Die passive Immunisierung oder passive Impfung mit Antikörpern von Genesenen kann bei der Behandlung von Covid-19 helfen.
Bildrechte: Jakob Kreye, Charité in Berlin. Montage BR.

Die passive Immunisierung oder passive Impfung mit Antikörpern von Genesenen kann bei der Behandlung von Covid-19 helfen.

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Berliner Forscher finden wirksame Antikörper gegen Corona

Bei Corona wird die Methode der "passiven Impfung" bereits vielerorts erprobt. Sie arbeitet mit Antikörpern von Genesenen. Berliner Forscher haben besonders wirksame Antikörper im Visier, die im Tierversuch helfen.

Über dieses Thema berichtet: nano am .

Die sogenannte "passive Impfung" ist keine neue Erfindung. Sie hat auch schon bei anderen Epidemien wie SARS und MERS geholfen. Jetzt muss die Methode auf das neuartige Corona-Virus zugeschnitten werden. Laut einer Veröffentlichung am 23. September 2020 im Fachmagazin "Cell" haben Forschende der Charité und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) hochwirksame Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 identifiziert.

Antikörper im Blut von Genesenen nutzen

Das Prinzip ist einfach: Wer eine Krankheit überstanden hat, hat Antikörper gegen das Virus im Blut. Genesene Covid-Patienten können also einen Teil ihres Blutplasmas spenden und anderen damit helfen - sofern die Blutgruppen-Merkmale übereinstimmen. Der Körper der Kranken wird so mit zusätzlichen Antikörpern im Kampf gegen das Virus unterstützt. Diese Methode ist auch deshalb interessant, weil noch unklar ist, ob und wann es einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird.

Passive Immunisierung wird an vielen Klinken erprobt

Am Klinikum Großhadern in München und an den Unikliniken in Erlangen, Würzburg sowie Regensburg haben bereits erste Patientinnen und Patienten Blutplasma von Genesenen erhalten. Das kann helfen, damit ein an Covid-19 erkrankter Patient schneller wieder auf die Beine kommt. Auch die USA erlauben diese Methode.

Berliner Forscher finden drei wirksame Antikörper gegen Covid-19

Wer krank wird, entwickelt viele verschiedene Antikörper, mit denen sich der Körper gegen Erreger wehrt. Bei Covid-19-Erkrankten haben die Berliner Forscher 600 unterschiedliche Antikörper aus dem Blut der Betroffenen isoliert. Drei davon sind im Kampf gegen Corona besonders vielversprechend.

Hamster sprechen auf die Antikörper an

Die Berliner Forscher haben im Tierversuch mit Hamstern die drei im Labor isolierten Antikörper gespritzt. Laut Studie zeigt diese Maßnahme deutliche Wirkung.

"Wurden die Antikörper nach einer Infektion verabreicht, entwickelten die Hamster allenfalls milde Krankheitssymptome. Bekamen gesunde Hamster die Antikörper vorsorglich, wie es auch bei einer Impfung passiert, sind die Tiere gar nicht erst krank geworden." Jakob Kreye, Koordinator des Antikörper-Forschungsprojekts in Berlin

Der Unterschied zwischen aktiver und passiver Impfung

  • Aktive Impfung: Bei einer aktiven Impfung ist es so, dass der Körper mit Erregern konfrontiert wird und nach und nach selbst einen Schutz dagegen entwickelt, der in der Regel auch lange vorhält. Das Immunsystem wird also aktiv und hilft sich selbst. Der Nachteil daran ist, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis sich ein Impfschutz aufbaut.
  • Passive Impfung: Bei einer passiven Impfung oder passiven Immunisierung gibt man dem Patienten Antikörper. Er stellt sie also nicht selbst her. Diese Antikörper nehmen ihre Arbeit in der Regel sofort auf und wirken umgehend. Allerdings baut der Körper diese von außen zugeführten Abwehrmechanismen nach wenigen Wochen wieder ab. Der Schutz ist somit weniger beständig als nach einer aktiven Impfung.

Grundstein für passive Immunisierung gelegt

Nicht alle Antikörper, die ein Erkrankter gegen einen Erreger entwickelt hat, helfen gleich gut. Die Berliner Forscher hoffen, mit den drei gefundenen Exemplaren bald einen hochwirksamen Schutz gegen Covid-19 anbieten zu können - präventiv oder für bereits Erkrankte.

"Die Antikörper haben im Labor gezeigt, dass sie sich sehr effizient an das Virus binden, dieses ausschalten und verhindern, dass es sich weiter im Gewebe ausbreitet. Wir hoffen, dass das der erste Schritt ist in Richtung passiver Immunisierung beim Menschen." Harald Prüß, Forschungsgruppenleiter und Neurologe an der Berliner Charité

Antikörper sollen industriell vervielfältigt werden

Die Berliner Wissenschaftler konnten die drei besonders wirksamen Antikörper in der Petrischale künstlich nachbilden. So lassen sich zusammen mit einem Pharmaunternehmen größere Mengen mit gleichen Eigenschaften produzieren. Das ist weitaus effizienter, als von genesenen Patienten immer wieder kleine Antikörpermengen zu entnehmen und Erkrankten zu geben.

"Idealerweise produziert man gezielt den wirksamsten Antikörper im industriellen Maßstab und in gleichbleibender Qualität. Das ist das Ziel, das wir verfolgen." Momsen Reincke, Neurologe in Berlin und Erstautor der Studie

Passive Immunisierung kann wohl nur leicht Erkrankten helfen

Der Schutzschild, der von außen zugeführt wird, hilft nur vorübergehend und hat keine so starke Wirkung wie etwa eine aktive Impfung, die beispielsweise bei Masern, Tetanus oder Diphterie üblich ist.

"Wahrscheinlich werden die Antikörper am Wirksamsten sein, wenn jemand erst seit kurzem die Covid-19-Erkrankung hat. Das heißt, wenn das Virus noch nicht den gesamten Körper erreicht hat. Dann kann die Ausbreitung wahrscheinlich abgeschwächt werden. Bei jemandem, der schon sehr schwer krank ist und auf der Intensivstation liegt, reicht der Schutz durch eine passive Impfung wahrscheinlich nicht aus." Harald Prüß, Forschungsgruppenleiter und Neurologe an der Berliner Charité

Die Ergebnisse im Tierversuch sind vielversprechend. Jetzt gilt es, die weiteren Schritte und klinischen Studien am Menschen abzuwarten.

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