Studentin Johanna Ostermair zeigt stolz ihre ersten selbst geernteten Spargelstangen.
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Studentin Johanna Ostermair zeigt stolz ihre ersten selbst geernteten Spargelstangen.

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Knochenjob Spargelernte: Acker statt Uni

Die Spargelernte ist mit wenigen ausländischen Saisonarbeitskräften kaum zu stemmen. Die Hoffnung: Studierende, die ihre Nebenjobs verloren haben, sollen auf dem Spargelfeld mit anpacken. Wie gelingt der Wechsel vom Hörsaal auf den Acker?

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

"Das ist eine Katastrophe, normal wären wir ja schon voll drin", beschreibt Landwirt Florian Kreiselmeyer aus Heilsbronn in Mittelfranken die Situation. Der kalte April macht ihm zu schaffen. Denn dadurch wächst der Spargel langsamer. Die Nachfrage ist groß, doch er kann sie nicht bedienen. Wenn das Wetter in den kommenden Wochen wärmer wird, löst sich das Problem. Doch dann steht er vor dem nächsten.

Unplanbarkeit macht Landwirtschaft zu schaffen

Denn auch das zweite Pandemiejahr erschwert die Ernte. Die Landwirtschaft ist auf ausländische Saisonarbeitskräfte angewiesen. Doch die Unsicherheit ist groß: Werden die Erntehelfer aus Osteuropa sicher einreisen können? Wird auch niemand Corona-positiv getestet? Obwohl Saisonarbeitskräfte in diesem Jahr ungehindert einreisen dürfen, kommen bei Weitem nicht alle.

Spargelernte ist harte Arbeit

Darum hat sich der Landwirt Florian Kreiselmeyer bereits im vergangenen Jahr bei der Plattform "Das Land hilft" angemeldet, eine Anzeige inseriert und nach Erntehelfern gesucht. Zuerst war er aber skeptisch: "... weil ich auch gesagt hab: Ich weiß nicht, ob das funktioniert. Und die haben dann auch mal gemerkt, was das für eine harte Arbeit ist." Er wünscht sich von den Helfern: "Tragt das bitte nach außen, weil viele Leute wissen das gar nicht."

Gesucht - Gefunden: Erntehelfer aus der Region

Die Jobplattform ist 2020 in der Corona-Krise entstanden und soll dabei helfen, die Ernte der Landwirte zu sichern, indem potentielle Erntehelfer mit Landwirten vernetzt werden. Für die Studentin Johanna Ostermair eine unerwartete Chance: Ihr ist in der Corona-Krise der Nebenjob in der Gastronomie weggebrochen. Als Studentin brauche sie Geld, Arbeit in Restaurants oder Bars gibt es derzeit jedoch nicht.

"Dann hab ich mich da angemeldet und hab nach kürzester Zeit so viele Rückmeldungen bekommen, dass ich eigentlich die freie Auswahl hatte, wo ich hingehen kann." Johanna Ostermair, Studentin

Erntehilfe unter Corona-Auflagen

Also tauscht die Studentin den Hörsaal gegen den Acker. Sie will einige Tage auf dem Hof der Familie Kreiselmeyer arbeiten und sie bei der Spargelernte unterstützen. Das BR Politikmagazin Kontrovers begleitet sie bei dem Projekt. Für die Arbeit auf dem Feld gelten auch in diesem Jahr strenge Regeln für Landwirte wie Familie Kreiselmeyer und Erntehelfer wie Johanna Ostermair. Ohne negativen Corona-Test darf Johanna nicht auf den Bauernhof. Außerdem wohnen Johanna und die anderen Erntehelfer in Einzelzimmern auf dem Hof.

Startschwierigkeiten auf dem Feld

Ausgestattet mit einem Spargelmesser startet die Studentin motiviert zu ihrem ersten Einsatz auf dem Feld. Eingearbeitet wird sie von erfahrenen Erntehelfern. Eine unerwartete Herausforderung ist es, den Spargel überhaupt zu finden: "Ich muss mehr drauf achten: wenn es da eine kleine Erhebung gibt, könnte man schon nochmal ein bisschen zur Sicherheit graben und schauen, ob da was ist." Doch auch nach stundenlanger Arbeit ist die Ausbeute an diesem Tag mager. Der Grund: Zwar speichert die Erde unter der Folie Wärme besser, doch die Sonne fehlte in den vergangenen Wochen.

Wetterbedingte Ernte-Rückschläge

Der wechselhafte und kalte April ist ein großes Problem für die Landwirte, denn der Spargel wächst dadurch sehr langsam, der Ertrag fällt geringer aus. Dennoch erhalten die Erntehelfer den Mindestlohn. "Das ist zwar jetzt nicht wirtschaftlich, aber wir sind froh um jede Stange," erzählt Landwirt Florian Kreiselmeyer. Denn die Nachfrage nach frischem Spargel ist bereits hoch. Nach drei Stunden Ernte haben die vier Erntehelfer nur zwei Kilo Spargel ernten können. Ein Minusgeschäft für die Landwirte.

Steigende Preise wegen Corona-Pandemie

Dazu kommen Corona-bedingt weitere finanzielle Belastungen, erzählt Landwirt Florian Kreiselmeyer. Denn Corona schlägt sich nicht nur bei der Arbeit auf dem Hof nieder. Auch die Kosten für etwa Maschinenwartungen sind durch die Pandemie gestiegen.

Eine wirtschaftlich schwierige Angelegenheit für die Landwirte. Kreiselmeyer sieht nur den Ausweg über die Preise: "Wenn wir die Kosten überall aufgebrummt bekommen, dann müssen das auch ein Stück weit weitergeben. Das muss nicht eins zu eins sein, aber irgendwo muss das wieder reinkommen. Im Endeffekt muss der Spargel etwas teurer werden. Das ist einfach so."

"Faire Mobilität" für Rechte von Erntehelfern

Nicht überall sind Saisonarbeiterinnen und -arbeiter gut aufgehoben. Im Gewerkschaftshaus in Nürnberg suchen Erntehelfer regelmäßig Hilfe bei der Initiative "Faire Mobilität". Bei diesen Arbeitern wurden dann häufig auf einmal weniger Stunden vergütet als tatsächlich gearbeitet wurden. Die Gewerkschaft sieht vor allem ein Problem im Abhängigkeitsverhältnis. Erntehelfer hätten eine sehr schwache Position auf dem Arbeitsmarkt. "Diese abhängige Beziehung zum Arbeitgeber führt dazu, dass die Arbeitnehmer auch die Ausbeutung in Kauf nehmen", bedauert Marius Hanganu vom Team "Faire Mobilität" im Interview mit dem Kontrovers. Den Weg vor das Arbeitsgericht scheuen jedoch viele Erntehelfer.

Acker statt Uni - Ein Erfolg?

Landwirt Florian Kreiselmeyer ist froh, dass junge Leute ihn bei der Ernte unterstützen wollen. Auch wenn die Skepsis zu Beginn groß war. Er erhofft sich, dass dieses Projekt sogar über die Erntehilfe hinaus Früchte tragen wird und mehr Anerkennung für die Arbeit in der Landwirtschaft bringen könnte: "Die haben dann auch mal gemerkt, was das für eine harte Arbeit ist." Zumindest bei der Aushilfs-Erntehelferin Johanna Ostermeier hat diese Arbeit auf dem Feld Eindruck hinterlassen:

"Man lernt dieses Nahrungsmittel mehr wertzuschätzen. Ich schau jetzt nicht, ach, krieg ich den billigsten Preis im Discounter oder so. Sondern das ist wirklich harte Arbeit und das hat auch seinen Preis verdient, dieses Produkt." Johanna Ostermeier, Studentin

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