Der Vulkan Ätna in Italien, aufgenommen am 27.10.23.
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Der Vulkan Ätna in Italien, aufgenommen am 27.10.23.

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#Faktenfuchs: Nein, Vulkane sind nicht schuld am Klimawandel

Im Netz behaupten User, dass ein einziger Vulkan-Ausbruch mehr CO2 freisetze als die ganze Menschheit zusammen. Das ist falsch. Und: Am CO2-Ausstoß von Vulkanen hat sich in Tausenden von Jahren nichts geändert – an dem der Menschheit schon.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Ein Krater, der plötzlich Feuer speit, Rauchsäulen, die kilometerhoch aufsteigen, Lavaströme, die ganze Dörfer unter sich begraben: Vulkanausbrüche sorgen regelmäßig für beeindruckende Bilder. In den sozialen Netzwerken verbreiten sich diese schnell weiter. Doch die Bilder werden auch genutzt, um Falschbehauptungen rund um den Klimawandel zu verbreiten.

Ein Narrativ taucht dabei besonders häufig auf – auch nach dem jüngsten Ausbruch des Vulkans in der Nähe der Stadt Grindavik im südlichen Island: Nämlich, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gibt. Die Vulkanausbrüche, bei denen teilweise große Mengen an CO2 freigesetzt werden, müssen als Beleg dafür herhalten. Denn wenn schon die Natur selbst so viel Kohlenstoffdioxid freisetze, dann könne der CO2-Ausstoß des Menschen ja kein so großes Problem sein, so die Logik der Klimawandelleugner.

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Auf X suggerieren User die aktuelle Klimakrise sei nicht vom Menschen verursacht. Vulkan-Ausbrüche wie der auf Island sollen als Beleg herhalten.

Auf X (ehemals Twitter) schreibt etwa ein User: "Vulkan bricht aus. Leute schreien Klimawandel. Ja was? Das Klima wandelt sich seit der Planet existiert. Und Vulkane sind schon ausgebrochen, da gab es den Menschen noch gar nicht." Ein anderer kommentiert unter einem Artikel über eine Protestaktion der Letzten Generation: "Geht doch die Vulkan Ausbrüche besprühen! Da spielt sich das Klima ab!"

Das Narrativ, Vulkan-Ausbrüche belegten, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gibt, ist falsch – aber nicht neu. Das zeigt eine Telegram-Suche in einschlägigen Kanälen. Schon 2019 verbreitete sich über den Messenger-Dienst die Behauptung, ein kleiner "Rülpser" des Ätna auf Sizilien stoße mehr CO2 aus "als die gesamte Menschheit während ihres Daseins auf der Erde". Auch in den Wochen seit Mitte November, in denen der Ätna mehrfach aktiv war, war das auf Telegram immer wieder zu lesen.

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Auch die Behauptung, Vulkan-Ausbrüche setzten mehr CO2 frei als die gesamte Menschheit zusammen, findet sich auf Telegram.

Forscher: Behauptungen "skandalös falsch"

Es stimmt nicht, dass ein einziger Ausbruch des Ätna mehr CO2 freisetze als die gesamte Menschheit bisher. Und auch nicht, dass Vulkane die eigentlichen Verursacher des Klimawandels seien. Derartige Behauptungen seien "skandalös falsch", sagt der Vulkanologe und Ätna-Forscher Boris Behncke, der am Institut für Geophysik und Vulkanologie in Catania auf Sizilien arbeitet. Denn der Ätna emittiere heute nicht mehr oder weniger CO2 als in den vergangenen Jahrtausenden. "Aber das, was wir Menschen machen, hat sich geändert in den letzten 150 Jahren."

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Der CO2-Anstieg in der Atmosphäre in den vergangenen 800.000 Jahren.

Das belegt auch diese Grafik der NASA, die die Veränderungen im CO2-Gehalt der Luft über die vergangenen 800.000 Jahre hinweg anschaulich macht. Eiskernbohrungen belegen, dass die CO2-Konzentration in der Luft während dieses Zeitraums den Wert von 300 ppm nicht überschritt. PPM (parts per million) bezeichnet dabei die Anzahl der CO2-Moleküle pro eine Million Luft-Moleküle. Erst mit Beginn der Industrialisierung - vor etwa 250 Jahren - begann sich das zu ändern. Neuere Messungen - etwa vom Mauna-Loa-Observatorium - zeigen: Seither ist der CO2-Gehalt der Luft auf über 420 ppm gestiegen. Rund ein Drittel des derzeitigen CO2 in der Luft sind also allein auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen.

Dass der CO2-Wert in der Atmosphäre nie ganz konstant ist, hängt übrigens damit zusammen, dass nicht nur der Mensch CO2 freisetzt. Auch die Natur tut das – etwa durch Vulkanausbrüche. Sie nimmt das ausgestoßene CO2 über sogenannte CO2-Senken (zum Beispiel Bäume und Ozeane) aber auch wieder auf. Insgesamt nimmt die Natur sogar mehr auf, als sie freisetzt. Wäre das nicht der Fall, würde der Klimawandel sogar noch schneller voranschreiten. Nur dieses "Zuviel" an CO2, das die Natur nicht wieder absorbiert, ist also für den Klimawandel relevant. Durch das Abholzen von Wäldern und das Verbrennen von fossilen Energieträgern hat der Mensch den natürlichen Kohlenstoffkreislauf aus der Balance gebracht.

  • Beträgt der deutsche Anteil am CO2 in der Luft nur 0,000028 Prozent? Warum das falsch ist, lesen Sie hier.

Schon aus der Tatsache, dass die wiederkehrenden Eruptionen des Ätnä und anderer Vulkane über Jahrtausende nichts an der CO2-Konzentration in der Luft geändert haben, folgt, dass der vulkanische CO2-Ausstoß gegenüber dem des Menschen für den Klimawandel unbedeutend ist, wie das Umweltbundesamt auf seiner Seite schreibt.

Vulkane verursachen etwa ein Prozent des CO2, das Menschen jährlich ausstoßen

Das lässt sich aber auch anhand der konkreten CO2-Emissionen belegen. Wissenschaftler schätzen, dass alle Vulkane weltweit insgesamt jährlich etwa 0,3 bis 0,6 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen. Diese Spannbreite findet sich sowohl auf der Seite des Umweltbundesamtes als auch auf der Webseite Climate.gov – einem Online-Informationsportal zum Klimawandel, das von der Nationalen Wetter- und Ozeanografie-Behörde der Vereinigten Staaten (NOAA) betrieben wird.

Die Zahlen stammen zwar aus Studien aus den Jahren 2011 und 2013, sind laut dem Ätna-Forscher Salvatore Giammanco aber weiter gültig. Die Spannbreite sei so großzügig berechnet, dass sie auch die schwer vorhersehbaren jährlichen Schwankungen einschließt – zum Beispiel nach einem besonders großen Ausbruch. Giammanco geht sogar davon aus, dass der tatsächliche durchschnittliche Jahres-Ausstoß aller Vulkane eher bei 0,4 Milliarden Tonnen liegen dürfte.

Deutlich aktuellere Zahlen gibt es für den jährlichen CO2-Ausstoß des Menschen: Anfang Dezember 2023 veröffentlichte das Global Carbon Project seinen aktuellen Bericht zum Globalen CO2-Budget. Darin heißt es: Der Mensch habe 2023 allein mit dem Verbrennen fossiler Energieträger etwa 36,8 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen. Der Wert enthält eine Projektion für den Dezember 2023, beruhend auf den zum Veröffentlichungszeitpunkt (4.12.23) ermittelten Werten. Rechnet man auch die CO2-Emissionen ein, die durch die Veränderung von Landnutzung entstanden (zum Beispiel die Abholzung von Wäldern), waren es sogar knapp 41 Milliarden Tonnen CO2.

Setzt man die verschiedenen Zahlen ins Verhältnis miteinander, wird klar: Die jährlichen CO2-Emissionen aller Vulkane weltweit machen nur einen Bruchteil dessen aus, was der Mensch im selben Zeitraum an CO2 verursacht – nämlich etwa 0,7 bis 1,6 Prozent. Anders gesagt: Die Menschheit emittiert etwa 60 bis 140 Mal so viel CO2 wie die Vulkane.

Ätna stößt bei einem Ausbruch 0,00001 Prozent des CO2 aus, das die Menschheit bisher emittiert hat

Noch viel weiter an der Wahrheit vorbei führt die Aussage, dass ein einziger "Rülpser" des Ätna – den wir der Einfachheit halber in diesem Text mit einem eintägigen Ausbruch gleichsetzen – mehr CO2 freisetze "als die gesamte Menschheit während ihres Daseins auf der Erde". Es ist zwar richtig, dass der Ätna zu den Vulkanen gehört, die weltweit am meisten CO2 emittieren – nämlich etwa ein Zehntel des gesamten vulkanischen CO2. Trotzdem kommt dieser Wert nicht annähernd an die CO2-Emissionen der Menschheit heran. Als Ausgangspunkt wird bei Berechnungen des CO2-Budgets oft der Beginn der Industrialisierung im Jahr 1750 gewählt, weil die Menschheit vorher kaum CO2 freigesetzt hat.

Schon an einem normalen Tag ohne Ausbruch setzt der Ätna 9.000 bis 15.000 Tonnen CO2 durch passives Ausgasen frei, sagt Ätna-Experte Salvatore Giammanco. Denn auch wenn der Ätna nicht aktiv ausbricht, entweicht Kohlendioxid aus der Gesteinsschmelze (dem Magma unter der Erde), sobald dieses beginnt, in Richtung der Erdoberfläche zu steigen.

Der Prozess lasse sich mit dem langsamen Öffnen einer Cola-Flasche vergleichen, erklärt Giammanco. Solange die Flasche geschlossen ist, ergo: das Magma sich unter der Erde befindet, sei es nicht sichtbar. Sobald die Gesteinsschmelze aufsteigt - ergo: man die Flasche öffnet - beginnen sich kleine Gas-Bläschen auf der Oberfläche des Magmas zu bilden, durch die das Kohlendioxid entweichen kann. Das vermehrte Austreten von CO2 ist für Vulkanologen deshalb auch ein frühes Warnzeichen, dass ein Ausbruch bevorsteht. Während eines Ausbruchs könne ein Vulkan dann sehr viel CO2 pro Tag ausstoßen, sagt Giammanco: Beim Ätna seien es etwa 50.000 bis 100.000 Tonnen pro Tag.

Doch auch das ist eine verschwindend kleine Menge im Vergleich zu dem, was die Menschheit bereits an CO2 emittiert hat: seit Beginn der Industrialisierung waren das etwa 1.773 Milliarden Tonnen CO2. Setzt man die Obergrenze von 100.000 Tonnen CO2 pro Tag während eines Ätna-Ausbruchs ins Verhältnis dazu, dann machen diese 100.000 Tonnen nur 0,00001 Prozent dessen aus, was die Menschheit bisher insgesamt ausgestoßen hat. Also ein Hunderttausendstel von einem Prozent.

Grundsätzlich können Vulkane das Klima beeinflussen

Es ist allerdings nicht grundsätzlich falsch, dass Vulkan-Ausbrüche das Klima beeinflussen können. So gehen Wissenschaftler heute davon aus, dass sich vor etwa 56 Millionen Jahren die Temperaturen auf der Erde schon einmal dramatisch verändert haben: Sie stiegen damals innerhalb weniger Tausend Jahre um bis zu sechs Grad Celsius an. Eine mögliche Ursache könnte sein, dass es zu gewaltigen Vulkan-Ausbrüchen kam, als Nordamerika und Eurasien auseinanderdrifteten und der Atlantische Ozean entstand. Zwar stabilisierte sich das Klima danach wieder – dieser Prozess dauerte aber weitere 20.000 bis 50.000 Jahre. Der heutige Vulkanismus auf Island ist übrigens ein kleines Überbleibsel dieser Prozess.

Die damaligen Vulkanausbrüche gehören allerdings zu den verheerendsten der Erdgeschichte. Etwas Vergleichbares ist seither nicht mehr vorgekommen. Dennoch beeinflussen Vulkanausbrüche auch heutzutage noch das Klima. Allerdings nur vorübergehend und eher in die gegenteilige Richtung. Denn ein Vulkan schießt während eines Ausbruchs nicht nur CO2 in die Luft, sondern auch Schwefeldioxid (SO2). Bei einem sehr explosiven Ausbruch kann dies sogar die Stratosphäre erreichen, die etwa bei 15 Kilometern Höhe beginnt. Das Schwefeldioxid wird dort zu sogenannten Sulfat-Aerosolen, also winzigen Tröpfchen aus Schwefelsäure und Wasser. Diese schweben für eine gewisse Zeit in der Luft und reflektieren einen Teil der Sonnenstrahlung, die auf die Erde trifft, zurück ins All, wie die Max-Planck-Gesellschaft hier beschreibt. Somit bewirken sie, dass sich die darunterliegenden Schichten abkühlen.

Gut zu beobachten war das zum Beispiel beim Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991. Der Vulkan schleuderte damals bis zu 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre. Das Klima kühlte sich in der Folge ein ganzes Jahr lang um ein halbes Grad Celsius ab. Noch gravierender waren die Auswirkungen des Tambora-Ausbruchs auf Indonesien. Die Explosion im April 1815 hatte die Kraft von mehreren Millionen Wasserstoffbomben, war 2.000 Kilometer weit zu hören und gilt als stärkster Vulkan-Ausbruch der letzten 4.000 Jahre. Mehr als 90.000 Menschen starben damals. Das darauffolgende Jahr 1816 darauf ging als das "Jahr ohne Sommer" in die Geschichte ein: In Europa sanken die Temperaturen um ein bis zwei Grad, auf der Schwäbischen Alb schneite es im Juli.

Das Fazit

Die Behauptung, Vulkan-Ausbrüche wären für den Anstieg des CO2-Gehalts in der Luft – und damit für den Klimawandel – mitverantwortlich, ist falsch. Trotz regelmäßiger Vulkanausbrüche blieb der CO2-Gehalt der Luft über 800.000 Jahre stabil. Erst seit Beginn der Industrialisierung ist er signifikant gestiegen – ein Beleg dafür, dass der Klimawandel menschengemacht ist.

Zudem belegen Messungen, dass alle Vulkane der Welt zusammen jährlich nur einen Bruchteil des CO2 ausstoßen, das der Mensch emittiert: nämlich, etwa 0,7 bis 1,6 Prozent. Anders gesagt: Der Mensch stößt jedes Jahr mehr als 60 Mal so viel CO2 aus wie alle Vulkane der Welt zusammen.

Disclaimer 20.12.2023, 13:00: In einer früheren Version dieses Textes stand der Zusatz, dass die NASA den CO2-Gehalt in der Luft mit Satelliten misst. Im nächsten Satz war dann von Messungen des historischen CO2-Gehalts die Rede. Beides ist richtig, hat aber nichts miteinander zu tun. Wir haben die Passage der Verständlichkeit halber angepasst. Außerdem stand im Fazit zunächst der Satz: “Die Behauptung, Vulkan-Ausbrüche wären (...) für den menschengemachten Klimawandel mitverantwortlich, ist falsch.” Das war ein Fehler. Die Behauptung zielt natürlich auf den Klimawandel insgesamt ab. Wir haben das Wort “menschengemachten ” deshalb entfernt.

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