In den vergangenen Jahren nachdenklich: Kommt jetzt der große Moment für Pep Guardiola?
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In den vergangenen Jahren nachdenklich: Kommt jetzt der große Moment für Pep Guardiola?

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Guardiolas "Traum": Besiegt ManCity den Champions-League-Fluch?

Die Sehnsucht bei Manchester City ist riesig nach dem Champions-League-Titel. Doch wieder und wieder scheiterte das Team von Ex-Bayern-Coach Pep Guardiola und Kapitän Ilkay Gündogan trotz höchster Investitionen. Nun ist die Chance groß wie noch nie.

Über dieses Thema berichtet: BR24Sport am .

Irgendetwas lief immer schief in den vergangenen Jahren bei Manchester City. Da war das völlig überraschende wie krachende Aus gegen Olympique Lyon 2020, die heftige Last-Minute-Niederlage gegen Real Madrid vor einem Jahr im Halbfinale. Oder das Champions-League-Finale 2021, als der Trainer Pep Guardiola entschied, einfach ohne defensiven Mittelfeldspieler und ohne Mittelstürmer anzutreten - und stattdessen eine Armada an zentralen und offensiven Mittelfeldspielern aufstellte: Gegner Chelsea gewann 1:0 durch ein Tor von Kai Havertz. Es bleibt die bange Frage: Klappt es diesmal?

Manchester City - und die Jagd nach der Champions League, das war bislang die unerfüllteste Sehnsucht, seit es Fußball-Investoren gibt. Allein im vergangenen Jahrzehnt weist der Klub ein Transferminus von fast einer Milliarde Euro auf. Seit der Ankunft des Trainers Pep Guardiola 2016, nachdem dessen Vertrag beim FC Bayern München auslief, hat man ihm für Unsummen Wunschspieler verpflichtet, um sein Königsklassen-Gewinnerteam zu basteln.

Guardiola fordert "Besessenheit und Verlangen"

Und doch klappte der Triumph wieder und wieder nicht, blieb der silberne Henkelpott unerreichbar für die Cititzens - Züge eines Traumas. Aus dem dieses Mal endlich die Erfüllung eines Traums werden soll, findet Guardiola: "Wir sind bereit", sagt der Katalane einen Tag vor dem diesjährigen CL-Endspiel in Istanbul, das City gegen Inter Mailand bestreiten darf (Samstag ab 21 Uhr im Livecenter). "Es ist absolut ein Traum, und man braucht das richtige Maß an Besessenheit und Verlangen."

Zweimal hat Guardiola die Champions League gewinnen können, zuletzt 2011. Danach scheiterte er mit dem FC Bayern dreimal im Halbfinale. Mit City war er jüngst noch näher am Pokal. Doch ja, irgendetwas lief eben immer schief. Mal machte ein Spieler einen entscheidenden Fehler, mal durchdachte der Trainer, der jede Situation bis aufs Letzte durchdenken muss und die Kontrolle übers Spiel haben will, einfach zu viel.

Nun pflichtet ihm der Mittelfeldstar Kevin De Bruyne bei. "Wir müssen jetzt einen Weg finden, ihn zum ersten Mal zu gewinnen", sagt der Belgier: "Wenn wir es jetzt schaffen, wäre es sicher immens für den Klub, die Fans - das wäre ganz großartig."

Kapitän Ilkay Gündogan hat bereits zwei Trophäen empfangen

Für Guardiola ist es mit City schließlich schon der siebte, für De Bruyne der achte, für den Klub selbst der zwölfte Anlauf, Europas größten Fußballtitel zu gewinnen, seit dem Einstieg der Investorengruppe aus dem Emirat Abu Dhabi. Die übernahm den Verein im Jahr 2008 und fand nach ersten Finanzspritzen drei Jahre später erstmals den Weg in die Königsklasse.

Zur Wahrheit gehört auch: Die Chance war für die Mannschaft bislang noch nie so groß wie in diesem Jahr, wenn sie als turmhoher Favorit auf Inter Mailand trifft: Der deutsche City-Kapitän und Ex-Nürnberger Ilkay Gündogan hat in den vergangenen Wochen bereits das Double aus Meisterschaft und Pokal in England empfangen, jetzt soll die dritte Trophäe folgen.

Zudem marschierte das Team in dieser Spielzeit bislang schier unbeirrt durch die Champions League. Es stoppte unter anderem den FC Bayern München im Viertel- und Real Madrid im Halbfinale in überzeugender Manier.

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Haaland steht für Guardiolas Umdenken - und eine neue Stärke

Die neue Stärke des englischen Spitzenklubs ergibt sich auch daraus, dass Guardiola mittlerweile nicht mehr nur der spielerischen Klasse seiner Mannschaft vertraut. Er hat seine Doktrin des schönen, des perfekten, Spiels gar teilweise verworfen, weil das eben nicht immer erfolgreich ist. Es ist sein Kompromiss, um die Sehnsucht nach dem größten Titel Europas endlich zu stillen.

Dafür stellt er dem Team seit dieser Saison einen Vollstrecker, einen echten Mittelstürmer, zur Seite - und zwar den aktuell vermutlich besten der Welt: den Norweger Erling Haaland, für 75 Millionen Euro aus Dortmund abgelöst, der mit 36 Saisontoren schon in seiner ersten Spielzeit in England einen Premier-League-Rekord aufstellte. In der Champions League steht er aktuell bei zwölf Treffern in zehn Spielen.

Es wirkt nun so, als wäre damit aus dem jahrelang rein individuell stärksten Kader, der immer und immer wieder an besser harmonierenden Mannschaften scheiterte, in dieser Saison so auch das stärkste Kollektiv Europas erwachsen.

Weniger Kunst, mehr Stützpfeiler

Sollte der 22-jährige Haaland einmal nicht treffen, wartet hinter ihm zudem der wohl beste Back-up-Angreifer Europas: der argentinische Weltmeister Julian Alvarez, an dem der FC Bayern ein Interesse bekundet haben soll. Guardiola hat auf der Position also doppelt vorgesorgt. Allein der Umstand, dass der 52-jährige Verfechter der falschen, mitspielenden Neun, mittlerweile auf die echte Neun baut, sollte also Beweis dafür sein, dass er inzwischen Abstand genommen hat von so kruden, fixen Ideen wie 2021 gegen Chelsea.

Gegen Inter Mailand wird er mit Sicherheit auf Haaland setzen - und eben auch auf die defensive Absicherung Rodri, der den Technikern Gündogan und De Bruyne den Rücken freihält: weniger Kunst, mehr Stützpfeiler. Alles für diesen einen großen Traum.

Inters Plan gegen Haaland: Ruhe

Gegner Mailand will daher am Samstag vor allem den von Guardiola neu entdeckten Mittelstürmer in den Griff bekommen: "Wir haben ihn genau im Blick und etwas vorbereitet, um ihn ruhig zu halten", sagt Trainer Simone Inzaghi. "Fitness, Beine, Verstand und Herz" sollen seine Männer zum Sieg führen.

Und der Fakt, dass die Italiener als Verein etwas mehr Erfahrung mit erfolgreichen Henkelpott-Missionen mitbringen: Dreimal gewannen sie den Pokal schon, bei der bislang letzten Finalteilnahme 2010 bezwangen sie den FC Bayern München 2:0. Na ja, und vielleicht hoffen sie auch ein wenig, dass Guardiola in seinem zweiten Endspiel mit City allen Anzeichen zum Trotz doch wieder schwach wird und aufs schöne Spiel setzt.