Portemonnaie mit Münzen
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Federico Gambarini

Deutschland gilt eigentlich als ein sehr reiches Land - trotzdem kämpft hierzulande ein Fünftel mit Armut oder sozialer Ausgrenzung (Symbolbild).

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Armut und Ausgrenzung: Jeder Fünfte in Deutschland ist bedroht

In den Urlaub fahren, regelmäßig neue Kleidung kaufen oder auswärts Essen gehen: Für viele Menschen in Deutschland ist das unmöglich. Laut Statistischem Bundesamt ist rund ein Fünftel der Bevölkerung von Armut bedroht. Doch ab wann ist man gefährdet?

Über dieses Thema berichtet: Nachrichten, Regionales, Wetter, Verkehr am .

In Deutschland waren im vergangenen Jahr rund 17,3 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das hat eine Auswertung des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden ergeben. Insgesamt entsprach das etwa einem Fünftel (20,9 Prozent) der Bevölkerung, so die Behörde.

  • Zum Artikel: "Armutsrisiken im Freistaat - Wie arm sind die Bayern wirklich?"

Wie wird Armut definiert? EU gibt Richtlinien

Im Vergleich zum Vorjahr blieben die Zahlen aber nahezu unverändert: So lag der Anteil in 2021 bei 21 Prozent. Die Statistiker bezogen sich bei ihren Daten auf erste Ergebnisse der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC). Wer als bedroht gilt, dafür gibt es in der EU klare Definitionen.

Demnach ist ein Mensch in der Europäischen Union von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen gegeben ist: Das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, der Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen oder die Person lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung. Auf manche Betroffene treffe nur eine der Bedingungen zu, bei anderen könnten es auch alle drei sein, hieß es vom Bundesamt.

Jede siebte Person in 2022 armutsgefährdet

Als armutsgefährdet gilt, wenn jemand über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert beispielsweise für Alleinlebende hierzulande bei 1.250 Euro netto im Monat. Bei zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren lag er bei 2.625 Euro netto im Monat. Konkret waren 2022 etwa 12,2 Millionen Menschen (14,7 Prozent) armutsgefährdet. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 hatte die Armutsgefährdungsquote 16 Prozent betragen.

Mehr Menschen leiden unter materieller und sozialer Entbehrung

Von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung waren im vergangenen Jahr den Daten zufolge 5,1 Millionen Menschen (6,1 Prozent) betroffen. Dieser Anteil hat sich seit 2021 leicht erhöht, damals waren es noch 4,3 Prozent.

Materielle oder soziale Entbehrung bedeutet, dass "die Lebensbedingungen der Menschen aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln deutlich eingeschränkt waren", erklärten die Statistiker. So seien sie beispielsweise nicht in der Lage, Rechnungen für Miete oder Hypotheken zu zahlen, eine Woche in den Urlaub zu fahren, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder einmal im Monat im Freundeskreis oder mit der Familie etwas essen oder trinken zu gehen.

Anteil der niedrigen Erwerbsbeteiligung ebenfalls leicht gestiegen

Etwa 9,7 Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren oder 6,1 Millionen Menschen in Deutschland lebten 2022 in einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung (2021: 9,5 Prozent). "Das heißt, die Haushaltsmitglieder waren insgesamt sehr wenig oder nicht in den Arbeitsmarkt eingebunden", so das Bundesamt.

Diese Situation liegt vor, wenn die Erwerbsbeteiligung der erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder zwischen 18 und 64 Jahren im Jahr vor der Erhebung weniger als 20 Prozent betrug. Das sei zum Beispiel der Fall gewesen, wenn in einem Haushalt mit zwei Personen in dieser Altersgruppe eine Person überhaupt nicht arbeitete und die andere insgesamt nur in vier von zwölf Monaten erwerbstätig war.

Vollständiger EU-Vergleich nicht möglich

Ein europaweiter Vergleich ist leider kaum möglich. Für die EU lagen für 2022 nur wenige Daten aus anderen Ländern zum Vergleich vor, nur etwa die Hälfte der Mitgliedsstaaten hatte bislang Ergebnisse veröffentlicht. Von den bislang vorliegenden Ergebnissen waren 2022 in Finnland die wenigsten Menschen anteilig von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht (16,3 Prozent). Am höchsten war der Anteil dagegen in Bulgarien mit 32,2 Prozent. Im Jahr 2021 hatte Deutschland mit einem Anteil von 21 Prozent knapp unter dem EU-Durchschnitt von 21,7 Prozent gelegen.

  • Zum Artikel: "Oxfam: Reiche immer reicher – gleichzeitig weltweit mehr Armut"

Im Audio: Wie Medien über Armut berichten

#ichbinarmutsbetroffen steht bei der Kundgebung der gleichnamigen Initiative am Bundeskanzleramt auf einem Transparent
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Paul Zinken
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Kundgebung der Initiative #ichbinarmutsbetroffen

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!