Fünf Windräder in der Oberpfalz stehen in der Landschaft.
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Der #Faktenfuchs hat fünf Behauptungen über Windkraft herausgepickt und geprüft.

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Fünf Thesen über Windkraft - und die Tatsachen

Flächenfraß, Vogelsterben, Gesundheitsrisiken und vieles mehr: Gegner haben einen ganzen Katalog an Bedenken gegen Windkraftanlagen. Der #Faktenfuchs hat fünf Behauptungen über Windkraft geprüft.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

1. Für Windkraft geht zu viel Fläche drauf!

Das Fundament einer modernen Windkraftanlage hat einen Radius von 20 bis 30 Metern. Der Sockel für das Windrad besteht aus Stahlbeton und ist zirka vier Meter tief. Per Gesetz muss bei Stilllegung einer Windkraftanlage auch das Fundament abgebaut werden. Laut einer Untersuchung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist der "Flächenverbrauch vergleichsweise gering". Zum Bau des Fundaments kommen noch Zufahrtswege und das Verlegen von Stromleitungen hinzu. Entsprechend höher ist der Flächenverbrauch. Die Windindustrie gibt ihn mit 0,15 bis 0,25 Hektar pro Windrad an. Zum Vergleich: Laut Umweltbundesamt werden für die Braunkohle-Verstromung 7,5 Hektar aufgebraucht - täglich.

Fazit: Für eine Windkraftanlage wird Fläche verbraucht - im Vergleich zu anderen Energielieferanten ist die Bodenversiegelung gering.

2. Windkraftanlagen töten massenweise Vögel!

Es gibt kaum gesicherte Daten zum Vogelsterben durch verschiedene Faktoren wie Verkehr, Strommasten, Hochhäuser, Klimawandel oder eben Windkraftanlagen. Ein Problem: Der Suchaufwand ist immens, wie die Verbundstudie "PROGRESS" (u.a. Universität Bielefeld) an Windkraftanlagen in Norddeutschland feststellte. Hier wurde bei guten Suchbedingungen alle 27 Kilometer eines 20 Meter breiten abgelaufenen Streifens ein Vogelkadaver gefunden.

Ein weiterer Aspekt: Es gibt artspezifische Unterschiede, Singvogelarten haben viel höhere Reproduktionsraten als zum Beispiel der Rotmilan. Auch das macht Vergleiche zwischen den verschiedenen Todesursachen wie Windkraftanlagen oder Häuserfassaden schwierig. Dann muss man eigentlich auch noch den Zeitpunkt des Todes innerhalb eines Jahres betrachten, zum Beispiel, ob der Vogel vor, während oder nach der Brutzeit zu Tode kam.

Beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) gibt es "Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen", in denen verschiedene Studien auch zu Vögeln abgebildet werden und in einen sogenannten Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI) einfließen. Wie bei vielen anderen menschlichen Eingriffen in die Natur wird darin grundsätzlich auch von einer potenziellen Gefährdung von Individuen nahezu aller Vogelarten durch Windkraftanlagen ausgegangen, da Vögel – zumindest bei schlechter Sicht – nur partiell in der Lage seien, die sich drehenden Rotoren wahrzunehmen. Aus der Sicht des BfN gibt es viele Bereiche, in denen Windkraft nicht genutzt werden sollte, wie zum Beispiel bestimmte Schutzgebiete oder Zugkorridore von Vögeln.

Laut Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern stellen die Energiewende und der Ausbau von Windenergie kein Problem dar, wenn die Standortwahl auch die dortigen gefährdeten Vogel- oder Fledermausarten berücksichtige. Ein viel größeres Problem sei der Verlust von Arten, die in Agrar- und Kulturlandschaften beheimatet sind. Hier habe man in den letzten 30 Jahren die Hälfte der Brutpaare verloren.

Fazit: Ja, Windkraftanlagen töten Vögel. Die verschiedenen menschlichen Eingriffe in die Natur können aus wissenschaftlicher Perspektive aber nicht durch valide Zahlen gegeneinander aufgerechnet werden.

3. Windräder beeinträchtigen den Tourismus!

Laut einem Sprecher des Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie lagen den bayerischen regionalen Tourismusverbänden im Jahr 2018 keine Hinweise darauf vor, dass Windenergieanlagen an konkreten Standorten dem Tourismus schaden.

Der Deutsche Tourismusverband e.V. (DTV) fordert, dass bei der Planung von Anlagen den touristischen Aspekten des Landschaftsschutzes Rechnung getragen wird. Im Bayerischen Windenergie-Erlass seien deshalb entsprechende Regelungen getroffen worden, vor allem hinsichtlich freizuhaltender Bereiche und sensibel zu behandelnder Gebiete.

Zahlreiche Studien auf regionaler Ebene seien zu dem Ergebnis gekommen, dass nur ein Teil der Gäste den infrage stehenden Urlaubsort nicht mehr besuchen würde, wenn neue oder mehr Windenergieanlagen gebaut würden, so der Sprecher des Staatsministeriums. Je älter die Befragten waren, desto eher empfanden sie Windenergieanlagen jedoch als störend.

Dass Konzepte zur Energiewende auch auf dem Land funktionieren, zeigt Wildpoldsried im Allgäu. Hier wird auch dank Windkraft achtmal mehr regenerative Energie erzeugt, als der Ort verbraucht. Zwar ist Wildpoldsried kein klassischer Tourismusort, dennoch sei die gelungene Energiewende ein Marketingfaktor, wie Bürgermeister Arno Zengeler auf BR24-Nachfrage bestätigte. Das ökologische Bildungszentrum erfahre eine ordentliche Auslastung. Von jährlich bis zu hundert Besuchergruppen profitiere auch die Gastronomie: “Diese Effekte können jedoch nicht ausschließlich auf die Windkraftanlagen zurückgeführt werden. Sie sind nur ein Teil unseres Konzeptes. Allerdings der Teil, den man am besten sieht.”

Was das große Ganze angeht: Die Tourismuszahlen in Deutschland steigen seit Jahren. Im vergangenen Jahr feierte der DTV das neunte Rekordjahr in Folge: 478 Millionen Übernachtungen gab es in Deutschland im Jahr 2018. Acht Jahre zuvor waren es nur 380 Millionen.

Fazit: Dass Windkraftanlagen dem Tourismus schaden, kann durch Zahlen nicht belegt werden.

4. Windräder machen nur an der Küste Sinn!

Dass Windräder an der Küste sinnvoll sind, liegt auf der Hand: Der Wind kann ungebremst über die fast glatte Meeresoberfläche wehen. Im Inland hingegen bremsen "Hügel, Berge, Gebäude und Wälder den bodennahen Wind ab", so die bayerische Staatsregierung. Entsprechend spricht sie von Bayern als einem "eher windschwachen Gebiet". Das heißt jedoch nicht, dass sich Windkraft nicht nutzen ließe, sondern, dass die höheren und konstanteren Windgeschwindigkeiten in höheren Luftschichten zu finden sind, so das Landesamt für Umwelt. Entsprechend höher müssten Windräder gebaut werden.

Dass sich Windräder grundsätzlich in Bayern lohnen, denkt auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Er plant 300 neue Windkraftanlagen im Freistaat. Besonders prädestiniert sind dafür Regionen im nördlichen Franken, in der Oberpfalz und im Alpenvorland.

Fazit: Windenergie in Bayern ist nicht annähernd so effizient wie an der Küste. Dennoch gibt es laut Staatsregierung Potenzial für den Ausbau. Wie gering dieses Potenzial ist, zeigt ein Blick auf den Energiemix. Derzeit liefert Windenergie vier Prozent aller erneuerbaren Energien (0,8 Prozent der gesamten Energieproduktion). Zukünftig soll der Anteil steigen - auf sechs Prozent bei den Erneuerbaren.

5. Schatten und Lärm von Windkraftanlagen schaden dem Menschen!

"Optische Bedrängung und Emissionen von hörbarem und unhörbarem Schall werden unzureichend berücksichtigt", heißt es auf der Webseite "Vernunftkraft", die Standpunkte von Gegnern der Windenergie sammelt.

Das Umweltbundesamt (UBA) erkennt an, dass Windenergieanlagen periodischen Schattenwurf und entsprechend Belästigung verursachen können. Doch es sieht das Problem als gelöst. Das Genehmigungsverfahren berücksichtige die möglichen Folgen und auch technisch gebe es Maßnahmen, sie zu vermeiden. Kritiker hingegen sehen gerade in größeren Anlagen weiterhin ein Problem.

Hartnäckig halten sich auch Beschwerden über Beeinträchtigungen durch Infraschall. Auch diese Problematik greift das UBA wiederholt auf. Die Behörde ist sich laut einer Machbarkeitsstudie von 2014 dessen bewusst, dass es Menschen mit abgesenkter Hörschwelle gibt - und dass die bislang geltenden Regelungen diese Tatsache nicht berücksichtigen. Im Forschungsüberblick machen die Autoren das klar. Auch deshalb sieht das UBA Wissenslücken in der Forschung und Mängel in den geltenden Vorgaben.

Zunächst noch einmal zurück zur Physik: Tieffrequente Geräusche sind Schall bis 100 Hertz (Hz). Infraschall ist ein Teilbereich davon - nämlich Schall von 1 bis 20 Hz; diese Frequenzen gelten als unhörbar. Das ist die sogenannte Hörschwelle, alles darüber bis 20 kHz wird als hörbar definiert. Infraschall-Frequenzen werden allerdings bei ausreichend hoher Lautstärke hörbar. Infraschall hat dabei durchaus auch natürliche Quellen, etwa Fön oder Meeresbrandung. Für den tieffrequenten Bereich gibt es in Deutschland die DIN 45680. Die Norm reicht hinunter bis 8 Hz. Weitere Verordnungen ergänzen sie.

Diese Normen wiesen Defizite auf und sollten deshalb weiterentwickelt werden, steht in der UBA-Machbarkeitsstudie. Die DIN 45680 und etwa die Technische Anleitung Lärm berücksichtigen nämlich nur Geräuschanteile, die die Hörschwelle überschreiten. Auch deshalb wird derzeit die DIN 45680 überarbeitet - auch unter Beteiligung von Bürgern, wie die das UBA betont. Aus Sicht der Behörde wäre es gut, wenn die DIN um den Bereich 1 Hz bis 8 Hz erweitert würde.

Unstrittig ist, dass es direkte physische Wirkung von tieffrequentem Schall und Infraschall gibt, in der Regel verbunden mit Schalldruckpegeln oberhalb von 100 dB verbunden. Die negativen Effekte betreffen etwa das Herz-Kreislaufsystem oder Gleichgewichtsorgane. Allerdings gibt es bisher keine Evidenz, dass Gesundheitsschäden durch Infraschall von WEA verursacht würden, heißt es in einem UBA-Positionspapier. Zugleich steht da: “Derzeit fehlen noch Langzeitstudien, die über chronische Effekte nach langjähriger niederschwelliger Infraschallbelastung Aufschluss geben könnten.”

Hinweise auf Risiken geben Tests an Meerschweinchen des US-amerikanischen Forschers Alec Salt, die auch das bayerische Landesamt für Umwelt berücksichtigt. Er geht davon aus, dass auch bei sehr tiefen Frequenzen das Innenohr erregbar ist – das könnte einige berichtete Leiden erklären. Seine Hypothesen sind bisher nicht belegt. Die Machbarkeitsstudie statuiert aber, dass Salts Forschung Fragen aufwirft. In der Kritik von Gegnern stehen auch Messungen in Baden-Württemberg. Hier sehen manche Gegner geschönte Ergebnisse. Sowohl das LUBW, das UBA als auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe halten aber dagegen. Details finden sich in einem Fragen-und-Antworten-Artikel des LUBW.

Fazit: Eine mögliche optische Beeinträchtigung kann durch den Genehmigungsprozess und technische Schritte vermieden werden. Nachweislich gesundheitsschädigender Lärm ist nicht erlaubt. Die wissenschaftliche Debatte, ob Infraschall unterhalb der Hörschwelle Menschen schädigen kann, dauert an. Bisher gibt es keine Beweise für oder gegen Gesundheitsrisiken durch Infraschall von WEA unter der Hörschwelle.