Studie: Blutgruppe beeinflusst offenbar Schwere von Covid-19-Verlauf
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Die Blutgruppe könnte darüber entscheiden, wie schwer eine Covid-19-Erkrankung verläuft, so das Ergebnis einer Studie.

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Zusammenhang zwischen Blutgruppe und Covid-19-Verlauf

Bereits im Frühjahr 2020 kamen Studien zu dem Ergebnis: Die Blutgruppe hat möglicherweise einen Einfluss auf das Risiko für eine Covid-19-Infektion und einen schweren Krankheitsverlauf. Weitere Studien liefern neue Belege für diese Theorie.

Über dieses Thema berichtet: nano am .

Ein Ziel der medizinischen Forschung im Kampf gegen Covid-19 ist, Risikofaktoren für die Krankheit zu identifizieren, denn dort könnten therapeutische Gegenmaßnahmen ansetzen. Eine Frage, die sich Wissenschaftler in diesem Zusammenhang stellen, lautet: Lässt sich mit Hilfe der Blutgruppe das Risiko einer Covid-19-Infektion und deren Verlauf vorhersagen? Mehrere Studien liefern erneut Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Blutgruppe und der Anfälligkeit für Covid-19. Allerdings ist nicht bekannt, was die Ursache für diesen Zusammenhang sein könnte und was er für Patienten tatsächlich bedeutet.

Risiko bei Blutgruppe 0 anscheinend geringer

Menschen mit der Blutgruppe 0 haben laut den Forschungsergebnissen kanadischer Forscher vom 24. November 2020 ein geringfügig niedrigeres Risiko, sich mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 zu infizieren. Bei ihnen ist auch die Wahrscheinlichkeit geringer, schwere Folgen davonzutragen, wenn sie krank werden. Auch für die Blutgruppe Rhesus-negativ (Rh-) ist bei der Studie ein ähnlicher Effekt zu beobachten. Zudem war für beide Gruppen das Risiko einer schweren Erkrankung oder eines Todesfalls geringfügig gemindert.

Es könne jedoch allenfalls ein kleiner Anteil der SARS-CoV-2-Infektionen durch die noch unbestimmte Eigenschaft der schützenden Blutgruppen verhindert werden. Ein Ergebnis, das auch Forscher der Universität Graz am 15. Oktober 2020 bestätigen. Ihre Studie untersuchte Patienten, die mit COVID-19 in stationärer Behandlung waren. Innerhalb dieser hospitalisierten Gruppe konnten sie keinen Zusammenhang der ABO Blutgruppe mit dem Schweregrad der Erkrankung (also Behandlung auf Normal- oder Intensivstation, Intubation, oder auch Tod) feststellen. Hier spielen die Fallzahlen für die einzelnen Gruppen eine große Rolle hinsichtlich der statistischen Signifikanz der Ergebnisse.

Blick ins dänische Gesundheitsregister

Ähnliche Tendenzen im Hinblick auf die Blutgruppe 0 waren bereits in anderen Studien beobachtet worden. Forscher, unter anderem von der Süddänischen Universität und der University of British Columbia, verglichen Daten aus dem dänischen Gesundheitsregister von mehr als 473.000 Personen, die auf Covid-19 getestet wurden, mit Daten einer Kontrollgruppe von mehr als 2,2 Millionen Menschen aus der Allgemeinbevölkerung. Unter den Covid-19-Positiven fanden sie weniger Menschen mit Blutgruppe O und mehr Menschen mit A-, B- und AB-Typen. Die Studienergebnisse vom 14. Oktober 2020 legen nahe, dass Menschen mit Blutgruppen A, B oder AB möglicherweise häufiger mit Covid-19 infiziert sind als Menschen mit Typ O. Da die Blutgruppenverteilungen bei unterschiedlichen ethnischen Gruppen variieren, kontrollierten die Forscher auch die ethnische Zugehörigkeit. Doch auch danach kamen sie weiterhin zu dem Ergebnis, dass weniger Menschen mit Blutgruppe O positiv auf das Virus getestet worden waren.

Höheres Risiko für schweren Krankheitsverlauf

Darüber hinaus scheint eine Covid-19-Erkrankung bei Menschen mit Blutgruppe A oder AB einen schwereren Verlauf zu nehmen als bei den Blutgruppen O oder B. Das ergab eine separate Studie der Forscher. Sie untersuchten Daten von 95 Covid-19-Patienten, die in kritischem Zustand im Krankenhaus waren, und fanden heraus, dass Patienten mit Blutgruppen A oder AB mit größerer Wahrscheinlichkeit künstliche Beatmung benötigen. Das deutet darauf hin, dass sie aufgrund von Covid-19 häufiger an Lungenschädigungen leiden. Außerdem benötigten mehr Patienten mit Blutgruppe A oder AB eine Dialyse wegen Nierenversagens.

Genanalyse von Intensivpatienten

Bereits im Juni 2020 hatten Forscher des Universitätsklinikums Oslo und der Universität Kiel herausgefunden, dass die Blutgruppe der Patienten einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung haben könnte. Für ihre Studie hatten die Forscher um Molekularbiologe Andre Franke von der Universitätsklinik Kiel und Tom Karlsen aus Oslo Blutproben von insgesamt 1.610 Intensivpatienten näher analysiert, die wegen schwerer Verläufe einer Covid-19-Erkrankung in sieben Krankenhäusern in Spanien und Italien in Behandlung waren. Alle Patienten wurden mit Sauerstoff behandelt oder waren an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Anschließend wurden die Blutproben der Patienten mit denen von zufällig ausgewählten 2.205 gesunden Menschen aus der italienischen und spanischen Bevölkerung auf genetische Merkmale verglichen.

"Mithilfe dieser großen Datenmenge haben wir wirklich interessante Regionen im Genom identifiziert, die das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 erhöhen beziehungsweise verringern." Erstautor David Ellinghaus von der Universitätsklinik Kiel

Blutgruppe 0 schützt offenbar bei Coronavirus-Infektion

Die Forscher identifizierten eine Genvariante, die mit einem schweren Covid-19-Verlauf einherging, auf Chromosom 9. Hier befindet sich das AB0-Gen, von dem die Blutgruppe eines Menschen abhängt. Dabei fanden sie heraus, dass Menschen mit der Blutgruppe A und einem positiven Rhesusfaktor wohl ein um knapp 50 Prozent höheres Risiko haben, einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung zu erleiden. Menschen mit einer Blutgruppe 0 haben laut der Ergebnis der Forscher hingegen eine um etwa 50 Prozent geringere Gefahr, einen schweren Verlauf der durch das Coronavirus ausgelösten Erkrankung durchzumachen.

Bereits am 27. März 2020 hatten chinesische Forscher einen Zusammenhang zwischen Blutgruppe und Infektionsrisiko für SARS-CoV-2 festgestellt. Auch damals hatten die Forscher entdeckt, dass Menschen mit der Blutgruppe A besonders häufig infiziert waren, Träger der Blutgruppe 0 dagegen besonders selten. Eine Studie an der Columbia University bestätigte das Ergebnis am 11. April 2020 in einer Vorabveröffentlichung bei medrxiv. "Diese beiden Gruppen haben Menschen serologisch untersucht, wir kamen von der genetischen Seite", erläutert Franke. "Das bringt zusätzliche Evidenz."

Blutgruppe alleine scheint nicht Auslöser für schwere Erkrankung

Die Autoren wissen nicht, warum die Blutgruppe die Schwere einer Covid-19-Infektion beeinflussen kann. Allerdings sei der Genort für die Blutgruppe mit bestimmten Entzündungsbotenstoffen verbunden. Andere Studien hatten gezeigt, dass das Virus bei manchen Erkrankten zu einer Überreaktion des Immunsystems mit heftigen Entzündungsreaktionen im Körper führt.

Einen noch stärkeren Effekt auf die Schwere der Erkrankung hatte eine Genvariante auf Chromosom 3. Träger dieser Variante besaßen im Vergleich zu anderen Personen ein doppelt so hohes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung. Auffällig viele dieser schwer Erkrankten hatten Blutgruppe A. Allerdings wissen die Autoren nicht, welche Gene auf Chromosom 3 dafür verantwortlich sind. Vermutlich hängen sie mit Eigenschaften des Immunsystems zusammen. Was wiederum bedeuten kann, dass Menschen mit Blutgruppe A generell einfach anfälliger für Ansteckungen sind und deswegen auch statistisch häufiger unter den schwer Erkrankten zu finden sind.

"Mit dem Chromosom 3 und dem AB0-Blutgruppen-Lokus beschreiben wir echte Ursachen für einen schweren Verlauf von Covid-19. Unsere Ergebnisse schaffen daher eine hervorragende Grundlage für die Entwicklung von Wirkstoffen, die an den gefundenen Kandidatengenen ansetzen können." Andre Franke von der Universitätsklinik Kiel

Blutgruppenverteilung in Deutschland

Es gibt insgesamt vier Blutgruppen: A, B, 0 und AB. Daneben ist das zweitwichtigste Blutgruppensystem das Rhesus System. Beide Systeme wurden durch Karl Landsteiner entdeckt. Die beiden häufigsten in Deutschland vorzufindenden Blutgruppen sind die Blutgruppen A mit 43 Prozent und 0 mit 41 Prozent Anteil in der Bevölkerung. Entsprechend groß ist der Bedarf an Blutspenden dieser Gruppen, denn unter den Patienten finden sich diese Anteile wieder. Die Blutgruppe B haben 11 Prozent, die Blutgruppe AB nur 5 Prozent der Bevölkerung.

Beim Rhesus System gibt es in Deutschland einen Anteil von 85 Prozent mit Rhesus positivem Merkmal und 15 Prozent mit Rhesus negativem Merkmal.