Vermieterin Frau Cora Gundelfinger und Vermieter Hans-Peter Reck in ihren Wohnungen
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Risiko Mietwohnung: Wenn Vermieten zum Alptraum wird

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Risiko Mietwohnung: Wenn Vermieten zum Alptraum wird

In Deutschland werden mehr als 60 Prozent der Wohnungen von Privatleuten vermietet. Doch Schäden, Zahlungsausfälle und rechtliche Unsicherheiten frustrieren Eigentümer, wie Recherchen von Kontrovers – Die Story und report München zeigen.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Sobald Manfred Müller sein Zuhause betritt, fühlt er sich unwohl. Verzweifelt steht er im Garten des Drei-Familienhauses, das ihm gehört. Und fragt sich, wie es hier eigentlich weitergehen soll. Vor einigen Monaten hat Müller seine Dachgeschosswohnung neu vermietet und dafür bis heute keinen Cent Miete erhalten. Drei Monatsmieten, über 2.000 Euro Schulden und die Kaution stehen noch aus. Mehrmals hat der Vermieter versucht, seine Mieterin zu erreichen – vergeblich. Auch auf seine fristlose Kündigung reagiert die Frau nicht, obwohl sie im selben Haus mit ihrem Vermieter lebt.

Mietrückstände und Beschädigungen verursachen Vermietern hohe Kosten und Ärger

Der Fall Manfred Müller ist nur einer von vielen, wie Recherchen von Kontrovers – Die Story und dem ARD-Politikmagazin report München zeigen. Laut dem Verband der privaten Eigentümer, Haus und Grund, wohnen etwa 66 Prozent der Deutschen zur Miete. Die meisten von ihnen bei privaten Kleinvermietern, die häufig nur ein bis zwei Wohnungen besitzen.

Was auf den ersten Blick nach einem bequemen Zusatzeinkommen aussieht, kann – wie für Manfred Müller – zum Alptraum werden und den Vermieter viel Geld kosten. Denn in Deutschland sind Mieter gut geschützt. Selbst bei eklatanten Mietrückständen und mutwilligen Beschädigungen der Wohnung dauert es oft sehr lange, bis die Vermieter wieder Zugang zur Wohnung bekommen. Das kostet Geld und Nerven. Und so mancher Vermieter überlegt, ob er seine Wohnung nicht lieber leer stehen lässt.

Vermieter: "Ich bin nicht nur gefrustet, ich bin auch wütend"

Auch Manfred Müller hat schon mal darüber nachgedacht. Er lebt im Großraum Stuttgart, das Haus haben seine Eltern gebaut. Als Kind hat er mit seiner Familie selbst in der Dachgeschosswohnung gelebt. Die beiden unteren Etagen haben seine Eltern vermietet, bis ihr Haus abbezahlt war. Jetzt hat Manfred Müller das Haus geerbt und wohnt mit seiner Lebensgefährtin im Erdgeschoss, im ersten Stock lebt seine pflegebedürftige Mutter.

Das Dachgeschoss, so erzählt er es, wollte er an Menschen vermieten, die auf dem angespannten Wohnungsmarkt im Großraum Stuttgart wenig Chancen haben. "Ich bin ein sozialer Vermieter", sagt er. Er habe nach Sympathie entschieden und sich auf sein Bauchgefühl verlassen. Heute würde er sich eine Verdienstbescheinigung geben lassen und beim vorherigen Vermieter nachfragen. "Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin nicht nur gefrustet, ich bin auch wütend." Seine Mieterin war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Deutsches Wohnraummietrecht soll Mietern Sicherheit geben

Das geltende Wohnraummietrecht soll laut Bundesministerium für Justiz ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen der Mieter und Vermieter herstellen. Es gibt Mietern Sicherheiten und vor allem einen umfassenden Kündigungsschutz. Außerdem ist die Unverletzlichkeit der Wohnung im Grundgesetz geschützt. Vermieter dürfen die Wohnung ohne Einverständnis des Mieters nicht betreten. Selbst bei groben Schäden oder gar Todesfällen können sie nur mit behördlicher Unterstützung in die Wohnung.

Vermieterreport: Neun Prozent der Vermieter melden Probleme

Im Anfang März erschienen Vermieterreport des Instituts der deutschen Wirtschaft sagt die große Mehrheit zwar, sie sei zufrieden mit der aktuellen Vermietung ihrer Immobilie. Aber neun Prozent melden Probleme, sind unzufrieden oder sehr unzufrieden.

Zu ihnen gehören Oskar und Astrid Beck. "Wir haben das Vertrauen in das deutsche Justizsystem verloren", sagen sie heute. Mitten in München hatte das Ehepaar 100 Quadratmeter für 680 Euro vermietet. Große Wohnung, kleine Miete – dafür sollten die Mieter, ein Hausmeisterehepaar, die Hausmeister-Arbeiten übernehmen. So stand es im Vertrag. Doch als sich das Paar trennte, stellte der Mann die Hausmeistertätigkeiten ein – und blieb dennoch in der Wohnung.

Über sechs Jahre Streit, Räumungsklage und Anwaltskosten im fünfstelligen Bereich für Münchner Vermieter

Trotz Kündigung und erfolgreicher Räumungsklage hat es sie mehr als sechs Jahre und Anwaltskosten im fünfstelligen Bereich gekostet, bis der säumige Mieter aus ihrer Eigentumswohnung ausgezogen ist. Erst Anfang Januar durften sie ihre Wohnung wieder betreten. "Es war ein großer Wasserschaden. Den hat er angeblich gar nicht gemerkt, weil er beim Einlaufen der Badewanne das Bewusstsein verloren hat", erzählt Astrid Beck. "Aber noch schlimmer war: Er hat die Toilette verrückt und dann ist die Fäkalflüssigkeit durch die Decke durchgetröpfelt."

Der ehemalige Mieter steht heute unter Betreuung. Sein damaliger Berufsbetreuer und Anwalt weist die Vorwürfe zurück, andere seien maßlos übertrieben. Tatsache aber ist: Die Räumungsklage war erfolgreich. Jetzt muss aufwendig saniert werden.

Manche Vermieter wollen Wohnungen lieber leer stehen lassen

Kontrovers – Die Story und das ARD-Politmagazin haben mehrere solcher Fälle gesammelt. Sie offenbaren lange und teure Verfahren, hohe Räumungskosten und erhebliche Schäden in den Wohnungen. Und Vermieter, die aufgrund ihrer Erfahrungen nicht mehr vermieten wollen.

Auch für Hans-Peter Reck aus Gräfenberg kommt Vermieten in nächster Zeit nicht in Frage. Nachdem sein letzter Mieter das Haus mit gravierenden Schäden hinterlassen hatte, steht es nun leer. Dem Vermieter fehlt das Geld für die aufwendige Sanierung, die allein mit Mieteinnahmen nicht zu stemmen wäre. Außerdem hat er Angst vor schwierigen Mietern. "Es ist eine tolle Wohnung mit einem Fernblick oben im Dach, ein tolles Wohnambiente. Aber der Preis stimmt nicht", sagt er.

Mehrheit der Vermieter macht nach eigenen Angaben keinen Gewinn durch Miete

In einer aktuellen Vermieterbefragung von Haus und Grund gaben 35 Prozent an, keinen Gewinn zu machen. Fast 19 Prozent meldeten sogar Verluste, 12 Prozent wissen es nicht. Die übrigen 34 Prozent machen Gewinn, bei den meisten davon sind es einige Tausend Euro im Jahr.

Bei Mietsäumnis: Wenig Hoffnung auf schnelle Lösungen

Manfred Müller, der bis heute keinen Kontakt zu seiner säumigen Mieterin herstellen konnte, hat inzwischen einen Anwalt eingeschaltet. Doch dieser macht ihm wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung. Die Räumungsklage könne Monate dauern und bis zur Zwangsräumung würde weitere Zeit verstreichen, in der es keine Mieteinnahmen geben wird.

Der Anwalt rät dennoch dazu, unverzüglich zu handeln. Auch wenn Müller jetzt mit mehreren Tausend Euro Prozess- und Räumungskosten rechnen muss. "Also, dann verstehe ich, dass die Leute ihre Wohnungen nicht mehr vermieten, wenn sie nicht drauf angewiesen sind", sagt Manfred Müller und seufzt. Doch er braucht die Mieteinnahmen, denn er muss Rücklagen schaffen für die energetische Sanierung seines Hauses.

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