„HelloBetter“ steht auf der App Anzeige eines Smartphones. Die Nutzung von ärztlich verschriebenen Gesundheits-Apps zieht an.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Annette Riedl

„HelloBetter“ steht auf der App Anzeige eines Smartphones. Die Nutzung von ärztlich verschriebenen Gesundheits-Apps zieht an.

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Gesundheits-Apps: Alternative zu Spritzen und Pillen?

Gesundheits-Apps gibt es unzählige. Doch es gibt auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prüft und zertifiziert. Was ist dran und wie funktioniert die digitale Behandlung?

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Digitale Gesundheitsanwendungen, kurz DiGa, sind Apps auf Rezept. Diese medizinischen Apps sind verschreibungspflichtig und versprechen nachweislich Besserung. Mehr als 50 sind derzeit gelistet. Aktuellen Studien zufolge sollen digitale Behandlungsformen sogar schneller die Intensität von Beschwerden verringern und die Lebensqualität steigern als nicht-digitale Therapieformen. Doch es gibt auch Kritik, wonach viele Gesundheits-Apps für Patienten nutzlos seien.

App als "digitaler Physiotherapeut"

Herbert Haas aus München kämpft seit 20 Jahren mit Rückenschmerzen. Jetzt nutzt er eine App, eine digitale Gesundheitsanwendung. Das Handy zeigt ihm Übungen, die er nachmachen soll. Sein Bewegungscoach ist eine App, ein "digitaler Physiotherapeut". Dieser kann in Echtzeit Bewegungen analysieren und visuell sowie sprachlich korrigieren, etwa für die richtige Ausführung der Übungen. Die App hilft Herbert Haas dabei, selbstständig und regelmäßig an seiner Rückengesundheit zu arbeiten, egal wo und egal wann.

Haas spürt die Auswirkungen körperlich, aber auch psychisch, wie er sagt: "Ich habe keine Knieprobleme mehr, ich habe keine Rückenprobleme mehr. Ich habe ein ganz anderes Körpergefühl. Und es wirkt sich auf die Psyche aus, es wirkt sich auf das Selbstbewusstsein aus, es wirkt sich auf den ganzen Alltag aus", ergänzt er.

Was bedeutet "App auf Rezept"?

Wer zum Beispiel eine chronische Erkrankung hat, dem können Apps auf Rezept vielleicht helfen. Es gibt über 50 davon für unterschiedliche Krankheitsbilder. Sie ersetzen nicht den Arzt oder Therapeuten, aber sie können Teil der Therapie sein. DiGA, also digitale Gesundheitsanwendungen, werden von Ärzten verschrieben – wie ein Medikament. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen die Kosten übernehmen.

Schmerzmediziner: "Chance für Selbstprävention"

Für den Schmerzmediziner Professor Thomas Tölle sind die digitalen Gesundheitsanwendungen ein Werkzeug der Zukunft. "Das ist die große Chance, die wir seit Jahren immer wieder fordern: Dass der Patient in eine Art Selbstprävention gebracht wird, dauerhaft lernt, für sich selbst zu sorgen." Dies sei sicherlich auch im Sinne der Krankenkassen. "Deswegen ist jede Art Verschreibung von einem solchen Tool eine Hilfe für die Fortentwicklung unseres Gesundheitssystems", resümiert Tölle.

Grundsätzlich übernehmen alle gesetzlichen Krankenkassen die Apps auf Rezept. Aber können die Medikamente und Operationen ersetzen? Und somit auch die Kassen entlasten? Noch fehlen Erfahrungswerte.

Wird die medizinische Versorgung durch Apps effizienter?

"Wir sind auch schon zufrieden damit, wenn gute Versorgungseffekte erzielt werden und die Compliance verbessert wird und dann damit die Krankheit verbessert wird und therapiert wird", erklärt Klaus Rupp, Leiter des Versorgungsmanagements bei der Techniker Krankenkasse (TK). Auf lange Sicht gehe es auch darum, ob auch die Versorgung effizienter werde, ob sich also Medikamente einsparen oder Krankenhausaufenthalte vermeiden ließen.

Nach aktuellem Stand der Wissenschaft hilft gegen chronische Schmerzen vor allem die sogenannte multimodale Therapie, die sowohl körperliches Training als auch Entspannung und Wissensvermittlung umfasst. Das Problem: Die Kapazitäten für solche meist stationären Therapieprogramme sind begrenzt und nicht für alle Patienten verfügbar. Konstantin Mehl, Gründer der Rücken-App Kaia Health war selbst Patient. Er weiß um die Schwierigkeit, Termine zu bekommen. "Wir haben nicht den Anspruch irgendjemanden zu ersetzen, sondern die Patienten sind unterversorgt und die Lücke versuchen wir zu schließen." Im Kaia-Health-Büro in München werden die Übungen unter fachlicher Aufsicht aufgezeichnet. Die App-Nutzer können sie dann im Rahmen ihres individuellen Trainingsplans abrufen.

Uniklinik Würzburg: Übungen mit VR-Brille und Avataren

Auch an der Uniklinik Würzburg läuft ein Versuch, mit digitaler Hilfe chronische Rückenschmerzen zu behandeln. Allerdings steckt man hier noch in der Frühphase. Das Konzept: VR-Brille auf und Abtauchen in die virtuelle Welt. Der Nutzer sieht dabei zwei virtuelle Avatare. Einer davon macht Übungen vor, der Nutzer selbst macht sie nach. Ein Radar zeigt an, ob der Nutzer die Bewegungen sauber ausführt.

"Man kriegt dauerhaft das visuelle Feedback, so dass man sich komplett auf diese Übungen konzentrieren und wirklich in jeder Situation an der Übung, an der Ausführung arbeiten kann", bewertet Patientin Adriana Salazar die Nutzung. Physiotherapeut Stefan Lindner begleitet diese Studie. Er überprüft, ob die Sensoren des Prototyps funktionieren und die richtigen Anweisungen gegeben werden. Er sieht die Entwicklung als "eine Möglichkeit neben der Physiotherapie, Bewegungen zu Hause auszuführen, die physiotherapeutisch ausgedacht sind, bei denen der Physiotherapeut nicht dabei sein muss."

Die Idee: In Bewegung bleiben

"Sich ins Bett legen ist total falsch. Sondern die Idee ist, in der Bewegungen zu bleiben", betont Professor Heike Rittner, Leiterin des Zentrums für interdisziplinäre Schmerzmedizin (ZiS) an der Uniklinik Würzburg. Dabei gehe es nicht darum, "massiv Übungen zu machen, so dass man am nächsten Tag gar nichts mehr tun kann. Aber grundsätzlich in Bewegung zu bleiben. Das erleichtert dieses System."

Sobald eine App als medizinische Anwendung zertifiziert ist, müssen die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Diese sind allerdings zum Teil sehr hoch, bis zu über 700 Euro im Monat pro Patient. Für das erste Jahr dürfen Hersteller den Preis ihres Produktes nahezu selbst bestimmen, um die hohen Entwicklungskosten zu decken. Die Krankenkassen sehen das kritisch, weil die Preisgestaltung sehr intransparent ist.

Apps: Wie steht es um das Kosten-Nutzen-Verhältnis?

"Wir möchten von Anfang an, dass sachgerechte Preise dann vereinbart werden, wie wir es in der anderen Versorgung, im Krankenhaus, bei den Ärzten, bei den Medikamenten auch haben und das muss dann austariert werden", sagt TK-Versorgungsmanagement-Leiter Rupp. "Und das muss dann auch zum Nutzen passen und die Vergleichbarkeit wahren zu der Versorgung, die wir ansonsten bei den Therapeuten im ärztlichen Bereich oder bei der Physiotherapie bezahlen." Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Apps müsse besser werden. Eine gesetzliche Neuregelung sei nötig.

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