Zahlreiche gebrauchte Plastiktüten liegen auf einem Haufen
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Plastiktüten bauen sich sehr langsam ab

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#Faktenfuchs: Acht Mythen über Plastik im Check

Der #faktenfuchs zu einem Stoff, der fast überall um uns herum zu finden ist. Wir glauben, viel zu wissen über Plastik. Aber nicht alles stimmt.

Die Deutschen haben den Ruf der Meister-Mülltrenner zu sein. Wir kennen uns aus - glauben wir. Aber was stimmt wirklich und was ist Mythos?

1. Plastiktüten sind schlimmer als Papiertüten

Nein. Der Knackpunkt ist, wie oft eine Tüte verwendet wird.

Eine EU-Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten vor, dass der Verbrauch von Plastiktüten reduziert werden muss – bis Ende 2019 auf maximal 90, bis Ende 2025 auf maximal 40 Stück pro Kopf und Jahr.

Deutschland ist da schon ganz gut im Rennen. Im vergangenen Jahr sank der Verbrauch von Plastiktüten hierzulande auf 2,4 Milliarden Tüten, das waren 1,3 Milliarden weniger, als im Jahr zuvor in Umlauf gekommen waren. Diese Zahlen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) bedeuten einen Pro-Kopf-Konsum von 29 Tragetaschen (2016: 45) im Jahr.

Grund dafür ist auch eine Vereinbarung zwischen dem Handelsverband Deutschland (HDE) und dem Bundesumweltministerium, die Zahl von Plastiktüten zu reduzieren: Seither verlangen viele Händler Geld für eine Plastiktüte.

Laut den Experten des Umweltbundesamts kommt es allerdings darauf an, dass EU-Richtlinien oder nationale Vereinbarungen nicht dazu führen, dass mehr andere Einwegtüten verbraucht werden – etwa aus Papier. Denn auch sie verbrauchen viel Energie bei Herstellung und Transport und sind somit auch nicht umweltfreundlich.

"Wenn Stoffbeutel oder Papiertüten nur einmal benutzt werden, sind sie nicht besser für die Umwelt als Plastiktüten", heißt es beim Umweltbundesamt. "Deshalb gilt unabhängig von der Art der Tüte oder des Beutels: Mehrmals nutzen! Jede nochmalige Verwendung erspart der Umwelt die Herstellung einer neuen Tüte."

2. Müllverbrennung geht nicht ohne Plastik

Ganz ohne Plastik funktioniert Müllverbrennung tatsächlich nicht, wie Hartmut Hoffmann erklärt, der Sprecher des Arbeitskreises Abfall und Rohstoffe vom Bund Naturschutz in Bayern. "Ein kleines bisschen ist nötig", sagt er, damit die Verbrennung ohne Zugabe von Hilfsstoffen ablaufen könne. "Aber so viel Plastik, wie jetzt im Abfall ist, brauchen die Müllverbrennungsanlagen nicht".

3. Bei Müllverbrennung kommt Gift aus dem Schornstein

In Deutschland stehen 66 Müllverbrennungsanlagen, 14 davon in Bayern. "Bei keiner Verbrennung, bei keinem Industrieprozess besteht null Risiko", sagte eine Vertreterin des Umweltbundesamts gegenüber BR24. "Gleichwohl ist aus unserer Sicht die Müllverbrennung in Deutschland unbedenklich."

Für Müllverbrennungsanlagen gelten in Deutschland die strengsten Emissionsgrenzwerte von allen Industrieanlagen. Die Anlagen werden kontinuierlich überwacht und sind verpflichtet, jede Überschreitung von Grenzwerten unverzüglich zu melden. In der Regel würden die Grenzwerte laut Bundesamt aber deutlich unterschritten. Dank strengerer Emissionsschutz-Auflagen als früher und effizienter Abgas-Reinigungstechniken gelangen aus den Schornsteinen der Anlagen nicht mehr so viele Schadstoffe in die Luft.

Überschreitungen der Tageswerte kämen gelegentlich aber vor, so die Sprecherin des Umweltbundesamts. Zum Beispiel, wenn im angelieferten Abfall illegale Stoffe enthalten sind oder bei Störungen.

Die giftigen Stoffe, die aus dem Abgas gefiltert werden, verschwinden damit aber nicht. Bei der Müllverbrennung bleiben Rückstände, die dann als Sondermüll entsorgt werden müssen. Zum Beispiel werden damit Stollen unter Tage stabilisiert.

Was die CO2-Bilanz betrifft, entsteht bei Müllverbrennung laut dem Umweltbundesamt sogar eine Netto-Entlastung. Denn es wird Energie produziert, während der Müll verbrennt, was fossile Energieträger ersetzt.

4. Der Joghurtbecher gehört ausgespült

Nein. Ausspülen belastet die Umwelt nur zusätzlich. Für die Entsorgung in der gelben Tonne oder im gelben Sack muss der Becher nur "löffelrein" sein. Nicht blitzblank.

5. Deutscher Plastikabfall landet in China

Das war zumindest lange so. China kaufte auch in Deutschland Kunststoff ein. Der finanzielle Anreiz war groß, heißt es vom Bundesverband Sekundärstoffe und Entsorgung (BVSE). Doch die Volksrepublik verschärfte vor mehr als zehn Jahren die Regeln für den Import des Plastikabfall schrittweise und seit Januar 2018 gilt praktisch ein Importstopp.

Dem BVSE zufolge gingen im Jahr 2016 rund eine Million Tonnen Plastikmüll aus Deutschland nach China, auf direktem Weg oder über andere Länder, wie etwa die Niederlande. Die Außenhandelsstatistik des Statistischen Bundesamts weist deutlich geringere Mengen auf, da sie nur die direkten Exporte rechnet. Sie zeigt jedoch die Entwicklung: einen zunächst schleichenden, dann einen recht abrupten Einbruch der direkten Exportmenge von Deutschland in die Volksrepublik.

Von rund 570.000 Tonnen im Jahr 2015 über etwa 560.000 Tonnen 2016 sank die Menge nach China exportierten Kunststoffabfalls im vergangenen Jahr auf knapp 350.000 Tonnen. In diesem Jahr fuhren deutsche Unternehmen von Januar bis September nur rund 12.000 Tonnen nach China aus. Im Vorjahreszeitraum war es 27,5 Mal so viel.

Das heißt im Umkehrschluss: Der Kunststoffabfall bleibt jetzt großenteils in Deutschland. Zwar suchen die Firmen andere Märkte, wie etwa Indien, aber dorthin kann laut BVSE weit nicht so viel exportiert werden wie zuvor nach China.

Deshalb wird jetzt mehr Plastikabfall verbrannt, aber auch mehr recycelt. "Das faktische Importverbot Chinas macht die Kunststoffentsorgung in Deutschland einerseits teurer. Andererseits ist es ein Konjunkturprogramm für das Kunststoffrecycling", erklärte ein BVSE-Sprecher gegenüber BR24.

Doch zu optimistisch ist etwa Henning Friege nicht. Der Umweltwissenschaftler gehört zum deutschen Nachhaltigkeitsrat und warnt vor Ausweichmanövern - "etwa in Richtung von Ländern wie Rumänien, Griechenland, Malta oder Bulgarien, wo es derzeit noch üblich ist, Abfälle - auch Plastik-Sortierreste - einfach zu deponieren. Das gibt es in Deutschland seit zehn Jahren nicht mehr".

6. Mülltrennung bringt nichts – es wird eh alles zusammengekippt

Das ist falsch. Was wir zuhause oder in den Glascontainern sortieren, wird auch getrennt weiterverarbeitet. "Dass alles zusammengekippt wird, ist ein Mythos", sagte Nachhaltigkeitsexperte Henning Friege im Gespräch mit BR24.

Aber: Was zu verdreckt ist oder zum Beispiel nicht in den gelben Sack gehört, erkennen die Sortieranlagen nicht. Das wandert dann in den Restmüll und wird verbrannt und nicht recycelt. In Großstädten finden sich in der Gelben Tonne bis zu 50 Prozent "Fehlwürfe", schrieb Friege in einem Bericht des Nachhaltigkeitsrats für die Bundesregierung.

Darin zweifelte Friege auch die offiziellen Recyclingquoten an, die für Deutschland zu finden sind. Laut der Europäischen Umweltagentur EEA werden zwei Drittel des Haushaltsmülls in Deutschland recycelt. Allerdings gibt es Frieges Bericht zufolge keine verbindliche Regel dafür, wie EU-Staaten diese Quote errechnen. Die Bundesregierung rechnet so: Was in eine Recyclinganlage hineingeht, gilt als recycelt. Unabhängig davon, was tatsächlich wiederverwertet wird.

7. Glas ist besser als Plastik

So einfach lässt sich das nicht sagen. Es gibt viele Faktoren, die wichtig sind für die Ökobilanz einer Getränkeverpackung. Eine eindeutige Antwort gibt es dem Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) zufolge nicht. Studien müssen verschiedene Faktoren berücksichtigen:

  • Wie viel Rohstoff und Energie braucht es für die Herstellung der Glas- oder Plastikflasche? (Glas-Schmelzen fressen viel Energie, die Flaschen sind schwer - dafür aber häufig befüllbar.)
  • Wie weit werden die Flaschen transportiert?
  • Werden die Plastik-Einwegflaschen recycelt? (Auch das kostet Energie.)

Unter bestimmten Bedingungen ist eine PET-Einwegflasche von ihrer Ökobilanz her so gut wie eine Glas-Mehrwegflasche, heißt es in einer Handreichung des IFEU. Nicht besser, aber auch nicht schlechter. Und eben nur unter gewissen Bedingungen.

Wichtig dafür ist:

Plastik-Mehrwegflaschen sind die ökologisch günstigste Option, sofern sie nicht allzu weit transportiert werden, um zum Kunden zu gelangen und wieder zurück zum Spülen und Wiederbefüllen. Besonders individuell designte Flaschen müssen immer wieder zur Ursprungsfirma zurück; sogenannte Pool-Flaschen, die sich mehrere Abfüller an verschiedenen Standorten teilen können, müssen nicht so weit transportiert werden.

Vergleicht man 0,5-Liter-Verpackungen (Dosen, Glas-Mehrweg, PET-Einweg) und kauft der Kunde sie regional, so gewinnt die Glas-Mehrwegflasche. Je weiter der Transportweg, desto schlechter schneidet dann Glas ab - die Ökobilanz wird dann ähnlich wie die von Plastik-Einweg oder Dose.

Eine 1,5-Liter-Plastik-Einwegflasche hingegen kann, muss aber nicht, genauso gut abschneiden wie eine 0,7-Liter-Glas-Mehrwegflasche, wenn sie leicht ist, einen relativ hohen Anteil an recyceltem PET enthält und nicht zu weit transportiert wird.

8. Biomüll im Restmüll ist nicht schlimm

Wer Biomüll nicht getrennt vom Restmüll verwertet, verletzt seine Staatsbürgerpflicht. Die Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) schreiben im Paragraf 11, Absatz 1, seit 1. Januar 2015 vor, Bioabfall wo immer möglich in die braune Tonne zu geben. Ziel ist, Kompost und Gärrest als Dünger oder als Ersatz für Torf in der Landwirtschaft oder im Gartenbau herzustellen. So kommen Nährstoffe und Humus, die in organischen Abfällen enthalten sind, in den natürlichen Kreislauf zurück. Aus Bioabfällen wird aber auch Energie erzeugt, zum Beispiel in Form von Biogas. Zugleich reduziert jeder, der Bioabfall gesondert sammelt, die Menge des Restmülls, der entsorgt werden muss.