Die Flutlichtanlage in München: 550 Strahler mit Tageslichtcharakter - 1972 eine Weltneuheit. Nun werden sie gegen LED-Scheinwerfer ausgetauscht
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Die Flutlichtanlage in München: 550 Strahler mit Tageslichtcharakter - 1972 eine Weltneuheit. Nun werden sie gegen LED-Scheinwerfer ausgetauscht

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Weltneuheiten: Wie Olympia 1972 mit neuer Technik begeisterte

Die Olympischen Spiele 1972 brachten mehr als nur sportliche Rekorde. Sie waren auch eine Art Schaufenster für technische Entwicklungen. Weltneuheiten wie die Flutlichtanlage, exakte Zeitmessung und Computer gingen in die Industriegeschichte ein.

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Spot an im Olympiastadion 1972: Zwei Millionen Watt tauchten die Arena in gleißendes Licht. Die Firma Osram, damals eine Sparte von Siemens, hatte eine Weltneuheit entwickelt: Eine Flutlichtanlage mit 550 Strahlern, taghell, im Farbcharakter der Sonne.

Fluter für das Münchner Olympiastadion

Im Depot von Siemens, das der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich ist, schlummern die technischen Errungenschaften aus mehr als einem Jahrhundert. Dort liegt auch noch einer der Originalfluter von Osram. Er erzeugte erstmals Licht mit Tageslichtcharakter. So war eine unterbrechungsfreie Fernsehübertragung in Farbe möglich.

"Zu der Zeit kamen immer mehr Farbfernsehbilder auf" erklärt Florian Kiuntke vom Siemens Historical Institute. "Und hier war es nun vorher so, dass wenn man mit Kunstlicht arbeiten musste in der Dämmerung, dass man einen Cut, eine Pause in den Wettkämpfen machen musste, damit eben die Kameraleute den Film wechseln." Das gehörte damit der Vergangenheit an. Die Osram Flutlichtanlage machte einen Siegeszug um den ganzen Globus.

Noch im selben Jahr wurden sie im weltgrößten Stadion Maracanà in Rio de Janeiro, Brasilien, installiert. Später auch als LED-Fluter in die Stadien der Fußball WM 2010 in Südafrika. Im Olympiastadion München haben die Fluter nach 50 Jahren ausgedient. Zum Jubiläum werden sie in stromsparende LED-Scheinwerfer getauscht. Eine Herkulesaufgabe in luftiger Höhe, die Wochen dauert, bis alle 550 Strahler von damals ausgetauscht sind.

Elektronische Messung bei Olympia-Läufen

Bei den Olympischen Wettkämpfen im August 1972 sollte es erstmals "ehrliche Laufzeiten" geben, auf die hundertstel Sekunde gemessen mit einem elektronischen Quarzsystem. Handmessung mit der Stoppuhr gehörten der Vergangenheit an. Konzipiert hatte das der Nürnberger Leichtathlet und Weltrekordläufer Martin Lauer als Teamchef für die Firma Junghans.

Ganz neu waren auch die mit der Startpistole gekoppelten Startblöcke mit Lautsprechersignal für die Sprinter. "Das kommt sehr oft vor, dass der am weitesten entfernt sitzende Läufer die Startkommandos kaum noch wahrnimmt, oder viel zu spät wahrnimmt und das ist natürlich eine eindeutige Benachteiligung, die wir durch diesen eingebauten Lautsprecher eliminieren", erklärte Lauer im Jahr 1972.

Doppellichtschranke und Zielbildkamera

Mit dieser Technik hat Junghans, 1972 Teil der Firma Diehl aus Nürnberg, erstmals einen Zuschlag als offizieller Zeitmesser für olympische Spiele bekommen. Die Technik hat Hariolf Bihl mitentwickelt. "Ich war dann für die Counter verantwortlich und für die Lichtschranken und die Kamera, die drei Sachen habe ich praktisch gebaut", erinnert sich Bihl.

Auch für den Zieleinlauf gibt es eine Revolution: eine Doppellichtschranke kombiniert mit einer Zielbildkamera, die den Einlauf der Sprinter genau festhält. Die Kamera hat Junghans selbst entwickelt – in Kooperation mit Kodak. Bihl durfte die Technik im Olympiastadion installieren und hat mitgemessen. "Wenn man bedenkt, morgens waren nur Vorläufe, und morgens um neun Uhr war das Stadion mit 80.000 Leuten besetzt" sagt Bihl. "Das war unglaublich! Eine Stimmung, schöner geht’s nicht! Schöner geht’s nicht, so etwas hab ich noch nie erlebt."

"In den Sechzigern bis Achtzigern war das eine Aufgabe der Uhrenfirma, diese Sportzeitmessungen erst einmal als Grundlage selber zu entwickeln", erklärt der Geschäftsführer der Uhrenfabrik Junghans in Schamberg, Matthias Stotz. "Da waren wir sehr aktiv, bis in Achtziger hinein, dann haben wir noch Formel 1 Sportzeitmessung gemacht." Danach sei die Sportzeitmessung immer spezieller geworden - mit Unternehmen, die sich nur noch mit Sportzeitmessung beschäftigten. Zu diesem Zeitpunkt habe sich Junghans zurückgezogen.

Eine weitere Weltneuheit bei Olympia

Wieder zurück bei Siemens im historischen Depot. Etwas versteckt steht ein Großrechner. Fünf Stück aus dieser Systemreihe wurden für rund 16 Millionen Deutsche Mark als Weltneuheit bei Olympia eingesetzt. Eine unscheinbare Kiste, doch darin versteckte sich das bislang größte Sportlexikon der Welt.

100 Programmierer hatten zwei Jahre lang 100.000 historische Wettkampfdaten und die Regeln aller Disziplinen der olympischen Spiele eingespeist, quasi ein Vorläufer von Wikipedia. Damit konnten aktuelle Ergebnisse und Informationen direkt im Stadion abgerufen werden.

Wirtschaftsverband: "Olympia hob das Image"

Beim Verband der Bayerischen Wirtschaft ist man sich der Signalwirkung von Olympia 1972 für den Freistaat bewusst., wie Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt bestätigt: "Zuallererst hat es das Image des Landes und damit auch das Image unserer Wirtschaft gehoben, zentral – Bayern weltoffen. Nachhaltig hängen geblieben ist, dass dadurch München, Bayern insgesamt zu einem zentralen Wirtschaftsstandort geworden ist, das waren wir vorher nicht."

Olympia 1972 war neben den sportlichen Rekorden also auch ein Schaufenster für technische Entwicklungen. Sie schrieben ein Stück Industriegeschichte und brachten der Wirtschaft einen kräftigen Schub.

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