Der Gemeine Schwefelporling an der Rinde eines Laubbaumes.
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Ein Baumparasit als neuartiger Fleischersatz

Ein Baumparasit als neuartiger Fleischersatz

Als erstem Unternehmen weltweit gelingt es einem Freisinger Startup, den Schwefelporling, einen Baumparasiten, kommerziell zu produzieren. Der "Chicken of the Woods" könnte aufgrund seines Geschmacks eine Alternative zu Tofu und Co. werden.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Auch wenn der Gemeine Schwefelporling in Deutschland noch vergleichsweise unbekannt ist – er hat Potential: Denn immer mehr Menschen wollen sich fleischlos ernähren. Der Pilz ist ein Parasit und befällt vor allem Laubbäume. Oft sieht man ihn in Flussauen, an Weiden oder Pappeln, aber auch an Obstbäumen. Er sticht aufgrund seiner schwefelgelben bis orangenen Färbung sofort ins Auge. Allerdings ist er nur wenige Wochen im Jahr zu sehen.

"Chicken of the Woods" in den USA und asiatischen Ländern gefragt

In manchen asiatischen Ländern, aber auch in den USA ist der Schwefelporling sehr beliebt. Sein an Hühnerfleisch erinnernder Geschmack hat ihm den Namen "Chicken of the Woods" eingebracht. Er lässt sich auf vielerlei Arten zubereiten. Ob paniert wie ein Schnitzel, frittiert im Backteig, gebraten in Öl oder auch als vegetarisches Geschnetzeltes in Sahnesoße.

Im Internet kursieren unzählige Zubereitungstipps, aber auch Warnungen, etwa, an welchen Bäumen der Pilz nicht genießbar ist. Wächst er beispielsweise an Eichen, Eiben oder Robinien, ist Vorsicht geboten. Dann gehen auch die Baumgifte auf den Pilz über.

Konsistenz und Geschmack überzeugen

Als die Biologen Alison und David Stille vor einigen Jahren erstmals Kontakt mit dem Baum-Parasiten haben, sind sie skeptisch. Ein befreundeter Pilz-Sammler brät ihn für sie an und lässt sie probieren. Der Geschmack, aber auch die Konsistenz und die fleischartige Struktur überzeugen das junge Paar. Sie sehen in ihm den perfekten Fleischersatz und beschließen, ihn im Labor zu produzieren.

Am Baum nicht planbar produzierbar

In der Garage ihres Wohnhauses richten sich die beiden zunächst ein improvisiertes Labor ein. Denn es ist ihnen schnell klar, dass sie den Pilz in der Natur nicht planbar produzieren können. Eine gebrauchte Sterilbank, ein Schweinefutter-Dämpfer, mit dem sie sich und die Nachbarschaft in Nebelschwaden einhüllen, und unzählige Gläser mit verschiedenen Substraten gehören zu ihrer ersten Ausrüstung.

Relativ schnell gelingt es ihnen, den Schwefelporling zum Wachsen zu bringen. Er bildet problemlos Wurzeln, nur will er partout keinen Fruchtkörper ausbilden. Ausgerechnet das, was die Biologen einmal ernten wollen!

Mühsame Suche: Wie wird der Fruchtkörper gebildet?

In der Natur wächst der Schwefelporling an halb verfallenen Bäumen. Lange ist es dem Team ein Rätsel, was genau der Auslöser für ihn ist, ab Mitte Mai Fruchtkörper zu bilden. Ist es die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit, sind es andere Faktoren? Wieder und immer wieder experimentieren sie herum, wälzen Literatur.

Vereinzelt funktioniert es – dann folgen wieder Fehlversuche. Am Ende gelingt es ihnen, den Trigger zu finden. Dieses Wissen lassen sie sich gerade patentieren.

Dank Stipendium – Forschung wird professioneller

Forscherstipendien ermöglichen es dem mittlerweile dreiköpfigen Team schließlich, sich eine professionellere Ausrüstung zuzulegen und das "Labor" zieht in Räumlichkeiten der TU in Freising um. Als Mentor steht ihnen der jetzige Präsident der Hochschule, Prof. Thomas Hofmann und dessen Lehrstuhl zur Seite. Endlich können sie sich auch in Vollzeit dem Baumpilz-Projekt widmen und auf Investoren-Suche gehen.

Stillstand durch Corona – aber es geht weiter

Dann kommt Corona und macht ihrem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Die Gastronomie muss schließen, der geplante Markteintritt fällt ins Wasser. Zu riskant erscheint es, einen Pilz zu züchten, der einen sechs- bis achtwöchigen Wachstums-Zyklus hat. Erst 2021 können sie die Arbeit mit dem Baumpilz wieder aufnehmen.

In den Befruchtungs-Containern in Freising bildet er unter konstanten Bedingungen erste Fruchtkörper aus. Bei weitem nicht so groß wie die am Baum, aber in kompakten, etwa 20 Zentimeter großen Strukturen. Vor allem der Proteingehalt kann sich sehen lassen: Mit rund 20 Prozent kann der "Chicken of the Woods" sogar mit echtem Hühnchen konkurrieren. Als erstes Team weltweit können sie nun Woodchicken-Fruchtkörper in Lebensmittelqualität produzieren.

Platzierung am Markt

Nun geht es darum, die Herstellung zu optimieren und in großem Maßstab zu produzieren. Die entscheidende Frage ist, ob und wie sich der Baumpilz am inzwischen recht großen Markt an Fleischersatzprodukten platzieren lässt. Anders als viele Fleischersatzprodukte ist er nicht mit unzähligen Inhaltsstoffen versehen. Es soll ihn künftig als ganzes Stück geben, ähnlich wie ein Filet. Er soll in etwa so viel kosten wie Biofleisch, womöglich auch etwas weniger. Schließlich soll "Chicken of the Woods" für möglichst viele Verbraucher bezahlbar sein.

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