Viele Menschen mit Bluthochdruck nehmen ihre Medikamente morgens ein. Günstiger wäre einer aktuellen Analyse zufolge in vielen Fällen wohl, sie abends vor dem Schlafengehen zu schlucken.
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Viele Menschen mit Bluthochdruck nehmen ihre Medikamente morgens ein. Günstiger wäre in vielen Fällen wohl, sie abends zu schlucken.

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Blutdrucksenker wirken abends eingenommen oft besser

Wer einen hohen Blutdruck hat, muss meist einmal täglich einen Blutdrucksenker einnehmen. Doch welcher Zeitpunkt ist der beste? Eine groß angelegte Studie zeigt: Die abendliche Medikamenten-Einnahme verringert das Risiko von Folgeerkrankungen.

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Der Blutdruck und die Herzfrequenz eines Menschen sind in der Nacht meist niedriger als am Tag. Gegen drei Uhr nachts ist der Blutdruck normalerweise am niedrigsten. Schon bevor wir wach werden, steigt er leicht an. Kurze Zeit danach läuft unser Herz-Kreislauf-System bereits auf Hochtouren. Häufig lautet daher die Empfehlung der behandelnden Ärzte, die Therapie mit Medikamenten gegen Hypertonie solle am besten frühmorgens erfolgen, möglichst noch auf der Bettkante, damit die blutdrucksenkende Wirkung der Mittel so früh wie möglich einsetzt.

Nachts ist der Blutdruck am niedrigsten

Doch günstiger kann es nach einer aktuellen Studie aus Spanien sein, den Blutdrucksenker abends vor dem Schlafengehen zu schlucken. Die Blutdruckwerte seien dann über den Tag hinweg und auch nachts niedriger, berichtet ein Forscherteam um Ramón Hermida von der spanischen Universität Vigo am 22. Oktober 2019 im "European Heart Journal". In der Folge sank auch die Gefahr einer ernsthaften Folgeerkrankung fast um die Hälfte.

"Dass Ärzte oft zur morgendlichen Einnahme raten, fußt auf dem fehlgeleiteten Ziel, den morgendlichen Blutdruck abzusenken." Erstautor Ramón Hermida von der Universität Vigo

Groß angelegte Hypertonie-Studie an vierzig medizinischen Zentren

Das Forscherteam um Ramón Hermida untersuchte im Rahmen eines Forschungsprojekts an über vierzig medizinischen Zentren in Spanien, wann Blutdrucksenker am besten eingenommen werden sollten. Andere Einflussfaktoren wie Alter, Diabetes, Nierenerkrankungen, Rauchen und Cholesterinwerte wurden bei der groß angelegten Studie herausgerechnet.

Wichtig: Langzeit-Blutdruckmessung über 48 Stunden

Von den mehr als 19.000 Studienteilnehmern mit Bluthochdruck nahmen die Hälfte ihre Medikamente abends, die übrigen nach dem Aufwachen ein. Sechs Jahre lang überprüften die Ärzte mindestens einmal im Jahr den Blutdruck der Patienten - mit ambulanten Blutdruckmessgeräten, die die Patienten über 48 Stunden am Körper behielten. Dabei zeigte sich, dass die Gruppe, die ihre Medikamente abends einnahm, bessere Werte erzielte.

Blutdruckmittel abends senken Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Überraschend war, dass die abendliche Medikamenteneinnahme das Risiko ernsthafter Folgeerkrankungen minderte. Zu diesen zählen Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Eingriffe aufgrund von verstopften Blutgefäßen. 1.752 Patienten der Studie erlitten eine solch schwere Erkrankung. Das Risiko, daran zu sterben, lag in der Gruppe, die ihre Medikamente abends nahm, fast um die Hälfte niedriger. Die Wissenschaftler empfehlen daher bestimmten Patienten, die blutdrucksenkenden Mittel abends einzunehmen. Am sichersten sei es aber, den idealen Zeitpunkt über eine Langzeit-Blutdruckmessung bestimmen zu lassen.

"Folglich sollten Rund-um-die-Uhr-Blutdruckmessungen empfohlen werden, um die wirkliche arterielle Hypertonie zu diagnostizieren und um das Risiko einer solchen Erkrankung einzuschätzen." Ramón Hermida von der Universität Vigo

Ergebnis der Studie gilt für Patienten mit ausgeglichenem Lebensstil

Die Forscher weisen allerdings einschränkend darauf hin, dass die Probanden, die an der Studie teilnahmen, einen geregelten Tag-Nacht-Rhythmus einhielten. Die Ergebnisse könnten daher noch keine Aussage darüber treffen, wie Menschen behandelt werden sollten, die zum Beispiel im Schichtdienst arbeiten.

Innere Uhr spielt beim Blutdruck eine wichtige Rolle

Martin Middeke vom Hypertoniezentrum München sieht die aktuelle spanische Studie kritisch. Sie bestätige zwar letztlich, dass eine unzureichende Absenkung des Blutdrucks während des Schlafs (nächtliche Hypertonie) mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist. Aber die Empfehlung, dass alle Hypertoniker ihre Medikation am Abend einnehmen sollen, [...] könne sehr gefährlich sein, so Middeke.

Er weist darauf hin, dass die "innere Uhr" des menschlichen Körpers auch beim Blutdruck eine wichtige Rolle spielt. Und diese innere Uhr ist von Mensch zu Mensch verschieden - wie der Blutdruck. Gerade bei älteren Menschen sei der Blutdruck nachts bereits recht niedrig. Eine weitere medikamentöse Blutdruckabsenkung könne daher die Organe schädigen. Das Blutdruck-Monitoring sei das einzige zuverlässige Mittel, um herauszufinden, wann ein Blutdrucksenker eingenommen werden sollte.