Eine Einkaufskiste mit Lebensmitteln steht auf einem Küchentisch.
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Die Inflation ging im September zurück, aber für Entwarnung ist es noch zu früh.

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Bundesbank zu Inflation: "Gieriges Biest noch nicht besiegt"

Die Inflationsrate hat im September mit 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr den niedrigsten Wert seit Beginn des Ukraine-Kriegs erreicht. Das Statistische Bundesamt bestätigte seine erste Schätzung.

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Die Inflation ist im September 2023 mit 4,5 Prozent durchschnittlicher Preissteigerung (im Vergleich zum September 2022) nicht mehr so hoch wie in den Vormonaten, dennoch haben sich die Verbraucherpreise im direkten Monatsvergleich gegenüber August weiter verteuert, um 0,3 Prozent. Die Bundesbank hatte dazu bereits gesagt, dass die Inflationsgefahr noch sehr hoch ist, auch wenn der Höhepunkt bei der Teuerung anscheinend hinter uns liegt.

September bestätigt Hoffnung auf niedrigere Inflation

Der Preisdruck hat im September weiter nachgelassen, aber der Anstieg ist immer noch stark. Die Inflationsrate sei auf dem niedrigsten Wert seit Kriegsbeginn in der Ukraine gefallen. Sie bleibe aber dennoch hoch, sagte Ruth Brand, die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes. In den beiden Vormonaten Juli und August lag die Jahresrate noch bei mehr als sechs Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Die Energiepreise haben sich im September weiter stabilisiert, bei plus ein Prozent zum Vorjahr. Dafür sind andere Waren immer noch erheblich teurer. Die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel seien für die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin besonders deutlich spürbar, so Brand weiter. Bei der Energie kostete Strom immer noch mehr als im Vorjahr, während Kraftstoffe und insbesondere Heizöl billiger wurden. Bei den Nahrungsmitteln betrug der Preisauftrieb insgesamt im September noch 7,5 Prozent, wobei es große Unterschiede gab. Süßwaren (+15,3 %) führen mit Brot und Getreide (+12,0 %) die Preislisten an, gefolgt von Fisch (+9,6 %) und Gemüse (+8,4 %). Günstiger waren vor allem Butter (-29,0 %) und Speiseöle.

Hohe Kernrate zeigt an, wie stark sich die Inflation verfestigt hat

Auch ohne die stark schwankenden Preise für Nahrungsmittel und Energie lag die sogenannte Kerninflation im September bei 4,6 Prozent und damit um einen Zehntelpunkt über dem Durchschnitt der Verbraucherpreise. Das verdeutlicht dem Statistischen Bundesamt zufolge, dass die Teuerung in anderen Güterbereichen weiterhin hoch ist, obwohl es auch hier einen deutlichen Rückgang gab - die Kerninflation betrug im August noch 5,5 Prozent. So waren zum Beispiel Dienstleistungen um 4,0 Prozent teurer als im September 2022.

Das zeigt, dass Unternehmen wie etwa Handwerker die gestiegenen Kosten, die sie anfangs vor allem wegen der Energiepreise und anderen Vorprodukten hatten, inzwischen an die Verbraucher als ihre Endkunden weitergeben. Solche Erhöhungen werden erfahrungsgemäß länger wirksam bleiben als die Energiepreise, die ihren Höhepunkt schon zum Jahreswechsel überschritten haben.

Bundesbank: Der Trend ist noch nicht gebrochen

Dazu sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel in einer Rede Anfang Oktober, beunruhigend sei die weiter sehr hohe Kernrate. Der Kampf ist nach seiner Einschätzung noch nicht gewonnen.

"Die Kernrate gibt ein aufschlussreiches Bild über den zugrundeliegenden Inflationstrend, und der ist offensichtlich noch nicht gebrochen. Mittlerweile sinkt die Inflation zwar wieder, besiegt ist das 'gierige Biest' aber noch nicht". Joachim Nagel, Bundesbank-Präsident

Der Bundesbankpräsident, der dem Rat der Europäischen Zentralbank angehört, ergänzte, dass die EZB bei den Zinsen den restriktiven Kurs fortsetzen müsse, bis sichergestellt sei, dass die Inflation wieder "zu unserem mittelfristigen Zielwert von 2 Prozent zurückkehrt". Bei diesem Wert herrscht nach Festlegung der Notenbank dann Geldwertstabilität.

Wie reagiert die EZB mit ihren Leitzinsen auf die jüngste Entwicklung?

Die Verbraucherpreise stiegen im gesamten Euroraum verglichen mit dem Vorjahresmonat um 4,3 Prozent im September, nach 5,2 Prozent im August, wie die Europäische Statistikbehörde Eurostat bereits mitgeteilt hatte. Das war immer noch gut doppelt so viel wie die Europäische Zentralbank mit ihrem Inflationsziel vorgibt.

Solange der Preisdruck nachlässt, könnte die EZB von weiteren Zinserhöhungen absehen, mit denen sie die Inflation bekämpfen will. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Zinsen auf absehbare Zeit wieder sinken - mit allen Konsequenzen, die das für Kredite und Wirtschaftswachstum hat. Die EZB hatte ihre Geldpolitik erst im September noch einmal verschärft und den wichtigsten Leitzins auf 4,5 Prozent angehoben.

Inflationsprognosen zeigen Entspannung erst für 2025 an

Die Währungshüter fassen bis zum Erreichen der Stabilität des Geldwerts einen Zeitraum von etwa zwei Jahren ins Auge. Das könnte funktionieren, wenn bestimmte Prognosen eintreffen. So rechnet die Europäische Kommission für 2024 in Deutschland mit einer Inflationsrate von nur noch 2,8 Prozent im Jahresdurchschnitt. Die Kommission geht vor allem von einem "allmählichen Rückgang der Warenpreise" aus, der dann zu einem Rückgang der Gesamtinflation führen soll. Bei den Dienstleistungen werden demnach eher höhere Preise erwartet.

In einer Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsinstitute in Deutschland von Ende September wird für das Jahr 2025 mit einer durchschnittlichen Inflationsrate unter zwei Prozent gerechnet. Solche Berechnungen sind wichtig für bestimmte Finanzmärkte, an denen vor allem Anleihen gehandelt werden. Denn diese spiegeln mit ihren Kursen bestimmte Inflationserwartungen wider. So lässt sich an der Rendite von Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten ablesen, ob eine Mehrheit der Anleger der Ansicht ist, dass die Notenbanken die Entwicklung der Inflation in den Griff bekommen. Das sind aber eher vage Konstruktionen, die hoch spekulativ sind und noch dazu ständigen Kursschwankungen unterliegen.

Schwieriger Umgang mit Inflationserwartungen in der Realwirtschaft

Solche Inflationserwartungen spielen in der Realwirtschaft, also für Unternehmen und Verbraucher, ebenfalls eine sehr große Rolle. Private Konsumenten denken viel über künftige Preise nach, etwa wenn sie einen Urlaub planen oder eine größere Anschaffung. Sie lassen sich dabei natürlich auch von den aktuellen Preisen leiten und von der Überlegung, ob diese Preise künftig stark steigen werden. Besonders auffällig ist das bei den schnell drehenden Waren des täglichen Bedarfs, die Verbraucherinnen und Verbraucher einfach sehr oft sehen und daher besonders gut im Gedächtnis behalten. So können hohe Lebensmittelpreise bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Einsparungen auch an ganz anderer Stelle führen. Das wiederum kann das Wirtschaftswachstum erheblich ausbremsen, weil die Nachfrage dann zurückgeht.

Künftige Preise werden häufig eher zu hoch als zu niedrig angesetzt

Für Unternehmen, wie etwa Handwerker, ist die Inflationserwartung wichtig bei der Kalkulation künftiger Preise. Wenn sie zu niedrig kalkulieren und ihnen die Preise zwischenzeitlich davonlaufen, drohen Gewinneinbußen, etwa weil Löhne und andere Kosten nicht mehr angemessen berücksichtigt wurden. Um auf der sicheren Seite zu sein, werden viele Anbieter ihre Preise deshalb lieber zu hoch als zu niedrig ansetzen, auch wenn das die Nachfrage belastet. Vereinfacht gesagt, will keiner der letzte sein, der seine Preise erhöht hat und deshalb nicht mehr viel daran verdient.

Hinzu kommt, dass in einer längeren Zeit mit immer steigenden Preisen viele Verbraucher sich daran gewöhnt haben, dass alles teurer wird. So werden selbst starke Anstiege eher als normal empfunden und vielleicht sogar akzeptiert. Alles das sind Faktoren, die sich gegenseitig verstärken können.

Problem: Die "gefühlte Inflation" der Konsumenten

Das Problem daran für die Notenbanken und andere Experten ist die fast unmögliche Messbarkeit dieser realen Inflationserwartungen, bei denen auch viele Emotionen mit hineinspielen. So gibt es das Phänomen der "gefühlten Inflation", dem auch Bundesbank und EZB bei Verbraucherinnen und Verbrauchern schon nachgespürt haben. Die Umfragen dazu ergaben aber, dass selbst in Zeiten mit einer außerordentlich niedrigen Inflation von einem Prozent oder sogar noch weniger die Befragten ihre gefühlte Inflation deutlich höher ansetzten. Unabhängig von ihrer persönlichen Situation erleben viele Menschen die Teuerung offenbar viel stärker, als es die Statistik widerspiegelt.

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