Mann im T-Shirt und Frau mit dickem Schal und Pudelmütze
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Mythos oder Fakt: Frieren Frauen schneller als Männer?

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Mythos oder Fakt: Frieren Frauen schneller als Männer?

Es wird kalt. Während der Mann noch im T-Shirt dasitzt, klappern Frau im dicken Pulli die Zähne. Ist das nur ein gängiges Klischee, oder haben Frauen tatsächlich ein anderes Kälteempfinden als Männer und frieren schneller?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Es ist kalt geworden. Aufgrund der hohen Energiepreise drosseln viele Menschen aber die Heizung. Eiszeit also auch in den Wohnungen? Ab wann jemand friert, hängt von vielen Faktoren ab: Alter, Statur, Stoffwechsel - und das Geschlecht. Vor allem für Frauen können die gedrosselten Heizungen also zum Problem werden. Zu ihrer Ehrenrettung: Sie sind keine überempfindlichen Mimosen, ihr Kälteempfinden ist tatsächlich anders – wobei Ausnahmen wie immer die Regel bestätigen.

Warum frieren wir überhaupt?

Menschen haben eine konstante Körpertemperatur. Um diese zu halten, lässt sich der Körper einiges einfallen. Im Sommer schwitzen wir zum Beispiel, um uns zu kühlen. Und im Winter fährt der Körper auf Sparflamme, wenn es zu kalt wird: Er gibt weniger Wärme nach außen ab, indem sich die Blutgefäße verengen.

So wird die Körpermitte mit ihren lebenswichtigen Organen besser mit Blut versorgt, Arme und Beine aber kühlen aus und wir haben frostige Extremitäten wie eisige Füße oder Hände. Bei Frauen setzt dieser Mechanismus früher ein als bei Männern. Gleichzeit sträuben wir unser nicht vorhandenes Fell, um uns damit zu wärmen: Wir bekommen eine Gänsehaut. Im nächsten Schritt fängt der Körper an, selbst Wärme zu produzieren. Wir fangen an zu zittern.

Warum klappert man beim Frieren mit den Zähnen?

Selbst mit den Zähnen versuchen wir, Wärme zu erzeugen. Die Kaumuskulatur zieht sich immer wieder zusammen, die Zähne klappern. Auch wenn in diesem Fall nur ganz kleine Muskelpartien beteiligt sind, helfen sie, die Betriebstemperatur des Körpers zu halten. Je stärker wir frieren, desto mehr Körperpartien werden mit einbezogen.

Männer-Bonus: dickere Haut, weniger Fett, mehr Muskeln

Männer frieren in der Regel weniger als Frauen, denn sie unterscheiden sich physiologisch von ihnen:

  • Mehr Muskeln: Muskeln produzieren Wärme, die sich im ganzen Körper verteilt - und das nicht nur beim Zittern. Je mehr Muskeln man hat, umso mehr Wärme kann man produzieren. Und da Männer im Schnitt 25 Prozent mehr Muskelmasse haben als Frauen, sind sie klar im Vorteil.
  • Dickere Haut: Ein weiterer Pluspunkt für die Männer - zumindest hinsichtlich Kälteempfinden: Ihr Haut ist dicker als die der Frauen. Sie sind also besser isoliert und verlieren nicht so schnell an Körperwärme.
  • Weniger Fett: Bei Frauen sind circa 24 Prozent des Körpergewichts Fett, beim Mann um die 15 Prozent. "Die Frau hat zum Beispiel mehr Unterhautfettgewebe. Das isoliert einerseits das Innere des Körpers gegenüber der Haut. Aber die Haut nimmt die Temperatur des Körpers von außen wahr, sodass die Haut sich dann bei der Frau kühler anfühlt als beim Mann", sagt Internist Georg Ertl von der Uniklinik Würzburg.

Die unterschiedlichen Hormone sind schuld

Verantwortlich für diese Unterschiede zwischen Mann und Frau sind in erster Linie ihre unterschiedliche Ausstattung an Sexualhormonen. Während das männliche Hormon Testosteron für mehr Muskelaufbau sorgt, wird durch das weibliche Hormon Östrogen die Fettproduktion angekurbelt.

So wird "von der Natur" gewährleistet, dass der Körper der Frau durch den höheren Fettanteil allzeit bereit ist, ein Kind auszutragen. Das Fett sorgt als Energiespeicher dafür, dass Mutter und Kind in dieser Zeit ausreichend versorgt sind. Es ist also wissenschaftlich erklärbar: Frauen frieren häufig schneller als Männer.

Gesenkte Raumtemperaturen: Nur Frösteln oder mehr?

Wohin führt uns dieses Wissen in diesem Winter, wenn Büros nur auf sparsame 19 Grad geheizt werden sollen? Geht es da nur um ein bisschen ungerecht verteiltes Unwohlsein? Geht es nicht, sagen die Autoren einer Studie von 2019 mit dem Titel: "Schlacht ums Thermostat" - übrigens ein Mann und eine Frau. Denn je nach Temperatur ändert sich auch die kognitive Leistung bei Männern und Frauen.

Über 500 Probanden mussten für diese Studie bei unterschiedlichen Temperaturen zwischen 16 und 33 Grad geistig anspruchsvolle Aufgaben lösen: Matheaufgaben und auch sprachliche Aufgaben, die anschließend ausgewertet wurden.

Frauen können bei Wärme besser denken

Das Ergebnis der Studie: Der Einfluss der Temperatur variierte bei Männer und Frauen deutlich. Bei höheren Temperaturen konnten die Frauen besser rechnen und bessere verbale Ergebnisse erzielen. Jedes Grad mehr erhöhte die Leistung der Frauen messbar – Höchstleistungen erzielten sie zwischen 30 und 33 Grad.

Bei Männern zeigte sich der gegenteilige Effekt: Sie punkteten bei niedrigeren Temperaturen. Sie liefen zur Bestform auf bei Temperaturen unter 20 Grad. Bei steigenden Temperaturen ließen ihre Leistungen nach – wenn auch nicht ganz so deutlich. Je höher die Temperatur, desto bessere Leistungen haben die Frauen also erbracht. Ergo ist die Energiekrise ein Wettbewerbsnachteil für Frauen.

Was kann man tun, um auf Wohlfühltemperatur zu bleiben?

Bleibt die Frage, was Frauen machen sollen, wenn es am Arbeitsplatz unangenehm kühl wird. Schließlich will niemand auf weibliche kognitive Bestleistungen verzichten. Georg Ertl rät dazu, einzelne Körperteile gezielt zu wärmen. Das heißt also, die Extremitäten, die ja zuerst auskühlen, mit dicken Socken und gefütterten Schuhe mollig warmzuhalten. Im Homeoffice kann es auch mal eine Wärmflasche sein, die die Eiszapfen wieder auftauen, bevor sie wieder eingemummelt werden. Vielleicht reichen dicke Socken, fingerlose Handschuhe und Mütze ja schon für Bestleistungen im Job in diesen Winter.

Und wie ist es bei den Tieren?

Aber warum haben sich Menschen im Laufe der Evolution so entwickelt, dass die Performance von Frauen bei steigenden Temperaturen besser wird und die der Männer schlechter? Um das herauszufinden, lohnt sich ein Blick ins Tierreich. Der Zoologe Eran Levin von der Universität Tel Aviv stellte bei den von ihm untersuchten Tieren fest, dass sich die Weibchen häufiger wärmere Plätze aussuchten als die Männchen. So würden sich zum Beispiel Känguru-, Pavian- oder Lemuren-Männchen für ihre Aktivitäten schattigere Plätze suchen als die Weibchen.

Levin interpretiert seine Ergebnisse so, dass die Weibchen eine höhere Temperatur bevorzugen, weil dies erhebliche physiologische Auswirkungen auf die spezifischen Funktionen der Weibchen haben könnte, bei denen Wärmeempfinden eine entscheidende Rolle spielt – zum Beispiel für die Inkubation der Eier oder des Fötus, oder für die Wärmeregulierung von Neugeborenen.

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Dieser Artikel ist erstmals am 18.10.2022 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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