Unverpackt-Laden in München (Archivbild)
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Bio-Gemüse liegt in Kisten in einem Münchner Laden (Archivbild)

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Verbraucher geben wieder mehr Geld für Bio aus

Die hohe Inflation bei Lebensmitteln als Folge des Ukraine-Kriegs hat Verbraucher verunsichert. Aktuell gibt es bei Bio einen Aufwärtstrend. Wie ein bayerisches Bio-Unternehmen gestärkt aus der Krise kommt.

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"Ich bin wieder zuversichtlich, wir merken, die Kunden kommen zurück", sagt Hans Peter Wagner, Geschäftsführer der Bäckerei Wagner in Tiefenbach bei Passau heute. Ganz anders sah das noch vor einigen Monaten aus. Die Bäckerei Wagner verarbeitet ausschließlich Bio-Rohstoffe und hat die Kaufzurückhaltung der Verbraucher im vergangenen Jahr deutlich zu spüren bekommen.

Die Nachfrage nach Bio-Produkten ging mit der Energiekrise und der hohen Inflation bei Lebensmitteln im Fachhandel allgemein zurück. Bio-Supermärkte und Naturkostläden haben im vergangenen Jahr laut GfK ein deutliches Umsatzminus von gut 18 Prozent ausweisen müssen.

Hohe Gaspreise machten der Bio-Bäckerei zu schaffen

Erst 2018 hat der mittelständische Familienbetrieb im Passauer Oberland eine neue Bäckerei mit großem Laden und Café gebaut und in elf große Öfen investiert, die mit Gas betrieben werden. Der erste Schlag kam bereits kurz vor dem Ukraine-Krieg, als der Gasversorger überraschend Konkurs angemeldet hatte und sich die Gaspreise für den energieintensiven Handwerksbetrieb von heute auf morgen verzehnfachten.

Die Bäckerei war mit sechs eigenen Geschäften, der Belieferung von Gastronomie und Naturkosthandel sowie mehreren Marktverkaufswagen auf Wochenmärkten breit aufgestellt. Doch nachdem 2022 zu den gestiegenen Kosten für Gas, Diesel und Strom noch der Absatz zurückging, war eine kritische Grenze erreicht. "Die Verbraucher sind in die Billigschiene, in die Discounter abgewandert, und das war für uns im letzten Jahr sehr schwierig", erinnert sich Hans Peter Wagner.

Weniger Nachfrage in den eigenen Geschäften, weniger Bestellungen vom Naturkostfachhandel und dem Lebensmitteleinzelhandel, und auch die Wochenmarktmobile waren plötzlich weniger besucht. Der Absatz ist 2022 um zehn Prozent zurückgegangen.

Kunden kaufen weniger nachhaltige Produkte ein

Was die Wagners erlebt haben, bestätigen die Daten der Konsumforschung. Die Bereitschaft, nachhaltige Produkte zu kaufen, also nicht nur Bio-Lebensmittel, ist gesunken. Nachhaltigkeitsexpertin bei GfK, Petra Süptitz: "Da war eine ganz große Verunsicherung, und die hat alle Einkommensschichten erfasst." David Georgi, Konsumforscher der NIQ, ergänzt: "Die Deutschen haben in der Krise der historisch hohen Inflation ihren Geldbeutel optimiert, also ihr Einkaufsverhalten umgestellt. Mit dem Trend zu günstigeren Produkten, wie Eigenmarken."

Verbraucher haben mehr Bio-Produkte im Discounter gekauft. So erzielten laut NIQ die Discounter bei Bio-Lebensmitteln und Bio-Getränken im ersten Halbjahr 2023 ein Umsatzplus von gut elf Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022.

Öko-Lebensmittel weniger stark von Inflation betroffen

Einen großen Vorteil hat die Bio-Branche nicht ausspielen können. Die Inflation hat sich bei konventionellen Lebensmitteln meist deutlich stärker niedergeschlagen als bei Bio-Produkten. "Meine Lieferketten waren in keinster Weise gefährdet. Und meine Landwirte, die mich hier beliefern in der Region, haben die Preise moderat angepasst", sagt Bäckerei-Chef Wagner. So habe er für Biogetreide zehn Prozent mehr bezahlen müssen. "Konventionelle Betriebe haben Getreidepreise mit 70 Prozent bis 100 Prozent Erhöhung gehabt." So hätten konventionelle Bäcker mehrmals im Jahr 2022 ihre Preise erhöhen müssen, während er nur einmal im Jahr um zehn Prozent erhöht habe.

Grund für den Unterschied zwischen bio und konventionell: Der konventionelle Getreidemarkt ist stärker vom Weltmarkt beeinflusst und da sind die Preise 2022 explodiert. Auch der Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft betont: "Öko-Betriebe sind unabhängiger von aktuellen Krisen. Regional ausgerichtete Wertschöpfungsketten sorgen nicht nur für kürzere Transportwege, sondern auch für stabilere Preise."

Energieaufwendiger Mineraldünger wird mit hohem Gaspreis teurer

Ein wichtiger Aspekt: Öko-Landwirte verwenden keine energieaufwendigen Mineraldünger und Spritzmittel. Mit Erdgas erzeugter Stickstoffdünger wird in der konventionellen Landwirtschaft dagegen standardmäßig eingesetzt. Konventionelle Landwirte hatten somit auch deutlichere Kostensteigerungen. Doch dass Bio-Lebensmittel preisstabiler waren und meist weniger stark von der Inflation betroffen waren, war für Verbraucher offensichtlich kein Argument für Bio.

David Georgi vom Konsumforschungsunternehmen NIQ erklärt das so: "Dass der Preis-Unterschied von Bio zu konventionell teils geringer ausgefallen ist oder sich teils sogar umgedreht hat, ist von den Verbrauchern nicht unbedingt wahrgenommen worden. Was aber in den Köpfen fest verankert war: Bio ist generell teurer als konventionell."

Bäckerei stellt sich für die Zukunft auf

Das Bio-Unternehmen Bäckerei Wagner hat trotz Krise investiert, um sich für die Zukunft besser aufzustellen. Es wurde eine große Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Firmengebäudes installiert. Fast der gesamte Fuhrpark mit Lieferfahrzeugen und auch die Wochenmarkt-Verkaufsmobile sind nun elektrisch angetrieben. "Die laufenden Kosten haben wir so halbiert."

Die Anschaffungskosten für die Fahrzeuge seien zwar doppelt so teuer gewesen, aber weil auch die Wartungskosten geringer ausfallen, werden sich die Anschaffungskosten in drei Jahren amortisieren, rechnet Hans Peter Wagner vor. Das Bäckerei-Unternehmen schützt sich so ein Stück weit vor steigenden Preisen für fossile Energien.

Werden Verbraucher wieder in den Naturkostfachhandel zurückkehren?

"Mit dem Bio-Markt geht es wieder aufwärts", sagt auch Öko-Marktanalystin der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft Daniela Schaack. Seit Mai 2023 gebe es wieder ein Wachstum. Die höheren Umsätze seien aber vor allem auf die gestiegenen Preise zurückzuführen. Schaack betont aber auch, dass die Preissteigerungen bei Bio im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln moderater ausgefallen sind.

Das größte Umsatz-Plus von Januar bis September 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnen auch in diesem Jahr die Discounter bei Bio-Produkten, mit 8,5 Prozent. Die Discounter hätten ein Billig-Preis-Image über Jahre aufgebaut, sagt Schaack. "Sodass man davon ausgeht, dass man dort das billigste Bio bekommt. Aber man muss sagen, dass es gar nicht unbedingt so ist."

Verbraucher weiterhin preisbewusst

Ob der klassische Bio-Handel den Siegeszug der Discounter wieder zurückerobern wird, ist fraglich. "Das hängt ganz stark davon ab, wie zufrieden die Konsumenten sind", so die Experten der GfK und NIQ. Stellt man im Discounter fest: "Da kriege ich genauso gute Produkte, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich dort auch weiterhin einkaufe", sagt David Georgi bei NIQ. Aber die neuesten Daten zeigen auch einen leichten Trend in die andere Richtung. "Es gibt eine Rückkehr des Qualitätsbewusstseins und die Menschen greifen generell wieder mehr zu bewährten Marken-Produkten", so GfK-Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz.

Bäckerei reagiert auf Trend zu mehr Bio im Discounter

Auch die Wagners haben sich über die Frage, wo die Verbraucher künftig einkaufen werden, Gedanken gemacht. Bisher war es Firmenphilosophie, dass geschultes Personal über die Bio-Backwaren informieren und Kunden beraten kann. Aber: "Wir kriegen das Personal nicht mehr, das liegt am Fachkräftemangel." Und so gibt es erste Überlegungen, mit einem Discounter eine handwerkliche Bio-Schiene aufzubauen.

Bildrechte: Biobäckerei Wagner/BR
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Die Biobäckerei Wagner in Tiefenbach bei Passau verarbeitet ausschließlich Bio-Rohstoffe in ihren Produkten.

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