Vorm Aussterben gerettet: Die Coburger Fuchsschafe von Tristan Wolf in Oberfranken
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Vorm Aussterben gerettet: Die Coburger Fuchsschafe von Tristan Wolf in Oberfranken

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Wolf und Schaf: Ist ein friedliches Miteinander möglich?

Nicht nur in Bayern sorgt der Wolf wieder für Aufruhr. Die einen wollen ihn schützen, die anderen fühlen sich bedroht. In der Bibel gibt es beim Propheten Jesaja das Ideal vom friedlichen Miteinander. Kann das Realität werden?

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Tristan Wolf ist kein Wolf im Schafspelz. Aber in seiner Herde in Oberfranken nahe Coburg hat er 30 bis 40 echte Schafe. Genauer gesagt: Coburger Fuchsschafe. Deren Fell wird wegen seiner Farbe auch "Goldenes Vlies" genannt.

"Sie kommen eigentlich mit schlechtem Wetter und Futterbedingungen zurecht und deswegen sind sie bei uns in der Landschaftspflege tätig", erklärt Tristan Wolf. "Da haben wir viele kleine Flächen, die gut mit Schafen beweidet werden können. So leisten die Schafe einen großen Beitrag für die Artenvielfalt.

Coburger Fuchsschaf: Früher vom Aussterben bedroht, jetzt vom Wolf

Seit den 1930er Jahren wären die Fuchsschafe fast ausgestorben. Mittlerweile gibt es wieder mehr Tiere, die Schafe stehen aber immer noch auf der Vorwarnstufe zur Roten Liste bedrohter Haustierarten.

Jetzt wurde auch im Raum Coburg der Wolf gesichtet. Der Schafzüchter ist besorgt: "Die Perspektive, wenn der Wolf sich bei uns mehr und mehr ansiedelt, ist dann schon, dass wir mit der Schafbeweidung im größeren Stil aufhören werden. Ich will meinen Tieren und mir nicht antun, früh auf die Weide zu kommen und ein Schlachtfeld vorzufinden." Herdenschutzzäune seien bei den vielen kleinen Flächen, die er bewirtschaftet, nicht praktikabel. Schutzhunde auch nicht.

Vom Schaf profitiert die Artenvielfalt

Tristan Wolf hat aber nicht nur Verantwortung für seine Schafe und die Erhaltung der alten Nutztierrasse, sondern auch für eine Wiese direkt an der Grenze zu Thüringen: "Bergklee, Nelken und Salzhornklee wachsen hier", zählt er auf. Letzterer steht in manchen Bundesländern auf der Roten Liste. Schafe verbreiten Samen über ihr Fell. So helfen sie dabei, seltene Arten zu erhalten.

Tristan Wolf fürchtet, dass dieses Biotop verbuschen könnte, wenn er die Weidehaltung aufgibt, weil der Wolf kommt. Damit würde Lebensraum etwa für den Salzhornklee verloren gehen. "Da verschwinden ganz viele andere Arten und da ist unsere Meinung, dass irgendwie ein gesundes Miteinander geschaffen werden muss. Und zwar nicht nur so, dass der Wolf in unseren Augen über alles gestellt wird."

Der Wolf hilft der Umwelt, indem er Wildbestände reguliert

Jonas Kaufmann ist beim BUND Naturschutz in Bayern Ansprechpartner für Oberfranken. Dass man in Umweltschutzkreisen den Wolf über andere Arten stelle, weist er von sich. "Sowas hören wir tatsächlich auch, aber da müssen wir klar sagen, dass das so nicht stimmt. Der Bund Naturschutz setzt sich massiv für die Weidetierhaltung im Allgemeinen ein, aber auch im Speziellen für den Herdenschutz."

Für Kaufmann hilft auch der Wolf der Umwelt, indem er Wildbestände reguliert und so dafür sorgt, dass junge Bäume wachsen können. Zugleich sieht er auch eine Verantwortung des Menschen gegenüber den Wölfen. "Der Wolf ist Teil dieser Natur. Er kommt hier natürlicherweise vor, so wie wir Menschen auch natürlicherweise hier leben und dadurch hat er natürlich auch ein gewisses Existenzrecht." Es sei also durchaus die Aufgabe der Gesellschaft und ihrer politischen Vertreter, auch dieses Tier zu schützen. In Bayern können Wölfe seit Frühling diesen Jahres schon dann abgeschossen werden, wenn er sich über Tage im Umkreis von weniger als 200 Metern von geschlossenen Ortschaften aufhält. Das sorgt allerdings auch für Kritik. Denn der Wolf ist in der EU durch Naturschutzgesetze geschützt.

In der Bibel sind sich Schaf und Wolf nicht zwangsläufig fremd

Verantwortung für ein Wildtier oder Verantwortung für ein Nutztier und sein Biotop: Was ist wichtiger? Rainer Hagencord leitet das Institut für Theologische Zoologie in Münster und hat sich nicht nur in seiner Dissertation, sondern auch in zahlreichen Schriften seitdem mit dem Verhältnis von Tier, Mensch und Gott beschäftigt. Als Theologe sind auch ihm Schaf und Wolf nicht fremd – zum Beispiel aus der Bibel. "Wir haben bei Jesaja auf der einen Seite eine ideale Welt, in der der Wolf sich mit dem Lamm anfreundet", erklärt er.

Der Prophet Jesaja habe natürlich gewusst, dass das nicht der Realität entspricht. "Aber Jesaja steht für eine Theologie, die jede Gewalt ablehnt", so Hagencord. Ein zweites Bild, das in der Bibel oft auftauche, sei das des guten Hirten. "Das heißt, dass ich als Hirte die Verantwortung für meine Schafe habe. Und da geht es auch darum, einen Wolf abzuwehren und im allerschlimmsten Fall auch das Lebensrecht meiner mir anvertrauten Tiere zu retten."

Die Bibel kennt also sowohl die Problematik der Hirten als auch das Ideal eines Miteinanders. Und das noch lange vor industrieller Tierhaltung und Artensterben. Hagencord rät daher heute dazu, dass Beteiligte wie Wolfsschützer, Schafhalter und Biotopschützer gemeinsam Entscheidungen treffen und nach Lösungen suchen. Dahinter steckt die Vorstellung einer "Zoopolis", also einer Gesellschaft, in der die Tiere nicht nur Objekte, sondern auch Subjekte sein sollen.

"Die Menschen haben die Natur gnadenlos romantisiert"

Daneben kritisiert Hagencord aber auch unseren falschen Blick auf die Natur als Idylle. "Der Wolf, der Bär, der Luchs, die zeigen uns, dass es in der Natur überhaupt nicht idyllisch zugeht." Die Menschen hätten die Natur gnadenlos romantisiert – auch als Folge einer großen Naturentfernung in den letzten 100 Jahren, in denen die Natur zu einem Rohstofflager degradiert worden sei.

Tristan Wolf will, wenn sein Namensvetter kommt, statt der Schafe mehr irische Dexter-Rinder halten. Die könnten zwar nicht seine Wiese beweiden und so vor Verbuschung schützen, aber hätten immerhin andere Vorteile. "Weil sie als Herdenverband ein bisschen stärker und dominanter sind und auch ihre Hörner haben und da den Wolf etwas abschrecken", hofft er.

In Zukunft wird jedenfalls noch viel diskutiert werden, wenn die Verantwortung für seltene Arten und Nutztierrassen gegen die für den Wolf steht. Letztendlich ist der Mensch gefragt, hier Kompromisse zu finden.

Rund um das Thema "Verantwortung" geht es in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch, 5. Juli 2023 um 19 Uhr im BR Fernsehen und in der ARD Mediathek.

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