"All you can fahr! - 49 Euro Das Deutschlandticket" steht auf den Monitoren von Fahrkartenautomaten im Kölner Hauptbahnhof. Seit Montag gilt bundesweit das 49 Euro teure Deutschlandticket im öffentlichen Personennahverkehr.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Thomas Banneyer

Die Nachfrage nach physisch greifbaren Deutschlandtickets ist jedoch hoch, nicht nur bei Senioren.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

49-Euro-Ticket: Bahn und Kunden kämpfen mit Problemen

Unterwegs mit dem Deutschlandticket: Seit dem 1. Mai gilt das 49-Euro-Ticket im Nah- und Regionalverkehr. Der Starttermin stand seit Monaten fest, doch so ganz reibungslos verläuft die Einführung offenbar nicht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Schlange war lang am gestrigen 1. Mai im Reisezentrum der Deutschen Bahn am Münchner Hauptbahnhof. Ein Grund: Das 49-Euro-Ticket, das seit heute bundesweit im Nahverkehr gilt. Denn bei einigen Kunden streikt zur Premiere gleich mal der Download auf die App – und auch auf die Website der Bahn ist heute kein Verlass.

Digitale Schwierigkeiten zum Start des Deutschlandtickets

"Ich bin gestern in Landshut gewesen am Bahnhof deswegen, zwei DB-Mitarbeiter wollten mir helfen, aber konnten nicht", erzählt eine Frau. Jetzt sei sie extra nach München gekommen, weil sie nur hier das 49-Euro-Ticket als herkömmliches Papierticket bekomme. Auch ein junger Mann hat Probleme mit seinem Handyticket, es ruckelt alles noch ein bisschen, aber das Bahnpersonal zeigt Verständnis.

Auf der Bahn-Webseite kam es am Montag zu einer Störung. "Aktuell kann es bei der Buchung des Deutschlandtickets auf bahn.de und im DB Navigator wegen der hohen Nachfrage zu Störungen kommen. In dem Fall versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut", hieß auf der Seite, auf dem Fahrgäste das neue Angebot normalerweise kaufen können.

Nach einer Hochrechnung des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) haben weit mehr als drei Millionen Menschen schon für den Mai den neuen Fahrschein gelöst, der bundesweit im öffentlichen Personennahverkehr gilt. Darunter sind dem Verband zufolge 750.000 Menschen, die bisher kein Nahverkehrs-Abo besaßen.

Chipkarte lässt mancherorts noch auf sich warten

Grundsätzlich sollten Fahrgäste die Wahl haben, ob sie das Deutschlandticket über eine App auf dem Smartphone nutzen oder als Chipkarte mit sich führen wollen. Doch viele Kunden haben die Karte offenbar noch gar nicht erhalten, weil die Verkehrsbetriebe nicht mehr mit der Produktion hinterher kamen. Deshalb wurden auch Papiertickets mit QR-Codes ausgegeben, die in die App übertragen werden können. Doch das sei kompliziert und nicht selbsterklärend, bemängeln Nutzer.

Rolf Erfurt, Vorstand bei den Berliner Verkehrsbetrieben, räumte ein, dass es Probleme bei den Chipkarten-Herstellern gegeben habe. "Das ist aber jetzt behoben, und alle Chipkarten werden jetzt auch versandt."

Viele Nutzer wollen sich vom Papier nicht trennen

Die Tickets in Papierform sind allerdings nicht überall erhältlich. Tatsächlich bieten gerade Verkehrsunternehmen in kleineren Städten und auf dem Land die neue Fahrkarte zum Teil gar nicht an - weder digital noch real - wegen hoher Kosten und zu geringer Vorlaufzeit.

Der Sozialverband VdK kritisiert, dass damit oft nur Smartphone-Besitzer das Deutschlandticket nutzen können. Viele ältere oder ärmere Menschen seien erst einmal ausgeschlossen. Die Nachfrage nach physisch greifbaren Deutschlandtickets ist jedoch hoch, nicht nur bei Senioren.

Bestellbestätigung von Neukunden gilt als Fahrausweis

Nach Informationen der Münchner Verkehrsgesellschaft wurden allein in den ersten Aprilwochen etwa die Hälfte aller bestellten Deutschlandtickets als Plastikkarte oder in Papierform nachgefragt. Wer das Ticket bestellt, aber noch nicht bekommen hat, kann laut Deutscher Bahn übergangsweise die Bestellbestätigung als Fahrausweis nutzen. Das gilt allerdings nur für Neukunden. Langfristig soll das Deutschlandticket nur noch als Plastikkarte oder digital verkauft werden. Die Papierform soll es ab dem kommenden Jahr nicht mehr geben.

Bei der Münchner Verkehrsgesellschalt (MVG) habe man das ganze Wochenende Sonderschichten gefahren, um alle bestellten Tickets rechtzeitig zuzustellen, erklärt Sprecher Maximilian Kaltner. Eine enorme Herausforderung: Rund 200.000 Tickets habe man bis 30. April verkauft, 80.000 davon seien Neukunden, die zuvor kein Abo gehabt hätten.

Pro Bahn fordert Nachbesserungen

In diesem Zusammenhang dringt der Fahrgastverband "Pro Bahn" auf Nachbesserungen wie etwa ein Scheckkartenformat. "Chipkarten müssen an allen Verkaufsstellen erhältlich sein", sagte der Bundesvorsitzende Detlef Neuß der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstagausgabe). Der Vertrieb sei bei vielen Verkehrsunternehmen sehr unterschiedlich gestaltet. "Das muss im Sinne der Fahrgäste verbessert werden", forderte Neuß.

Zudem seien Fragen "wie zum Beispiel Fahrradmitnahme, Mitnahme von Kindern, zusätzlichen Personen am Wochenende, Hunden und so weiter" noch nicht bundesweit geklärt, kritisierte der Pro-Bahn-Chef. Hier bestehe die Gefahr eines erhöhten Beförderungsentgelts beim Überschreiten einer Landesgrenze, warnte er. "Hier erwarten wir möglichst kurzfristig Lösungen", sagte Neuß.

Dennoch sei das neue Angebot ein großer Fortschritt, betonte er. "Die Vorteile des Deutschlandtickets überwiegen eindeutig", sagte der Pro-Bahn-Chef. Es sei "sehr preisgünstig" und kein Pendler müsse sich mehr Gedanken über Tarifgrenzen machen. "Vor allem dann, wenn die Fahrt zur Arbeit von einem Verkehrsverbund in den anderen geht."

Wissing wünscht sich mehr Tempo bei Digitalisierung im ÖPNV

Die von einigen Fahrgästen beklagten Schwierigkeiten bei Bestellung und Versand des neuen Deutschlandtickets zeigen aus Sicht von Verkehrsminister Volker Wissing Defizite bei der Digitalisierung. "Das sind Probleme, die damit zusammenhängen, dass wir keine ausreichende Digitalisierung im Vertrieb haben", sagte der FDP-Politiker am Montag zum Start des neuen Abo-Tickets. Gleichzeitig betonte er, diese Schwierigkeiten seien keineswegs überall aufgetreten.

Ihm sei es wichtig, "dass wir diese veralteten Strukturen jetzt nicht einfach in die Zukunft fortschreiben und uns schön reden, so nach dem Motto 'Ja, das Papier-Ticket hat sich doch so bewährt, das ist doch wunderbar'", sagte Wissing. "Wir sehen ja gerade, was für Probleme es bereitet."

Bernreiter: Finanzierung noch nicht gesichert

Was die Finanzierung betrifft kann Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter noch keine Aussagen dazu machen, in welcher Form das Deutschlandticket in Zukunft fortgeführt werden kann. Im Interview mit der Bayern 2-radioWelt sagte der CSU-Politiker. Es sei daher noch nicht klar, ob der Einführungspreis von 49 Euro gehalten werden könne, so Bernreiter: "Der Bund hat bisher für nächstes Jahr keine Zusage gegeben, mehr als die 1,5 Milliarden Euro zu bezahlen."

Bayern schieße aus Haushaltsmittel in diesem Jahr 400 Millionen Euro dazu. Allerdings müssten die Verkehrsbetriebe nun auch höhere Ausgaben für Personal und Energie schultern. Für diese Mehrkosten müsse der Bund aufkommen, so der CSU-Politiker: "Der Bund war da taub. Wir haben nicht mehr Regionalisierungsmittel bekommen. Wir sind da weiterhin in Verhandlungen, aber bisher hat sich da niemand bewegt."

Hoffen auf zukünftige Einbeziehung des Fernverkehrs

Anna Korbutt, die Geschäftsführerin der Hamburger Verkehrsverbund GmbH, übte schon im Dezember laute Kritik am Zeitpunkt der Einführung, stuft jedoch nach den Hürden, die sich in den langen Verhandlungen zwischen den Bundesländern gezeigt haben, den Start des Deutschlandtickets als großen Erfolg und als einen Schritt in die richtige Richtung ein. Die Abdeckung des ÖPNV beschreibt sie als gigantischen Fortschritt und hofft sehr, in absehbarer Zeit auch darüber sprechen zu können, den Fernverkehr in ein solches Ticket zu inkludieren.

Mit Informationen von dpa

Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (hvv) im Gespräch mit BR24

Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin Hamburger Verkehrsverbund GmbH (hvv)
Bildrechte: picture alliance/dpa | Marcus Brandt
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (hvv)

Im Video: Seit 1. Mai gilt das deutschlandweite Nahverkehrsticket für 49 Euro

Seit heute gilt es - und soll für viele Menschen in Deutschland den Weg im Nah- und Regionalverkehr freimachen: Das Deutschland-Ticket für 49 Euro pro Monat.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Seit heute gilt das Deutschland-Ticket für 49 Euro pro Monat.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!