Auf dem Weg zum Corona-Test. Wer bereits positiv getestet wurde und erneut ein positives Testergebnis hat, taucht nicht in den Fallzahlen auf.
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Symbolbild: Auf dem Weg zum Corona-Test. Wer positiv getestet wurde und erneut ein positives Testergebnis hat, taucht nicht in den Zahlen auf.

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#Faktenfuchs: Keine Mehrfachzählung von Corona-Infizierten

Unter anderem über WhatsApp verbreitet sich ein Video, in dem behauptet wird, mehrmals positiv getestete Corona-Infizierte würden aufgrund von Anonymisierung mehrfach gezählt werden. Warum das nicht stimmt, zeigt dieser #Faktenfuchs.

Jeden Tag werden viele Menschen auf das Coronavirus getestet, positive Fälle melden die Labore dem örtlichen Gesundheitsamt. Von dort aus werden die Fälle der zuständigen Landesbehörde gemeldet, die wiederum die Fälle an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt.

In einem Video, das in Messenger-Gruppen kursiert, wird behauptet, dass es bei diesem Meldevorgang zu Mehrfachzählungen komme. Weil die Daten anonymisiert werden, würden die Gesundheitsämter jeden positiven Corona-Test eines Infizierten übermitteln, selbst wenn diese Person schon ans Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet wurde.

Mehrfachzählung von Corona-Positiven in der RKI-Statistik?

Die Behauptung in dem selbstgedrehten Video stellt eine Allgemeinmedizinerin auf, die bereits auf Querdenken-Veranstaltungen aufgetreten ist. Als Beleg nennt sie eigene Recherchen sowie einen angeblichen Mailverkehr mit dem RKI. Doch ihre Behauptung ist falsch.

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Die Behauptung:

Die Ärztin nennt in dem Video ein Beispiel: Wenn sich ein Corona-Positiver erneut testen lässt, um etwa wieder arbeiten gehen zu können, und dieser Test abermals positiv ausfällt, werde er vom Gesundheitsamt anonymisiert an das RKI übermittelt. Am Ende tauche der bereits positiv Getestete "in den Medien" als Neuinfizierter auf. Dies liege an der Anonymisierung der Daten. Angeblich könne der positive Test daher nicht zugeordnet werden. Das habe zur Folge, dass die Fallzahlen anstiegen. Dadurch, so die Behauptung, entspreche die Statistik des RKI nicht den tatsächlichen Zahlen.

Das Video verbreitet sich vor allem über private Messenger-Dienste wie WhatsApp, aber auch über soziale Netzwerke. Stefan Homburg, ein Finanzprofessor der Universität Hannover, hat das Video auf Twitter gepostet, wo es bereits etwa 1.000 Mal geteilt wurde (Stand 11. März). Homburg stand für seine Aussagen zur Verharmlosung der Corona-Pandemie und für die Verbreitung von Falschnachrichten bereits häufiger in der Kritik.

Die Fakten:

Wird ein Mensch positiv auf SARS-CoV-2 getestet, muss das Labor dem Gesundheitsamt den Infizierten namentlich nennen. Im Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist geregelt, welche Daten des positiv Getesteten dem Gesundheitsamt übermittelt werden: Neben dem Namen sind das unter anderem Adresse und Kontaktdaten.

Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) schreibt dazu auf #Faktenfuchs-Anfrage: "Es kommt vor, dass Personen mehrfach (positiv) getestet werden. Es erfolgt dann eine Bewertung, ob es sich um eine Neuinfektion handelt oder ob es sich um den Nachweis einer bestehenden Infektion handelt." Der Nachweis einer bestehenden Infektion wird laut LGL zwar erfasst, aber nicht als neuer Fall gewertet.

Die Anonymisierung der Daten erfolgt laut LGL erst nach dieser Bewertung. Weitergeleitet werden nur die tatsächlichen Neuinfektionen: "Die von den Gesundheitsämtern (...) übermittelten Daten wiederum werden so an die Landesbehörde weitergegeben, dass die Landesbehörde keine Rückschlüsse auf die Person ziehen kann. Die Landesbehörde wiederum übermittelt nach IfSG diese Daten an das Robert Koch-Institut." Das RKI bestätigt diesen Ablauf auf #Faktenfuchs-Anfrage. Bei den Meldedaten handele es sich um die Anzahl von Fällen, nicht um die Anzahl positiver Tests:

"Die Zahl positiver Tests ist übrigens auch deutlich höher als die Fallzahl." Sprecherin des Robert Koch-Instituts auf #Faktenfuchs-Anfrage

Fragen zu angeblichen Mehrfachzählungen nicht neu

Zu möglichen Mehrfachzählungen äußerte sich die Bundesregierung bereits im vergangenen Sommer in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion. Danach bewertet die Bundesregierung das Risiko von Mehrfachzählungen als "äußerst gering", unter anderem, weil "das IfSG eine namentliche Meldepflicht für an COVID-19 Erkrankte an die Gesundheitsämter vorsieht".

Dass mehrfach positiv Getestete nicht mehrfach gezählt werden, haben auch Faktenchecks von AFP und "Volksverpetzer" gezeigt. Dieser und dieser #Faktenfuchs sowie dieses FAQ von BR24 beschäftigen sich mit Fragen rund um die Corona-Statistiken.

Zu dem angeblichen Mailverkehr mit dem Robert Koch-Institut, auf den sich die Ärztin in ihrem Video beruft, äußert sich das RKI nicht. Äußerungen Einzelner kommentiere man generell nicht. In einem weiteren Video, in dem sie sich auf das erste Video bezieht, revidiert die Ärztin teilweise ihre Behauptung, dass Gesundheitsämter aufgrund von Anonymisierung nicht unterscheiden könnten.

Sie behauptet zwar fälschlicherweise weiterhin, es gebe Gesundheitsämter, die nicht differenzieren können, gesteht aber ein, dass einer ihrer Mitarbeiter bei der Recherche auch Gesundheitsämter kontaktiert habe, die unterscheiden könnten. Das habe sie bei der Aufnahme des ersten Videos nicht gewusst. Dennoch verbreitet Kessler auch in diesem Videos weiterhin Gerüchte zu Mehrfachzählungen, ohne Belege anzuführen.

Fazit

Die Aussage, dass positiv Getestete mehrfach gezählt werden und dadurch die Fallzahlen des RKI in die Höhe treiben, ist falsch. Im IfSG ist geregelt, welche Informationen an wen übermittelt werden - die Anonymisierung der Daten erfolgt erst nach der Feststellung, ob es sich um eine Neuinfektion handelt. RKI und LGL Bayern haben dem #Faktenfuchs bestätigt, dass mehrfach positiv Getestete nicht mehrfach in den Corona-Fallzahlen auftauchen.

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