Millionen Menschen leiden mehr oder weniger häufig an Migräne. Doch Migräne ist nicht gleich Migräne. Und nicht jeder Migräne-Patient gleicht dem anderen. In den USA soll jetzt ein Medikament zugelassen werden, das möglicherweise vor allem für Patienten mit einem Risiko für koronare Herzkrankheiten Linderung verspricht, denn für sie sind die derzeit häufig verschriebenen Triptane nicht ungefährlich. Auch vorbeugend könnte das neue Medikament helfen. Eine Wunderwaffe gegen Migräne ist der neue Wirkstoff aber nicht, geben Experten zu.
Was ist Migräne?
Bei der Migräne kommt es zu Attacken heftiger, häufig einseitiger pulsierend-pochender Kopfschmerzen, die bei körperlicher Betätigung an Intensität zunehmen, heißt es in den aktuellen Leitlinien "Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe", die von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) in regelmäßigen Abständen aktualisiert hersausgegeben werden. Auslöser und Symptome der Migräne sind bei fast allen Patienten unterschiedlich. Die meisten haben bei einer Attacke keinen Appetit, ihnen ist übel, über die Hälfte sind dann lichtscheu, besonders lärmempfindlich und mindestens 40 Prozent müssen sich bei einem Migräneanfall übergeben.
Migräne und die Therapie mit Triptanen
Gerade die vielen Unterschiede machen es so schwierig, die Krankheit zu behandeln. Aber trotz der vielen Unterschiede, gibt es bei einer Migräne Symptome, die immer auftreten. So erweitern sich zum Beispiel die Blutgefäße des Gehirns bei jedem während einer Migräne-Attacke. Hier setzen mehrere Medikamente an, zum Beispiel die sogenannten Triptane, sagt Andreas Straube, Kopfschmerzspezialist und Neurologe an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
"Triptane setzen an Serotonin-Rezeptoren an und haben so eine leicht gefäßverengende Wirkung." Andreas Straube, Kopfschmerzspezialist und Neurologe an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Warum Triptane gefährlich sein können
Seit den 1990er-Jahren können Ärztinnen und Ärzte Triptane verschreiben. Das Problem: Triptane verengen die Blutgefäße überall im Körper, nicht nur im Gehirn, sondern zum Beispiel auch im Herzen. Für Menschen, die zum Beispiel Bluthochdruck oder andere Gefäßerkrankungen haben, sind sie deshalb nicht das passende Mittel. Ein Herzinfarkt könnte die Folge einer Einnahme von Triptanen sein.
"Gepant" - was ist beim neuen Wirkstoff "neu"?
Das Medikament, das jetzt in den USA zugelassen werden soll, sorgt dagegen dafür, dass sich die Blutgefäße im Gehirn zusammenziehen und - im Gegensatz zu den Triptanen - eben nur dort. "Gepant" heißt die Wirkstoffklasse, "Rimegepant" ist der Name des neuen Medikaments.
Ablauf der Zulassungsstudie für das neue Migräne-Mittel
Für die Zulassungsstudie hat Richard Lipton, Neurologe am Albert-Einstein College of Medicine in New York, über 1.000 Patienten mit mittelstarker bis starker Migräne entweder das Medikament oder ein Placebo gegeben. Eine Frage an die Teilnehmer der Studie lautete: Ist der Schmerz nach zwei Stunden wieder weg?
"Die kurze Zusammenfassung: Etwa 20 Prozent waren nach zwei Stunden schmerzfrei, bei der Placebogruppe waren es nur knapp über 10 Prozent." Richard Lipton vom Albert-Einstein College of Medicine in New York
Wirkung schwächer als Triptane
Damit ist das neue Migräne-Medikament prozentual zwar immer noch weniger wirksam als die Triptane. Dennoch ist Richard Lipton vor allem von der schmerzlindernden Wirkung des neuen Medikaments überzeugt:
"Bei mehr als 60 Prozent der Patienten wurde der Schmerz gelindert, entwickelte sich von mittel bis schwerem Schmerz zu leichtem Schmerz zurück. Und das bedeutet, dass die Patienten wieder ihren Alltag aufnehmen oder zurück zur Arbeit gehen konnten." Richard Lipton, Leiter der Zulassungsstudie für das neue Medikament
Was Experten sich von dem neuen Medikament versprechen
Obwohl das neue Medikament kein Wundermittel gegen Migräne ist, hat es laut Experten Potenzial: Möglicherweise könnte es präventiv, also vor einer Migräne-Attacke, eingesetzt werden. Studien dazu laufen noch. Außerdem hat das neue Medikament den Vorteil, dass es für Patienten mit einem Risiko für koronare Herzkrankheiten möglicherweise sicherer ist. Es wird aber ein Nischenprodukt bleiben, geben Experten zu.
Wirkstoff für alle Migräne-Patienten wird es wohl nie geben
Den einen Wirkstoff für alle Patienten wird es ohnehin nicht geben, sagt Andreas Straube, Kopfschmerzspezialist und Neurologe an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Am Ende heißt das trotzdem: Je größer die Zahl der Medikamente, mit denen sich eine Migräne behandeln lässt, desto besser für die Betroffenen. Das Zulassungsverfahren für das Medikament in Deutschland läuft noch.