Ausschnitt einer Klimaanlage
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Warum Kühlung bei Hitzewellen zum Problem wird

Hitzeperioden nehmen zu, gerade in Städten sehnen sich Menschen immer öfter nach Kühlung. Doch diese kostet viel Energie und Geld. Noch steht das Thema Kühlen im Schatten der Heiz-Debatten. Dabei gibt es bereits Fernkälte. Welche Chancen bietet sie?

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Während die Politik über das sogenannte Heizungsgesetz diskutiert, kommt mit den immer heißeren Sommern ein ganz neues Problem auf Deutschland zu: der Energiefresser Kühlung. Umweltschützer bemängeln, dass das Heizen und Kühlen nicht als ganzheitliches Problem angegangen werden, sondern der Schwerpunkt bislang stark auf dem Heizen liegt.

Kühlung rückt stärker in den Fokus

Tim Beer und seine Mitarbeiter von der Friess GmbH in München haben alle Hände voll zu tun. Denn sie installieren ein viel gefragtes Gut: Kühlgeräte für Gebäude. Und je wärmer es im Sommer wird, desto häufiger klingelt das Telefon. "Wir haben sehr gut zu tun, sind auch gut ausgebucht", sagt Tim Beer. "Die Klimaanlagen werden immer mehr nachgefragt. Es liegt wahrscheinlich bisschen an den extremen Hitzeperioden, die wir jetzt haben, in der letzten Zeit."

Es komme auch immer mehr der private Sektor dazu, sagt Beer. "In der Corona-Zeit kamen die Homeoffice-Arbeitsplätze. Unterm Dach wurde es heiß." Überdies seien da noch viele Senioren, die sich wegen gesundheitlicher Probleme bei der extremen Hitze Klimaanlagen anschafften.

Kühlung kostet viel Strom

Doch während die Klimaanlagen kühlen, laufen die Stromzähler heiß. In Wohnungen und Privathäusern setzt der Trend zur Raumkühlung erst ein – Experten erwarten hier gewaltige Steigerungsraten. Bei Büro- und Verwaltungsgebäuden sieht es schon jetzt anders aus: Hier haben laut Umweltbundesamt bereits rund die Hälfte der Gebäude Kühlanlagen – und die brauchen jede Menge Energie.

Martin Kriegel, Professor an der TU Berlin, beschäftigt sich mit dem Wärme- und Kältebedarf von Gebäuden. "Die vor mehreren Jahrzehnten gebauten Gebäude haben einen relativ hohen Glasanteil. Und vor allen Dingen haben sie einen hohen Dämmwert. Das heißt, sie sind auf den Heizungs-Wärmeverbrauch optimiert. Und wenn die Gebäude nun darauf optimiert sind, dass sie eben keine Wärme von innen nach außen lassen, dann bleibt diese Wärme im Raum und man spricht auch von einer Wärmefalle." Und das führe zu einem größeren Kältebedarf, erläutert Kriegel.

Umweltschützer fordern umfassende Konzepte

Im neuen Gebäudeenergiegesetz geht es vor allem ums Heizen. Von Gebäudekühlung ist kaum die Rede. Das sehen Umweltschützer mit Sorge. "Ich denke, dass man auf jeden Fall in Zukunft Wärme und Kälte stärker miteinander verzahnen sollte", sagt Sebastian Breer von der Umweltorganisation WWF. Es gehe um gemeinsame Konzepte, die nicht voneinander getrennt laufen. Man müsse ein gesamtheitliches Konzept der Wärme- oder Kälteversorgung durchdenken.

Fernkälte als Lösungsansatz

Am Potsdamer Platz in Berlin betreibt der Energieversorger Vattenfall eine Kältezentrale. Von dort aus werden rund 12.000 Büros und 1.000 Wohnungen mit Kälte versorgt. Zu den Kunden gehören die Zentrale der Deutschen Bahn ebenso wie das Sony Center oder die Berliner Philharmonie. Der Clou: Die zentrale Anlage arbeitet hocheffizient und braucht nur einen Bruchteil der Energie, die einzelne Kälteanlagen verbrauchen würden.

"Fernkälte hat natürlich durchaus Vorteile", sagt Daniel de Graaf vom Umweltbundesamt. "Es gibt Zahlen, dass man dort 40 Prozent der Energie einsparen kann gegenüber der individuellen Gebäudeversorgung. Leider ist in Deutschland das Konzept noch nicht weit verbreitet." Nur in wenigen Städten gibt es überhaupt Kältenetze. Und wenn, dann decken sie nur einzelne Gewerbegebiete oder Stadtteile ab.

Enormes Einsparpotenzial durch Fernkälte

Eines der größten Fernkältenetze hat München. Im Untergrund der Bayerischen Landeshauptstadt liegt ein Rohrleitungsnetz mit einer Länge von mehr als 23 Kilometern. Angeschlossen sind etwa Kaufhäuser, Bürogebäude, auch ein Hotel unweit des berühmten Hofbräuhauses.

Obwohl der Umbau mit hohen Kosten verbunden war, lohnt sich die Fernkälte nicht nur unter Klimaaspekten, sondern auch finanziell: "Wir haben circa 50.000 bis 60.000 Euro eingespart an Stromkosten – im Jahr", sagt Heiko Buchta vom Platzl Hotel in München.

Energieexperten: Es geht zu langsam voran

Eine Win-Win-Situation also für Kunden und Lieferanten. Und trotzdem findet die Fernkälte vergleichsweise wenig Beachtung. "Wir würden gerne viel schneller agieren", sagt Stefan Dworschak von den Stadtwerken München. "Es geht aus unserer Sicht noch ein bisschen zu langsam." Kälte habe aktuell nicht den Stellenwert wie das Thema Wärme beziehungsweise das Thema Heizen.

Für den Münchner Kältebau-Spezialisten Tim Beer und seine Kunden wäre Planungssicherheit wichtig. Vor allem, weil im Jahr 2030 viele Kältemittel für Klimaanlagen wegfallen. Dann nämlich sind die meisten heute verwendeten Stoffe verboten, weil sie als extrem klimaschädlich eingestuft werden.

Dieser Artikel ist erstmals am 29. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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