Junge Frau mit einer Tasse Kaffee auf einer Brücke in der Nürnberger Altstadt.
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Viktoriia Pechenieva aus dem ukrainischen Cherson hat über eine Zeitarbeitsfirma eine Stelle bei einem Versanddienstleister in Nürnberg bekommen.

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Ukraine-Flüchtlinge: Zeitarbeitsfirmen entlasten Jobcenter

Zehntausende Geflüchtete aus der Ukraine warten darauf, in den deutschen Arbeitsmarkt integriert zu werden. Doch die Jobcenter haben zu wenig Personal, um sie rasch zu vermitteln. Sie kooperieren deshalb mit der Zeitarbeitsbranche.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Im Oktober 2023 hatte die Bundesregierung einen "Job-Turbo" angekündigt. Das Ziel: Geflüchtete schneller in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Moment geht es vor allem um Ukraineflüchtlinge, von denen die meisten nun einen Deutschkurs absolviert haben. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte die Zeitarbeitsbranche sehr bewusst mit ins Boot geholt, um diese Personengruppe rasch aus dem Bürgergeldbezug in Beschäftigung zu bringen – selbst wenn noch Sprachdefizite bestehen.

Die Jobcenter haben in der Regel zu wenig Personal, um so viele Geflüchtete rasch in den Arbeitsmarkt zu bringen. Deshalb kooperieren sie mit externen Dienstleistern, darunter auch Zeitarbeitsfirmen, die eine schnelle Vermittlungsarbeit gewährleisten können.

Zeitarbeitsfirmen und Jobcenter arbeiten eng zusammen

Peter Blersch ist Deutschland Geschäftsführer der Adecco Group. Das Unternehmen ist ein großer Player in der Zeitarbeitsbranche – in Deutschland und weltweit. Von Tag eins des "Job-Turbos", erzählt Blersch, habe sich das Unternehmen bei Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit als Partner angeboten. Dazu gehöre auch die Selbstverpflichtung, bis Ende 2025 mindestens 10.000 geflüchtete Menschen im Arbeitsmarkt unterbringen zu wollen.

Adecco arbeite sehr eng mit den regionalen Jobcentern in Deutschland zusammen, so Blersch weiter, um möglichst viele Ukraineflüchtlinge bei den jeweiligen Kundenunternehmen vor Ort in Beschäftigung zu bringen. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Jobcentern bestehe schon seit Jahren, sagt Blersch, zum Beispiel bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen oder beim Thema Qualifizierung. Jetzt habe man die Kooperation noch einmal intensiviert.

Sprungbrett in den Arbeitsmarkt

Dass die Arbeitsmarktintegration über Zeitarbeitsfirmen funktioniert, zeigt der Fall von Viktoriia Pechenieva. Die junge Frau ist aus der ukrainischen Stadt Cherson geflohen und lebt jetzt in Nürnberg. Sie spricht gut Englisch, aber kaum Deutsch. Vor drei Monaten hatte sie sich auf die Stellenanzeige eines Versanddienstleisters beworben. Sie habe die Stelle bekommen, erzählt die 23-Jährige. Die Leute dort seien nett und sie werde genauso bezahlt wie die Festangestellten.

Das Stellenangebot des Versanddienstleisters lief über die Adecco Group. Die Ukrainerin wurde von dem Zeitarbeitsunternehmen sozialversicherungspflichtig eingestellt und befristet an den Versanddienstleister weitervermittelt.

Die Bandbreite an Firmen, mit denen große Personaldienstleister zusammenarbeiten, erhöht die Jobchancen für Geflüchtete deutlich. Insbesondere, wenn sie - wie Viktoriia Pechenieva - wenig Deutschkenntnisse haben und sich auf Englisch verständigen. Bereits im vergangenen Jahr habe Adecco mehr als 6.000 Menschen mit Fluchthintergrund zu einem Arbeitsplatz verholfen, bilanziert Deutschland-Chef Blersch.

Menschen in einem Unterrichtsraum
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Menschen in einem Unterrichtsraum

Entlohnung nach Tarifvertrag

Zeitarbeitnehmer seien bei der Adecco Group fest - also sozialversicherungspflichtig - angestellt, sagt Peter Blersch. Auch in verleihfreien Zeiten würden die Beschäftigten bezahlt. Und zwar nach dem für die Zeitarbeitsbranche geltenden Tarifvertrag. In der untersten Entgeltgruppe läge der Stundenverdienst bei 13,50 Euro, so Blersch weiter. Branchenbezogene Zulagen kämen bei längerer Beschäftigungszeit oben drauf. Vor allem Kundenunternehmen aus der Automobilbranche, Logistik und Industrieproduktion würden - über alle Qualifikationsstufen hinweg - temporär einstellen, sagt Blersch.

BA: Ukraineflüchtlinge profitieren von Zeitarbeit

Die wichtige Rolle der Zeitarbeitsbranche bei der Arbeitsmarktintegration von Ukraineflüchtlingen, betont auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg. Knapp zehn Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ukraineflüchtlinge kamen über die Zeitarbeit in einen Job. So das Ergebnis einer Beschäftigungsstatistik der BA, erstellt vom Beginn des Ukrainekriegs Ende Februar 2022 bis Ende Juni 2023.

Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles (SPD), sagte bei der Arbeitsmarktpressekonferenz in Nürnberg, gerade bei der Umsetzung des "Job-Turbos" zeige sich die Zeitarbeitsbranche sehr kooperativ. Sie habe einen überproportionalen Anteil an der Beschäftigung von Ukraineflüchtlingen und könne eine gute Brückenfunktion in den deutschen Arbeitsmarkt übernehmen.

Junge Ukrainerin kann durchstarten

Für Viktoriia Pechenieva hat sich der Arbeitsmarkteinstieg über das Zeitarbeitsunternehmen gelohnt. Schon nach drei Monaten temporärer Beschäftigung bei dem Versanddienstleister hat ihr dieser eine Festanstellung in Aussicht gestellt. Die 23-Jährige ist zuversichtlich, auf dem deutschen Arbeitsmarkt voranzukommen. zumal sie auch noch einen Bachelor der staatlichen Universität Cherson im Bereich "Management" in der Tasche hat.

Grafik: Entwicklung des Arbeitsmarktes im Zeitverlauf

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