Die Vier-Tage-Woche bedeutet für Arbeitnehmer eine Umstellung
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Vier-Tage-Woche: Was bringen neue Arbeitszeitmodelle?

Arbeiten von Montag bis Donnerstag und dann drei Tage lang frei haben: Über die Vier-Tage-Woche wird diskutiert, mancherorts in Industrie und Handwerk wird sie auch ausprobiert. Doch nicht immer klappt es so, wie es sich die Beteiligten erträumen.

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Die Vier-Tage-Woche klingt für viele Arbeitnehmer verlockend. Doch kann das Konzept funktionieren? Die BR-Redaktion mehr/wert hat bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern nachgefragt.

Arbeitnehmer: Freier Freitag positiv

Manfred Decker ist seit 35 Jahren leidenschaftlicher Schreiner. Seit Neuestem arbeitet er nur noch von Montag bis Donnerstag. Denn seine Firma, die Schreinerei Mayr in Manching, hat die Vier-Tage-Woche zusammen mit der Belegschaft beschlossen. Das bedeutet: Deckers Arbeitstag beginnt schon um sechs Uhr früh und er muss dann täglich mehr sägen, schleifen und bohren, um das Freitags-Pensum reinzuholen.

"Ich hab da kein Problem damit, und das geht halt dann bis fünf", sagt Decker. Zwar seien die Arbeitstage lang, aber dafür habe man am Freitag frei. An diesem Tag könne man dann Sachen erledigen oder auch mal einen Kurzausflug mit der Familie planen.

Problem: Lange Arbeitszeiten pro Tag

Doch Arbeitsmarktexperten sehen in so einer Vier-Tage-Woche auch Gefahren. Zu lange Arbeitszeiten könnten die Leistung senken und der Gesundheit schaden.

"Bei gleichem Lohn müssten Arbeitnehmer die gleiche Arbeit in vier Tagen schaffen und ihre Produktivität um 25 Prozent steigern. Nur dann würde das Unternehmen keine Verluste einfahren. Das ist nicht realistisch", sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg.

Firmenchef: Keiner will zurück in die Fünf-Tage-Woche

Doch Firmenchef Andreas Mayr hat bisher gute Erfahrungen gemacht. Er selbst ist am Freitag im Einsatz, das Büro dadurch besetzt. Bislang sind ihm keine Kunden abgesprungen, wie er bestätigt.

Und trotz Zeitdruck sei der Mittelständler mit seinen 28 Mitarbeitern effektiv. "Bis jetzt ist es so, dass die Voraussetzungen sehr positiv sind und dass wir keine negativen Auswirkungen spüren. So wie es aussieht, will auch keiner mehr zurück in die Fünf-Tage Woche", sagt Mayr.

Vier-Tage-Woche: Argument bei Mitarbeitergewinnung

Die Automatisierung trägt zur Produktivität bei. Und die Vier-Tage-Woche ist in Zeiten von Fachkräftemangel ein gutes Argument, um vor allem jüngere Mitarbeiter zu gewinnen, die immer mehr auf die Work-Life-Balance achten. Im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben hat die Firma mehr Bewerbungen als freie Stellen. Bundesweit sieht das ganz anders aus. Hier fehlen in den Handwerksbetrieben 250.000 Fachkräfte.

Nach Meinung von Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages, soll es um das Thema Flexibilisierung der Arbeitszeiten gehen, bevor man über die Vier-Tage-Woche als Lösung spricht. "Das heißt für mich: über das Arbeitszeitgesetz zu reden. Unsere Forderung ist eigentlich, das europäische Arbeitszeitrecht zu nehmen. Das wäre hervorragend, weil es wird keine Höchstarbeitszeit festgelegt."

Gewünscht sind flexiblere Arbeitszeiten

Das mittelständische Familienunternehmen Ortmeier im schwäbischen Langenhaslach im Landkreis Günzburg schweißt und baut Industrieanlagen. Vor einem halben Jahr hat es die Vier-Tage-Woche eingeführt. Vor allem, um Energie zu sparen. Aber auch, weil eine Studie aus Großbritannien mit 2.900 Mitarbeitern in 61 Unternehmen belegt: Die Angestellten sind motivierter, weniger gestresst und fehlen seltener. 56 der 61 Unternehmen wollen an der Vier-Tage-Woche festhalten.

Doch Maschinenbauer Peter Conrad und seine Kollegen in Langenhaslach haben sich inzwischen gegen die Vier-Tage-Woche ausgesprochen – und für ein neues Arbeitszeitmodell. Optimal sei ein sehr flexibles Arbeiten, resümiert Conrad. "Dementsprechend kann man durch ein Geben und Nehmen auf die Bedürfnisse des anderen eingehen. Das soll so sein, dass es die Firma gegenüber dem Arbeiter macht. Aber auch der Arbeiter gegenüber der Firma, weil wenn der Auftrag fertig werden muss, dann bleibt man halt eine Stunde länger. Wenn es möglich ist."

Individuelle Lösungen für individuelle Bedürfnisse

So können die Mitarbeiter etwa beim mobilen Förderband zwar weiterhin an nur vier Tagen pro Woche arbeiten, müssen es aber nicht. Hauptsache, sie kommen am Monatsende auf ihr Pensum. Das ist Chefin Ramona Burghard wichtig. Die 31-jährige Betriebswirtin hat mit jedem Mitarbeiter individuelle Lösungen entwickelt. Denn die Nachteile einer Vier-Tage-Woche zeigten sich in ihrem Betrieb überraschend schnell.

"Die Tage waren sehr lange, die Mitarbeiter haben gesagt, sie werden sehr unproduktiv, ab 16 Uhr passieren viele Fehler, Freizeit ist auf der Strecke geblieben, das hätten sie selber so auch nicht gedacht. Und daher haben wir gesagt: Jeder Mitarbeiter hat seine eigenen Bedürfnisse und jeder kann so jetzt besser planen, wie es ihm am besten passt", erläutert Burghard.

Schreiner: Gewinn an Lebensqualität und Zeit

In der Schreinerei Mayr im oberbayerischen Manching freut sich Manfred Decker indessen schon donnerstags um 17 Uhr über seinen Feierabend, an dem ein langes Wochenende vor ihm liegt – mit genügend Zeit, um sich um Haushalt, Garten und die beiden Kinder zu kümmern.

Decker kann sich eine Fünf-Tage-Woche gar nicht mehr vorstellen. "Allein die Lebensqualität und die Zeit, die man mit seiner Familie mehr verbringen kann. Wenn man da Zeit gewinnt, ich glaube, nichts Schöneres kann es geben." Etwas Schöneres könne man sich wohl auch nicht kaufen, ergänzt Decker. "Das ist wirklich ein Geschenk der Vier-Tage-Woche. Und das genießen wir jetzt." Auch wenn er von Montag bis Donnerstag länger arbeiten muss: Für Manfred Decker ist die Vier-Tage-Woche ein großer Gewinn.

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