Eigentlich ist es ein Nachteil für nachtaktive Tiere, wenn sie nachts auffallen. Nicht so bei der Schleiereule (Tyto alba). Weiße Schleiereulen haben sogar einen Vorteil beim Jagen. Das hat ein internationales Forscherteam herausgefunden. Der Grund: Bei Vollmond leuchtet das Federkleid weißer Schleiereulen derartig hell, dass ihre Beute vor Schreck erstarrt. Feldmäuse zum Beispiel, die Hauptmahlzeit von Schleiereulen, verharrten im Schnitt rund 9,5 Sekunden reglos in Schreckstarre. Dieses Verhalten zeigten die Mäuse in 83 Prozent der Testläufe der Forscher. Statt zu flüchten wurden sie zur leichten Beute.
Bei Schleiereulen variiert die Farbe des Federkleides
Damit konnten die Forscher eine Behauptung bestätigen, die vor mehr als 100 Jahren von dem US-amerikanischen Zoologen Addison Emery Verrill aufgestellt wurde: Weil sich unterschiedliche Lichtbedingungen auf die Kontraste der Farben auswirken, hat sich der Mond auf die Entwicklung der Färbung von nachtaktiven Tieren ausgewirkt. Und sie hatten ein hervorragendes Ausgangsmaterial für ihre Versuche, denn die Federfarbe von Schleiereulen variiert. Die Tiere können hellweiße bis orange-rote Federn am Leib haben. Erstaunlich ist auch, dass Feldmäuse in Versuchen auf die Farbe des Federkleids reagierten, obwohl sie keine Farben sehen können. Dazu sind, soweit bekannt, nur Menschen und Affen fähig. Aber Feldmäuse nehmen sehr wohl Kontraste wahr.
Feldmäuse reagierten auf Feder-Farbe und Vollmond
Neben der Gefieder-Farbe hat auch das Mondlicht einen Einfluss auf das Verhalten der Feldmaus, wenn sie von einer Schleiereule angegriffen wird: Bei weißen Schleiereulen und Vollmond fielen die Feldmäuse etwa 5,15 Sekunden länger in Schreckstarre als bei orange-roten Schleiereulen. Bei Vollmond, der das Federkleid weißer Schleiereulen besonders hell strahlen lässt, fielen Feldmäuse rund 9,6 Sekunden länger in Schreckstarre als bei Neumond, also dunkleren Nächten. Bei Neumond reagierten die Mäuse zudem nicht unterschiedlich stark auf weiße und auf orange-rote Schleiereulen. Getestet wurde das bei wechselnden Lichtverhältnissen mit ausgestopften Schleiereulen an der Leine, mit denen Angriffsflüge auf Feldmäuse simuliert wurden. Die Studie wurde am 2. September 2019 in Nature - Ecology & Evolution veröffentlicht.
Lichtverschmutzung stört nachtaktive Tiere
Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass Farbe eine wichtige Rolle in nächtlichen Systemen spielt. Umso dramatischer ist daher Lichtverschmutzung. Künstliche Beleuchtung in der Nacht kann die evolutionäre und ökologische Dynamik stören, die die Färbung von nachtaktiven Tieren beeinflusst, sagen die Forscher. Ein Zusammenhang, der in Zukunft noch weiter untersucht werden sollte.