Ein älteres Paar sitzt auf einer Bank (Symbolbild)
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Künftige gesetzliche Rentenzahlungen sollen sich auch aus Kapitalerträgen speisen. So soll das System stabilisiert werden.

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Generationenkapital: Wie die Aktienrente funktionieren soll

Kapitalstock statt Steuerzuschuss: Für die Rentenversicherung des Bundes soll ein neues Sondervermögen eingerichtet werden. Hinter der geplanten Aktienrente soll ein Vermögenswert stehen: das "Generationenkapital".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland steht vor einem Dilemma: Immer mehr Rentenempfängern stehen immer weniger Beitragszahler gegenüber. Bisher ist das gesetzliche Rentensystem nach dem Umlageverfahren aufgebaut: Die Abgaben der Beitragszahler werden verwendet, um die Renten an die Empfänger auszuzahlen.

Gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr nachhaltig

Doch dieses Geld reicht schon jetzt nicht mehr aus. Im vergangenen Jahr hat der Steuerzahler über den Bundeshaushalt mehr als 100 Milliarden Euro als Bundeszuschuss in die Rentenkasse eingezahlt. Das entspricht etwa einem Drittel des gesamten Jahresvolumens der Rentenversicherung.

Weil in den kommenden Jahren immer mehr Beitragszahler in die Rente wechseln und immer weniger junge Beitragszahler "nachwachsen", könnte der Bundeszuschuss mittelfristig deutlich ansteigen - denn ansonsten müssten entweder die Rentenausgaben gesenkt oder die Einnahmen erhöht werden. Für beides sieht die Bundesregierung nur geringen Spielraum.

"Riester-Rente" und Co. wenig erfolgreich

In früheren Jahren wurde versucht, mit staatlichen Zuschüssen den Aufbau einer privaten Säule der Altersvorsorge anzustoßen. Doch diese Maßnahmen, wie etwa die "Riester-Rente", brachten nicht den erwarteten Erfolg. Die Ampelkoalition hat daher beschlossen, künftig einen staatlichen Kapitalstock zur Rentensicherung aufzubauen. Das Projekt startete unter der Bezeichnung "Aktienrente". Jetzt nennt es sich "Generationenkapital". Schon der neue Name soll signalisieren, dass es sich um eine Ergänzung des bestehenden umlagefinanzierten Systems handelt, das als "Generationenvertrag" bekannt ist.

Kapitalstock soll Rentenversicherung stabilisieren

Nach den schlechten Ergebnissen der Riester-Rente soll nun deutlich mehr Geld in den geplante Kapitalstock des Staates fließen. Bis 2035 könnten das in Summe 200 Milliarden Euro sein. Der Fonds startet in diesem Jahr mit zehn Milliarden Euro an Steuergeldern. 2024 sind bereits zwölf Milliarden Euro für das Generationenkapital geplant. Diese Staatseinlage könnte in den Folgejahren um jeweils drei Prozent steigen - wenn es nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums und des Arbeitsministeriums geht.

Einzahlungen keine Staatsschulden, sondern Vermögenswerte

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) befürwortet die vergleichsweise hohen Beiträge, die am Ende auf 15 Milliarden Euro im Jahr steigen sollen, weil er damit die staatliche Schuldenbremse einhalten kann. Formal gesehen würde der Staatsfonds vom Bund ein Darlehen erhalten und dafür statt Zinsen eine Ausschüttung für die Finanzierung der Rente leisten. Deren Höhe wird zwar vorher festgelegt, sie muss sich aber an den Erträgen orientieren, die der Fonds am Kapitalmarkt erwirtschaftet und an dem, was vom eingezahlten Kapital noch übrig ist.

Zentrale Rolle des Fondsmanagements

Dabei kommt es dann auf das Geschick von Fondsmanagern und –managerinnen an. Sie müssen auch in schwierigen Situationen wie in der Zinswende von 2022 versuchen, ihr Geld beisammen zuhalten. Für den Bund verursacht der Staatsfonds so lange keine Schulden, wie den Ausgaben, also den Zuschüssen für die gesetzliche Rentenversicherung, zusätzliche Rücklagen in mindestens gleicher Höhe gegenüberstehen. So lange spielt daher auch die im Grundgesetz festgelegte Schuldenbremse keine Rolle.

Wer für den Bund Fonds managt

Wenn der Bund große Geldvermögen managen muss, vertraut er auf Anja Mikus. So verantwortet die 67 Jahre alte Bankerin bereits den "Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo)" für die Altlasten der deutschen Atomkraftwerke. Von der Liquidität schüttet der Atomfonds jedes Jahr Erträge an den Bund aus.

Mikus hat lange Erfahrung bei Banken sammeln können und den staatlichen Atomfonds Kenfo seit seiner Auflegung 2017 geleitet. In diesen hatten private Kraftwerksbetreiber zuvor 24 Milliarden Euro eingezahlt. In seinen ersten fünf Jahren erzielte der Fonds jährlich rund acht Prozent Rendite, was ein vergleichsweise gutes Ergebnis ist. 2022 war für den Fonds jedoch ein Unglücksjahr, in dem durch Turbulenzen an den Kapitalmärkten 3,1 Milliarden Euro verloren gingen.

Staatlicher Atomfonds verlor in einem Jahr fast 13 Prozent

Aufgedeckt hatte das "Report Mainz". Das ARD-Fernsehmagazin hielt Mikus vor, dass der Kapitalstock von Kenfo nicht nur unter den abstürzenden Kursen von Staatsanleihen und Immobilienbeteiligungen litt, sondern auch überdurchschnittlich schlecht bei Aktienanlagen abschnitt. Im "Private Banking Magazin" verteidigte Mikus ihre Anlagestrategie: "In einem außerordentlich angespannten Marktumfeld haben wir Sorge dafür getragen, dass die Qualität der Anlagen weiterhin gewahrt und die Liquidität erhalten bleibt. Die Strategie einer ausgewogenen Vermögensstruktur bleibt auch nach einem schwierigen Anlagejahr wie 2022 langfristig richtig."

Staatsfonds für Rente aus Steuermitteln

Anders als beim schwedischen Staatsfonds, der als Vorbild für das Generationenkapital diente, werden in Deutschland nicht die Beitragszahler in die Pflicht genommen. Stattdessen will der Bund Steuermittel aufwenden, um das Rentensystem damit zu stabilisieren.

Deshalb spielt es auch mit Blick auf die Schuldenbremse rechtlich gesehen keine Rolle, ob der Bund die jährlichen Defizite der staatlichen Rentenversicherung direkt aus dem Haushalt ausgleicht, oder ob er das Geld vorher in einen Fonds einzahlt. Der kann zwischenzeitlich versuchen, mit Gewinnen am Kapitalmarkt mehr daraus zu machen - oder er kann eben auch Verluste erleiden. Dieses Risiko wollen aber bislang noch nicht alle Partner der Ampelkoalition mittragen, vor allem bei den Grünen regt sich Widerstand.

Pläne in Regierungskoalition umstritten

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck etwa hat bislang wenig Begeisterung dafür gezeigt. Habeck erwartet von Lindner stattdessen mehr Geld für eine zusätzliche Wirtschaftsförderung für die laufende Konjunktur, etwa durch Subventionen für einen Industriestrompreis und für Pläne wie etwa das Heizungsgesetz.

Generationenkapital oder Industriestrompreis und Heizwende?

Die Projekte beider Ministerien stehen nach Ansicht von Beobachtern im Bundeshalt in direkter Konkurrenz zueinander. Im schlimmsten Fall würden FDP und Grüne sich gegenseitig blockieren. Lindner kann als Finanzminister die Mehrausgaben für Habecks Konjunkturprogramm verhindern. Ohne die Stimmen der Grünen wird es dagegen schwer, einen großen Kapitalstock für den Rentenstaatsfonds aufzubauen. Und ein großes Volumen braucht es, damit das Generationenkapital einen nennenswerten Beitrag zur Entlastung der Sozialversicherung leisten kann.

Mit dem Generationenkapital die Sozialbeiträge stabilisieren

Woran das Projekt noch scheitern könnte, ist also nicht der Kapitalmarkt. Was dafür spricht, ist vor allem die geplante Beitragsstabilisierung für Unternehmen und ihre Beschäftigten. Die Sozialpartner zahlen hohe Abgaben - nicht nur für die Altersversorgung, sondern auch für Krankenversicherung und Pflege. Auch in diesen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung sind steigende Beiträge zu befürchten. Um wenigstens den Rentenbeitrag stabil zu halten, will der Bundesfinanzminister den Kapitalstock einsetzen.

Der zusätzliche Gewinn am Kapitalmarkt, den der Bund sich erhofft, würde die staatlichen Ausgleichszahlungen für das jährliche Defizit in der Rentenversicherung verringern. Und das im Idealfall bei stabilen Beiträgen für die Rentenversicherung. Sollte die Rechnung aufgehen, wäre das eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Im Bundeskabinett hat Finanzminister Lindner deshalb in Arbeitsminister Heil einen Verbündeten gefunden. Zu Heils wichtigsten Aufgaben gehört es, die Beiträge für Rente und Arbeitslosengeld sowie den Bundeszuschuss möglichst stabil zu halten.

Stärkt das Generationenkapital den Wirtschaftsstandort Deutschland?

In weiter steigenden Sozialbeiträgen sieht vor allem die FDP einen Faktor, der die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland gefährdet. Der Standort leide ohnehin schon unter den hohen Sozialabgaben, die zusammen mit den vergleichsweise hohen Steuern für Unternehmen sowie für mittlere und gehobene Einkommen zu einer höheren Gesamtbelastung führen als in vielen anderen Ländern. Das Generationenkapital könnte diesen negativen Standortfaktor ein Stück weit ausgleichen, so das Argument der Befürworter.

Dieser Artikel ist erstmals am 09.08.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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