlinikums bekannt gibt, ist die Zusammenlegung notwendig, um die Versorgung der Patienten in Mühldorf aufrechtzuerhalten.

Die Unterstützungsmaßnahme soll vorerst für drei Monate gelten, vom ersten November bis zum 31. Januar 2023. Im InnKlinikum Mühldorf steigen die Covid-19-Fälle rasant an: Ende September waren es nach Angabe des InnKlinikums 13 Covid-19-Fälle, die stationär versorgt werden mussten. Anfang Oktober stieg diese Zahl bereits auf 35 Fälle. Im selben Zeitraum stieg die Anzahl der Mitarbeiter, die Corona-bedingt ausfielen, von 5 auf 39 – Tendenz steigend.

Kliniken transferierten bereits in vergangenen Corona-Hochphasen Angestellte

In bereits zurückliegenden Pandemiewellen unterstützten Mitarbeiter der Klinik Haag bereits die Kollegen in Mühldorf. Der Medizinische Vorstand der Häuser Mühldorf und Haag, Dr. Wolfgang Richter, bezeichnet die Maßnahme als "alternativlos".

"Die anhaltende Personalknappheit, unter der alle Kliniken bundesweit leiden, wird nun noch überlagert von einem erheblichen, sprunghaften Anstieg der Corona-Infektionen bei den Patientinnen und Patienten und bei unseren Beschäftigten." Aktuell läuft die Detailplanung für den Wechsel nach Mühldorf, die Mitarbeiter wurden bereits informiert.

Mit Informationen von dpa

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