Bei der Grundsteuer langen Städte und Gemeinden sehr unterschiedlich hin.
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Bei der Grundsteuer langen Städte und Gemeinden sehr unterschiedlich hin.

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Grundsteuer: Droht auch in Bayern ein "Erhöhungs-Tsunami"?

Am 30. April endete in Bayern die Abgabefrist zur Grundsteuererklärung. Nun steht die Reform an – und Eigentümer und Mieter fürchten höhere Steuern. BR24 hat die aktuellen Hebesätze bundesweit analysiert. Das Ergebnis: Bayern kommt ganz gut weg.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Noch haben sich bundesweit etwa zehn Prozent der Grundsteuerpflichtigen nicht erklärt, allein in Bayern fehlen den Finanzämtern noch rund 400.000 Erklärungen. Keine Überraschung ist das für Kai Warnecke, den Präsidenten des Immobilieneigentümerverbands Haus und Grund. Er urteilte bereits im Januar: "Die Grundsteuer ist viel zu kompliziert, intransparent und ungerecht." Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass ihre Rechtmäßigkeit durch das Bundesverfassungsgericht überprüft wird, entsprechende Rechtsgutachten liegen vor, Kläger haben sich bereits angekündigt.

Grundsteuer wichtige Einnahmequelle der Kommunen

Immerhin hat die Politik "Aufkommensneutralität" versprochen, wenn die neu berechnete Grundsteuer 2025 erstmals erhoben wird. Insgesamt soll dann nicht mehr Geld von den Steuerzahlern verlangt werden als im Vorjahr. Was allerdings nicht bedeutet, dass der Eine künftig mehr und die Andere weniger zahlen muss. Das hängt davon ab, ob sich die neu erhobenen Daten bestätigen oder nicht.

Und es gibt noch einen anderen Haken: Die Grundsteuer zählt für die Kommunen zu den wichtigsten Einnahmequellen. Und wie viel sie aus dieser Quelle schöpfen, beeinflussen Städte und Gemeinden selbst über den sogenannten "Hebesatz", den legen sie individuell fest. Dieser Hebesatz variiert im Bereich zwischen 0 und 1050 Prozent. Zur Ermittlung der fälligen Steuerlast multipliziert das Finanzamt den sogenannten Grundsteuermessbetrag mit dem Hebesatz. Auf diese Weise entsteht der Betrag der zu zahlenden Grundsteuer. Gut möglich also, dass manche Kommunen die Flucht nach vorn antreten und die verbleibende Zeit bis 2025 für saftige Erhöhungen nutzen.

Große Unterschiede zwischen den Bundesländern

Zum Teil ist das bundesweit bereits im vergangenen Jahr geschehen, wie eine aktuelle Analyse der Unternehmensberatung EY belegt. Nordrhein-Westfalen lag 2021 bei der für Eigentümer und Mieter relevanten Grundsteuer B bundesweit an der Spitze. Obwohl der durchschnittliche Hebesatz bereits bei 565 lag, hoben 26 Prozent der Kommunen ihren Hebesatz nochmals an. Auch im Saarland und in Rheinland-Pfalz gingen die Hebesätze deutlich in die Höhe, während Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen unter dem Bundesdurchschnitt von 391 lagen. Nach NRW gingen vor allem in Saarland (19 Prozent aller Gemeinden) und Rheinland-Pfalz (17 Prozent) die Hebesätze deutlich in die Höhe.

Bayern vergleichsweise günstig

Bayern empfahl sich 2022 noch mit einem Durchschnitts-Hebesatz von 352 als relativ günstiger Grundsteuer-Standort. Doch auch im Freistaat kam es in gut sieben Prozent der Kommunen zu massiven Erhöhungen, in 13 Fällen um 100 Prozent oder mehr. BR24 hat bei den betroffenen Gemeinden und Städten nach den Gründen gefragt. Neben kostspieligen Einzelmaßnahmen (etwa der Kauf eines teuren Seegrundstückes oder Sturmschäden) waren es Nachholeffekte, die zu solch drastischen Erhöhungen führten. Weil Kommunen grundsätzlich frei entscheiden können, wie hoch und wie oft sie an der Grundsteuer-Schraube drehen, gibt es auch ganz unterschiedliche Verfahrensweisen über lange Zeiträume.

Bei der Analyse der bayerischen Daten zeigt sich: Die große Mehrheit der Kommunen belässt die Grundsteuerhebesätze sehr lange unverändert, eine Minderheit erhöht stetig, aber maßvoll. Das führt in finanzknappen Zeiten wie diesen zu erratischen Sprüngen. "Baumaßnahmen und Personalkosten explodieren, uns steht das Wasser bis zum Hals", begründet zum Beispiel Jan König auf BR24-Nachfrage die Anhebung der Grundsteuer B. Er ist Erster Bürgermeister im mittelfränkischen Heroldsberg – wo die Steuer um 120 Prozent stieg.

Sucht man andererseits die besonders günstigen Standorte, dann fällt auf, dass im vergleichsweise reichen und teuren Oberbayern und vor allem im sogenannten "Speckgürtel" um München herum sehr niedrige Sätze erhoben werden. Beispielhaft dafür ist der bekannte Prominenten-Wohnort Grünwald mit einem Hebesatz von nur 200 im Jahr 2022.

Was passiert in 2023 und 2024?

Wird also jetzt und in naher Zukunft noch mal kräftig an der Grundsteuer-Schraube gedreht ? "Die Versuchung ist jedenfalls groß", erklärt Professor René Geißler, Experte für Kommunalfinanzen an der TH Wildau. "Weil es natürlich taktisch klug wäre und in vielen Kommunen die Grundsteuer relativ niedrig ist", sagt der Experte. Tatsächlich teils massive Grundsteuer-Erhöhungen meldet schon jetzt der Bund der Steuerzahler für die Bundesländer Bremen, Niedersachsen und vor allem Rheinland-Pfalz. Dort spricht man sogar von einem "Steuererhöhungs-Tsunami".

Anders ist die aktuelle Lage in Bayern. BR24 hat die Kämmereien der 10 größten kreisfreien Städte befragt, von München (Hebesatz B: 535) bis Bayreuth. Nur dort ist für 2023 ein Anstieg um 30 Punkte auf 430 beschlossen worden. Alle anderen Kommunen planen keine Änderung oder sind noch unentschieden.

Fazit: Kommunen warten ab und rechnen

Dies hängt auch mit dem Gebot der "Aufkommensneutralität" zusammen. Einige Bundesländer wie beispielsweise Brandenburg wollen mit sogenannten "Transparenzregistern" dafür sorgen, dass die Bürger im Internet nachvollziehen können, ob ihre Gemeinde ab 2025 bei der Grundsteuer wirklich in der Summe nicht teurer wird. Für Bayern plant das Landesamt für Steuern auf BR24-Anfrage Folgendes: "Als Serviceangebot sollen jeder Gemeinde auf entsprechende Nachfrage im Vorfeld Informationen zur Verfügung gestellt werden, welchen Hebesatz sie beschließen müsste, damit es bei einer aufkommensneutralen Grundsteuer bliebe."

Tatsache ist aber auch, dass die hebesatzautonomen Gemeinden frei entscheiden können. Mehr noch: Sollten sie in finanzielle Schieflage geraten, könnte sogar das Land einschreiten und eine Grundsteuererhöhung anordnen – so, wie es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen regelmäßig geschieht. Ein aktuelles Beispiel aus Bayern: Das oberfränkische Bad Alexandersbad wurde vergangenes Jahr von der staatlichen Kommunalaufsicht angewiesen, wegen der prekären Haushaltslage die Grundsteuer um 100 Hebesatzpunkte zu erhöhen.

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