Eine Hand mit Schutzhandschuhen hält ein Stethoskop mit der Aufschrift Long Covid.
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Long Covid ist nicht leicht abzugrenzen von anderen Erkrankungen. Für die Diagnose sind viele verschiedene Untersuchungen nötig.

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Long Covid: Warum Diagnose und Behandlung so komplex sind

Gesundheitsminister Lauterbach will mehr Geld für die Erforschung von Long Covid und eine Erleichterung der medikamentösen Behandlung für Patienten. Warum Long Covid nicht leicht zu diagnostizieren ist und wo Betroffene Hilfe finden.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mehr für Menschen mit einer Long-Covid-Erkrankung tun. Im Bundeshaushalt 2024 sollen insgesamt 100 Millionen Euro für die Erforschung von Long Covid bereitgestellt werden, forderte der SPD-Politiker bei einem Treffen von Experten und Betroffenen am 12. September. Menschen mit langwierigen Beschwerden nach einer Corona-Infektion sollen zudem einen leichteren Zugang zu Medikamenten erhalten, die ihre Symptome lindern.

Warum ist es so schwierig, die Diagnose Long Covid zu stellen und die Ursache davon herauszufinden? Wo finden Betroffene Hilfe? Das erklären die Long-Covid-Spezialisten Kristina Adorjan und Hans Christian Stubbe von der Post-Covid-Ambulanz am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

Warum ist die Diagnose von Long Covid so schwierig?

Das Problem bei der Diagnose und bei der Suche nach der Ursache von Long Covid ist: "Long Covid ist ein heterogenes Krankheitsbild mit unterschiedlichen Formen und unterschiedlichen Schweregraden", erklärt Kristina Adorjan, Leiterin der Post Covid-Ambulanz am Klinikum der LMU München. Es gebe nicht das eine Long-Covid-Syndrom, sagt Christian Stubbe, Infektiologe und ebenfalls als Leitung in der Münchner Post-Covid-Ambulanz tätig. Manche Experten gehen von immunologischen oder genetischen Ursachen bei Long Covid aus, andere machen auch psychosoziale Faktoren wie Angst vor einer Infektion oder Stress für die Erkrankung verantwortlich.

Auch welche Symptome bei Long Covid beziehungsweise Post Covid auftreten – die Begriffe werden in der Regel synonym für die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion und Covid-19-Erkrankung verwendet –, ist unterschiedlich. Bei jungen Frauen zwischen 18 und 45 Jahren – sie machen etwa ein Drittel aller Patienten in der Münchner Post-Covid-Ambulanz aus – treten unter anderem oft Haarverlust, Herzrasen und Hautprobleme auf, haben Kristina Adorjan und Hans Christian Stubbe in ihren Untersuchungen festgestellt. Männer leiden hingegen häufig unter Tremor, Schlafstörungen und Geruchsverlust. "Es gibt viele Hypothesen [was Long Covid verursachen könnte], aber es gibt noch keine Hypothese, wo man sagen kann: Das ist jetzt bewiesen, dass es die Ursache ist", fasst der Infektiologe die aktuelle Studienlage zu den möglichen Ursachen von Long Covid zusammen.

Wo finden Betroffene mit Long Covid-Symptomen Hilfe?

Wer etwa vier Wochen nach einer Corona-Infektion noch unter Symptomen leidet, sollte sich an seinen Hausarzt oder einen anderen niedergelassenen Arzt wenden, raten die Long-Covid-Spezialisten Adorjan und Stubbe. "Der Patient kann sich bei uns über einen niedergelassenen Arzt anmelden", sagt die Leiterin der Post-Covid-Ambulanz am Klinikum der LMU, Kristina Adorjan. Der Patient müsse vorab also von einem niedergelassenen Arzt untersucht werden, der einen ihm von der Post-Covid-Ambulanz zur Verfügung gestellten sogenannten Bewertungs- beziehungsweise Anmeldebogen zu den vorliegenden Symptomen und dem Schweregrad der Erkrankung ausfülle. Den ausgefüllten Bewertungsbogen leitet der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin an die Post-Covid-Ambulanz weiter, die die Patienten kontaktiert und einbestellt, erläutert die Medizinerin das Prozedere.

Die Post-Covid-Ambulanz des LMU-Klinikums in München habe sich auf die Versorgung von schweren und komplexen Post- bzw. Long-Covid-Fällen spezialisiert, fügt Adorjan hinzu. In der Post-Covid-Ambulanz wird daher in erster Linie aufgenommen, wer unter einer schweren Ausprägung der Post-Covid- beziehungsweise Long-Covid-Erkrankung leidet.

Nicht jeder, der unter langwierigen Beschwerden nach einer Corona-Infektion leidet, bekommt einen Platz in einer Post-Covid-Ambulanz. Das sei deutschlandweit ein Problem, sagt der Infektiologe Hans Christian Stubbe. Aber gerade die Hausärzte in Bayern, vor allem im Münchner Umland, seien bezüglich der Behandlung von Long-Covid-Patienten sehr gut ausgebildet. Auch bei den Physiotherapeuten habe sich die Erkenntnislage mittlerweile stark verbessert, sagt der Mediziner. Patienten mit Long-Covid-Beschwerden erhalten also laut Stubbe auch außerhalb der Post-Covid- beziehungsweise Long-Covid-Ambulanzen eine gute Versorgung.

Wie wird Long Covid behandelt?

Wie Patienten mit Long Covid behandelt werden, hängt vom konkreten Krankheitsbild ab. "Es geht darum, zu schauen, wo liegen die Probleme des Patienten. Und zu versuchen, diese möglichst spezifisch zu behandeln", erklärt der Mediziner. So werde zum Beispiel eine Herzmuskelentzündung, die relativ häufig bei Long-Covid-Patienten auftrete, wie eine Herzmuskelentzündung in der kardiologischen Abteilung behandelt.

Bei chronischer Fatigue, einem ebenfalls häufigen Symptom bei Long Covid, sei die Behandlung hingegen viel schwieriger, sagt der Long-Covid-Spezialist. Bei Patienten mit diesem chronischen Erschöpfungssyndrom geht es bei der Therapie unter anderem darum, deren Belastungsfähigkeit wieder aufzubauen. In der Post-Covid-Ambulanz am Klinikum der LMU München erhalten Patienten nach einer eingehenden Untersuchung und der genauen Abklärung ihres Gesundheitszustandes einen Therapieplan, der auf ihre Leistungsfähigkeit abgestimmt ist.

Die spezifische Therapie zum Beispiel in der Tagklinik der Physikalischen Medizin dauere etwa drei bis vier Wochen, sagt Stubbe. Dreimal pro Woche müssen die Patienten zur Physiotherapie erscheinen. "Nach diesen vier Wochen werden die Patienten dann in die ambulante Physiotherapie entlassen. Das heißt: Sie erhalten Rezepte für eine weiterführende, ambulante Physiotherapie", erklärt der Mediziner. Laut Stubbe profitieren etwa zwei Drittel der Patienten von dieser Behandlung. "Der Vorteil des LMU-Klinikums ist, dass wir mit zehn verschiedenen Fachkliniken zusammenarbeiten", ergänzt die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Kristina Adorjan. Je nachdem, welche Symptome vorliegen, könne eine fachspezifische diagnostische Abklärung erfolgen und ein darauf abgestimmtes Therapieangebot erstellt werden. "Für Menschen mit hochgradiger Einschränkung werden auch stationäre Behandlungsansätze empfohlen", sagt Adorjan

Ein spezielles Medikament gegen Long Covid gibt es derzeit noch nicht. "Da gibt es bisher leider noch keinen Durchbruch", sagt Hans Christian Stubbe. Trotzdem erholen sich laut dem Mediziner 90 Prozent der Long-Covid-Patienten nach zwölf Monaten.

Wie fühlen sich Long-Covid-Patienten in ihrer Situation?

Viele Long-Covid-Patienten sind häufig sehr verzweifelt, ist die Erfahrung des Infektiologen. Das liege auch daran, dass man Schwierigkeiten habe, Long Covid richtig zu diagnostizieren und auch zu therapieren. "Man wünscht sich ja [...], dass man da eine Tablette nimmt und dann ist es wieder weg. [...] Das gibt es [für Long Covid] im Moment noch nicht", erklärt Stubbe.

Das führe dazu, dass viele Patienten, die zu ihnen in die Post-Covid-Ambulanz kämen, schon seit Monaten wegen der Beschwerden arbeitsunfähig seien. Das sei für viele Betroffene eine erhebliche Belastung. "Das führt auch dazu, dass sie ganz verrückte Dinge machen", sagt der Mediziner. So gebe es Patienten, die ihr letztes Geld für Therapien ausgäben, die die Krankenkassen nicht bezahlen und die am Ende nichts brächten. "Das ist für mich Ausdruck einer erheblichen Verzweiflung, wenn man sozusagen nach jedem Strohhalm greift", bilanziert der Infektiologe.

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