Das Südtiroler Archäologiemuseums in Bozen zeigt eine Rekonstruktion des Gletschermannes Ötzi.
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Sah Ötzi so aus? Das Südtiroler Archäologiemuseums in Bozen zeigt eine Rekonstruktion des Gletschermannes Ötzi.

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Kriminalfall aus der Steinzeit: Warum wurde Ötzi ermordet?

31 Jahre ist es her, dass ein Ehepaar in den Ötztaler Alpen eine Eismumie fand, die sich wenig später als archäologische Sensation entpuppte. Ötzi, so ihr Name, starb vor 5.300 Jahren durch Mord, wie Münchner Profiler herausfanden. Was ist passiert?

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Es geschah am 19. September 1991 in den Ötztaler Alpen: Das Nürnberger Ehepaar Helmut und Erika Simon machte beim Abstieg, auf italienischem Boden ganz in der Nähe zur österreichischen Grenze, in rund 3.200 Metern Höhe am Tisenjoch einen grausigen Fund: Eine braune Leiche ragte aus dem Eis.

Deren Bedeutung wurde anfangs unterschätzt. Die herbeigerufenen Bergungskräfte gingen davon aus, dass es sich um einen erfrorenen Bergsteiger oder Skitourengeher handele. Mit teils brachialen Methoden lösten sie die Leiche aus dem Eis. Dabei wurde ein abgewinkelter Arm des Mannes abgebrochen.

Ötzi – Unschätzbarer Fund für die Wissenschaft

Der Leichnam kam in die Innsbrucker Gerichtsmedizin, wo einige Tage später Experten für Ur- und Frühgeschichte das Alter des Körpers auf mindestens 4.000 Jahre schätzten. Heute weiß man, dass er sogar rund 5.300 Jahre alt ist. Es lag nahe, die mumifizierte Leiche aus den Ötztaler Alpen nach ihrem Fundort zu benennen. So wurde der Name "Ötzi" aus der Taufe gehoben. Ötzi war zu Lebzeiten 1,60 Meter groß und hatte Schuhgröße 38 – und er wurde ermordet.

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Kopf und Arm der Eismumie Ötzi

Wie kam Ötzi zu Tode?

Was genau ist passiert? Warum ist Ötzi in den Alpen ermordet worden? Kriminalhauptkommissar Alexander Horn, Profiler am Münchner Polizeipräsidium, hat zwei Jahre lang an der Fallanalyse gearbeitet und ist sich sicher: "Es war Mord aus Heimtücke!"

Fest steht: Ötzi hatte gebrochene Rippen und in seiner linken Schulter steckte eine Pfeilspitze. Nach Ansicht von Horn war dem Mordanschlag Tage zuvor ein Messerkampf vorausgegangen, bei dem Ötzi an der Hand verletzt wurde. Wurde dieser Messerkampf zuvor im Tal ausgetragen? Für Horn eine mögliche Erklärung. Danach stieg Ötzi in die Alpen auf und wurde dort von seinem Mörder getötet. Offensichtlich hat Ötzi mit keinem Angriff mehr gerechnet und entspannt eine Mahlzeit zu sich genommen. Der Pfeil traf den Ahnungslosen hinterrücks.

Gletschermumie Ötzi
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Gletschermumie Ötzi

Was war das Motiv für den Mord an Ötzi?

"Mit hoher Wahrscheinlichkeit war der Täter der Kontrahent aus der Messerattacke. Als offenbar unterlegener Gegner wollte er sich wohl auf keine direkte Konfrontation mehr einlassen und tötete deshalb Ötzi aus dem Hinterhalt mit einer Fernwaffe", so Fallanalytiker Alexander Horn.

Die Experten sehen als mögliches Motiv Neid, Zurückweisung oder Kränkung an. "Es ist wahrscheinlich, dass der Mord an Ötzi ähnlich banal ablief wie andere Morde heutzutage auch", sagt Alexander Horn. Raubmord zumindest kann ausgeschlossen werden, denn Ötzis wertvolle Kupferaxt wurde nicht entwendet.

Dank Ötzi - Eine Zeitreise in die Steinzeit

Ötzi ist in vielerlei Hinsicht ein Glücksfall für die Wissenschaft, denn nicht nur die Leiche, sondern auch die Kleidung und zahlreiche Ausrüstungsgegenstände - wie unter anderem ein Kupferbeil - sind gut erhalten. Viele historische und naturwissenschaftliche Disziplinen recherchieren und analysieren im Fall Ötzi Hand in Hand und brachten und bringen viele Erkenntnisse hervor.

Das macht Ötzi zum idealen Forschungsobjekt

Anders als andere erhaltene Tote aus Ägypten und Europa handelt es sich bei Ötzi um einen auf natürliche Weise im Gletscher mumifizierten Leichnam - eine sogenannte "Feuchtmumie". Sein Körpergewebe ist elastisch genug, um bestimmte Untersuchungen möglich zu machen, die Einblicke in seine Lebensumstände geben. Seine Organe wurden nicht entnommen und er wurde nicht einbalsamiert.

Die Forschung verspricht sich auch heute noch - 31 Jahre nach dem Fund - weitere Erkenntnisse, da die Untersuchungsmethoden sich immer weiterentwickeln. "Auch, wenn wir viel herausbekommen, ganz zu Ende wird es nie sein", so Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumienforschung an der Europäischen Akademie Bozen.

Ötzis Geschichte muss umgeschrieben werden

Eine neue Studie von Forschenden aus Norwegen, Österreich und der Schweiz kommt 2022 zu dem Schluss, dass Ötzi gar nicht, wie bisher angenommen, in einer schneefreien Schlucht im Herbst oder Winter starb, die sich dann mit Eis gefüllt und die Mumie deshalb so gut konserviert hat. Vielmehr ist er im Frühling oder Sommer gestorben - auf Eis und Schnee. Die schmolzen, der Körper rutschte mit den Artefakten in die Rinne, in der er Tausende Jahre später gefunden wurde. In den folgenden 1.500 Jahren wurde er wohl immer wieder durch geschmolzenen Schnee freigelegt und kam an die Oberfläche - aber nur so kurz, dass der Eismann gut erhalten bleiben konnte.

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Die Wissenschaftler Eduard Egarter-Vigl (l) und Albert Zink untersuchen im November 2010 die Gletscherleiche "Ötzi".

Was haben Menschen in der Steinzeit gegessen?

Viele Details aus der Steinzeit wurden erst durch die Untersuchung der Eismumie bekannt. Die Untersuchung von Ötzis Mageninhalt zum Beispiel ergab, dass er zuvor Steinbock- und Hirschfleisch mit viel Fett sowie frühe Getreidesorten wie Einkorn, Emmer und Gerste gegessen hatte.

Wie war Ötzis gesundheitlicher Zustand?

Zink vermutet, dass Ötzi möglicherweise versucht hat, mit Adlerfarn, einer eher giftigen Pflanze, Darmparasiten zu bekämpfen. Für eine Überraschung sorgte die Tatsache, dass Ötzi offensichtlich eine starke Veranlagung für Herz- und Gefäßkrankheiten hatte, wie gentechnische Untersuchungen ergaben.

Ötzi litt an Arteriosklerose, eine Erkrankung, die bis dato als Folge von wenig Bewegung und Übergewicht gegolten hatte. Das aber traf auf Ötzi nicht zu. "Er war körperlich sehr fit, trotz seiner Wehwehchen und Abnutzungserscheinungen hätte er ein deutlich höheres Alter erreichen können", so Zink.

Ötzi ist zu besichtigen

Seit 1998 liegt Ötzi in einer Kühlkammer im Bozener Archäologiemuseum in Südtirol. Besucher können ihn durch ein kleines Fenster hindurch betrachten. Dort werden mit einer Temperatur von minus sechs Grad und einer Luftfeuchtigkeit von knapp 99 Prozent Bedingungen wie im Gletscher simuliert.

Der Körper lagert auf einer Präzisionswaage, um Gewichtsveränderungen durch Verdunstung umgehend feststellen zu können. Um einem möglichen Feuchtigkeitsverlust entgegenzuwirken, wird die Mumie regelmäßig mit sterilem Wasser besprüht.

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