Eine rosablühende Robinie in einem öffentlichen Park
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Die aus Nordamerika stammende Robinie hat als Schmetterlingsblütler einen Konkurrenzvorteil gegenüber einheimischen Bäumen.

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Artenschutz: Riesige Schäden durch invasive Tiere und Pflanzen

Tiere und Pflanzen, die sich außerhalb ihrer Heimat ausbreiten, spielen eine Schlüsselrolle beim weltweiten Artensterben. Und: sie richten enorme Schäden an. Über die Rolle des Klimawandels und die Folgen – auch für Bayern.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Wenn Pflanzen oder Tiere in Gebiete außerhalb ihres angestammten Verbreitungsgebiets verschleppt werden, absichtlich oder als "blinde Passagiere", und sich dort aufgrund guter Lebensbedingungen stark ausbreiten, können sie zum Problem werden. Denn diese sogenannten invasiven Arten können heimische Arten verdrängen oder sogar ausrotten. Manche verursachen Schäden in der Landwirtschaft, andere gefährden die Wasserversorgung oder übertragen Krankheiten.

In seinem aktuellen Bericht warnt der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) vor zunehmenden Problemen, wenn die Ausbreitung von Arten, etwa durch globale Handelsströme, nicht durch strenge Kontrollen unterbunden wird – zumal der Klimawandel die Ansiedlung verschleppter Arten erleichtern kann.

Ökonomische Schäden steigen

Seit 1970 haben sich demnach die ökonomischen Schäden durch eingeschleppte Tiere und Pflanzen in jedem Jahrzehnt vervierfacht. 2019 lagen sie bei 423 Milliarden Dollar. Doch die Gefahren würden häufig unterschätzt und blieben unbeachtet, bis es zu spät sei, warnt der Weltbiodiversitätsrat. In Deutschland konnten sich laut IPBES mindestens 2.600 gebietsfremde Arten etablieren, von denen ein Teil laut Ökologe Hanno Seebens invasiv ist.

Zwar hätten es Tiere und Pflanzen auch ohne menschliches Zutun immer schon geschafft, über große Strecken zu "reisen", etwa im Gefieder von Zugvögeln oder mit Treibholz im Meer. Doch das Ausmaß, in dem fremde Arten eingeschleppt würden, werde immer größer. "Man schätzt, dass auf so entlegenen Inseln wie Hawaii zufällig etwa alle 10.000 Jahre eine neue Art angespült worden ist. Und durch den Menschen sind es jetzt mehrere Arten pro Jahr", so Seebens, der einer der Autoren des IPBES-Berichts ist. Zudem erleichtere der Klimawandel vielen Arten die Ansiedlung am Ende ihrer Reise.

Internationaler Handel und Reisen Ursachen für biologische Invasion

Weltweit werden derzeit rund 200 Arten pro Jahr in neue Lebensräume gebracht. Die wichtigsten "Wegbereiter" sind dabei der internationale Handel und Reisende. Manche Arten reisen als blinde Passagiere in Handelscontainern, andere sind selbst ein Handelsgut, denn der legale und illegale Handel vor allem mit exotischen Tieren hat ebenfalls in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen.

"Manche Leute wollen Insekten zu Hause halten, zum Beispiel Ameisenkolonien. Und ein Großteil der Ameisen, die über den Internethandel weiter als Haustiere propagiert werden, sind wirklich invasiv in vielen, vielen Ländern. Gerade der Internethandel mit Tieren und auch mit Pflanzen stellt ein Riesenproblem dar als Quelle für biologische Invasionen", so Ökologe Seebens.

Invasive Arten zerstören Biotope

Unter den Top Ten der invasiven Arten, die am häufigsten zu Problemen führen, steht an erster Stelle die Dickstielige Wasserhyazinthe. Ursprünglich im tropischen Südamerika beheimatet, gedeiht sie inzwischen überall, wo es warm genug ist, zum Beispiel in Südostasien. Hat sie sich einmal in einem See oder langsam fließenden Fluss angesiedelt, bedeckt sie schon nach kurzer Zeit die gesamte Wasseroberfläche. In der Dunkelheit unter dem dichten Hyazinthenteppich gedeiht keine andere Pflanze, sodass Fische und andere Lebewesen keine Nahrung mehr finden – das Aus für die Fischerei. Der dichte Pflanzenteppich behindert den Schiffsverkehr und auch die Wasserversorgung oder Stromerzeugung, weil Rohre und Turbinen verstopfen.

Ebenfalls zu den zehn wichtigsten invasiven Arten gehören die Haus- und Wanderratten, die vor allem auf Inseln, wie in Neuseeland, der heimischen Tierwelt den Garaus machen können oder die Robinie aus Nordamerika. Der Laubbaum stand auch in Bayern lange nur in Parks und Gärten. Als Schmetterlingsblütler befördert die Robinie allerdings Stickstoff aus der Luft in den Boden, was ihr auch hierzulande einen Konkurrenzvorteil vor einheimischen Gewächsen verschafft. Zugleich zerstört sie damit artenreiche Biotope wie Magerrasen und beraubt so seltene Arten ihrer Existenzgrundlage.

Nicht alle zugewanderten Arten schädlich

Tatsächlich sind nicht alle zugewanderten Tier- und Pflanzenarten gefährlich für heimische Arten. Von den 37.000 dokumentierten gebietsfremden Arten weltweit, erwies sich nicht einmal jede Zehnte als invasiv, also schädigend.

Umgekehrt haben laut IPBES aber mindestens 218 invasive Arten mehr als 1.200 heimische Arten lokal ausgerottet, weil in ihrem neuen Lebensraum Fressfeinde, Schädlinge oder andere begrenzende Faktoren fehlen und sie besonders konkurrenzstark sind. In mehr als 60 Prozent der Fälle sind laut IPBES invasive Arten sogar für das Aussterben von Pflanzen- und Tierarten eine entscheidende Ursache.

Auch in Bayern massive Schäden

Der Schaden, der durch das Aussterben einer Art oder die Zerstörung eines Biotops entsteht, lässt sich nur schwer finanziell bewerten. Anders ist das bei Schäden in der Land- und Forstwirtschaft, in der Fischerei oder an der Infrastruktur. "Wir haben gefunden, dass die meisten dieser invasiven Arten auch Auswirkungen auf die Wirtschaft haben", sagt die Agrarökologin Katharina Dehnen-Schmutz, eine der Autorinnen des IPBES-Berichts, und nennt als Beispiele den Maiszünsler oder die Kirschessigfliege.

Letztere breitet sich seit rund 15 Jahren in Wein- und Obstanbaugebieten auch in Bayern aus und legt ihre Eier in weiche Früchte, die dann durch den Einstich verfaulen oder von den Fliegenmaden zerfressen werden. Im Bodensee muss großer Aufwand getrieben werden, damit die eingeschleppte Quagga-Muschel nicht die Anlagen der Trinkwasserversorgung blockiert. Und der Dreistachlige Stichling, der wohl vor 70 Jahren aus einem Aquarium in den Bodensee gekippt wurde, konkurriert nicht nur mit den Felchen, den wichtigsten Speisefischen, um dieselbe Nahrung – er frisst auch Felcheneier und -larven. Deshalb ziehen die Fischer immer häufiger nur magere Felchen aus dem See oder die Netze bleiben ganz leer.

Maßnahmen zum Gegensteuern notwendig

Der IPBES fordert wirksame Maßnahmen, um die Verschleppung von Tieren und Pflanzen einzudämmen. Dazu gehören Informationskampagnen und Bürgerforschungs-Projekte, denn viele Menschen erleichterten Pflanzen oder Tieren auch unabsichtlich die Reise um die Welt. Wichtig seien zudem wirksame Grenzkontrollen im internationalen Handel.

Im Dezember letzten Jahres wurde bei der UN-Biodiversitäts-Konferenz von allen beteiligten Regierungen das Ziel beschlossen, die Einführung und Ansiedlung invasiver gebietsfremder Arten bis 2030 um mindestens 50 Prozent zu reduzieren.

Dieser Artikel ist erstmals am 4. September 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

Im Audio: Invasive Insekten - Gefahr nicht nur für Menschen

Tigermücke auf der Haut.
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Invasive Insekten

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