Der angeschlagene Modehersteller Gerry Weber will einen Großteil seiner Geschäfte in Deutschland in den nächsten Monaten schließen. Insgesamt 122 der derzeit noch 171 eigenen Stores und Outlets sollen bis Ende September im Zuge der Sanierungsbemühungen aufgegeben werden, wie das Unternehmen mitteilte. Damit fallen auch rund 350 Vollzeitarbeitsplätze weg. Weitere 75 Stellen sollen in den Zentralbereichen in Halle (Westfalen) gestrichen werden.
Wie die Pressesprecherin auf BR-Anfrage mitteilte, werden in Bayern 13 Filialen beziehungsweise Outlets geschlossen, unter anderem in Nördlingen, Nürnberg (Mercado), Ingolstadt (Westpark) und Rosenheim. 14 Standorte werden demnach weitergeführt. Dazu zählen Bayreuth, Bernau am Chiemsee, Brunnthal und Garmisch-Partenkirchen.
Konzentration auf das Großhandelsgeschäft
Der Modehersteller werde sich in Zukunft wieder verstärkt auf das Großhandelsgeschäft konzentrieren und damit zu seinen Wurzeln zurückkehren, sagte Firmenchefin Angelika Schindler-Obenhaus. Im Filialgeschäft werde sich das Unternehmen auf den gesunden Kern beschränken und alle defizitären Standorte in Deutschland schließen. Der vor mehr als zehn Jahren eingeschlagene Kurs, immer mehr eigene Läden zu eröffnen, habe sich als nicht marktgerecht und zukunftsfähig erwiesen. Für den Stellenabbau seien bereits ein Interessenausgleich und ein Sozialplan mit dem Betriebsrat vereinbart worden.
Sanierungsexperte: Kurs "ohne Alternative"
Der vom Amtsgericht Essen im Zuge des Verfahrens bestellte Sanierungsexperte Stefan Meyer betonte, der jetzt eingeschlagene Kurs sei "ohne Alternative, um den erhaltenswerten Kern von Gerry Weber zu schützen und den Konzern für die Zukunft robust, belastbar und auf finanziell solidem Fundament im Markt zu platzieren".
Die Gerry Weber International AG hatte im April beim Essener Amtsgericht die Einleitung eines Sanierungsverfahrens nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) beantragt. Die Gerry Weber Retail GmbH, in der das Filialgeschäft gebündelt ist, hatte kurz darauf Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am Montag eröffnet. Erst vor gut drei Jahren hatte Gerry Weber schon einmal mithilfe eines Insolvenzverfahrens vor dem Aus gerettet werden müssen. Gerry Weber feierte erst Anfang März 50-jähriges Firmenjubiläum.
Die Gerry Weber International AG ist nach eigenen Angaben eines der größten Modeunternehmen Europas. Das Unternehmen verkauft demnach "Mode im Modern Classic Mainstream" in 54 Ländern. Gerhard Weber und Udo Hardieck hatten am 1. März in Halle/Westfalen die Hatex KG gegründet. Sie starteten mit der Herstellung und dem Vertrieb von Damenhosen. Den Markennamen Gerry Weber gibt es seit 1986, die Tochtermarke Taifun seit 1989. Anfang 2019 musste Gerry Weber bereits einmal Insolvenz anmelden, britische Investoren übernahmen das Unternehmen.
- Zum Artikel: Leere Regale, Tränen, Wut: Kaufhof in Nürnberg ist dicht
Mit Informationen von dpa und AFP
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