Weitläufige Weiden im Gebirge machen den Herdenschutz schwierig
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Almweiden stellen Tierhalter beim Herdenschutz vor besondere Herausforderungen

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Schutz vor Wolf und Bär – Brauchen wir künftig Hirten?

Wie kann Weidevieh vor Wolfs- und Bärenattacken geschützt werden? Diese Frage treibt in Bayern vor allem die Almbauern um. Herdenschutzhunde und Elektrozäune am Berg halten viele für unrealistisch. Welche Rolle spielt der Mensch beim Herdenschutz?

Über dieses Thema berichtet: Münchner Runde am .

In Bayern gibt es knapp 1.500 Almen mit rund 60.000 Nutztieren. Die Herden halten sich im Sommer auf einer Fläche von insgesamt rund 90.000 Hektar auf. Das sind rund 126.000 Fußballfelder. Weitläufige, große Flächen, das hat Folgen für den Schutz der Tiere.

Bayerische Almen schwer zu schützen

Diese Weiden könnten nicht ohne Weiteres gezäunt werden, erklärt Stefan Köhler, Umweltpräsident beim Bayerischen Bauernverband. Die geologischen Gegebenheiten seien schwierig, es gebe Steillagen und steinigen Untergrund – die Errichtung eines elektrischen Herdenzauns sei deshalb in vielen Fällen unrealistisch.

Auch freilaufende Herdenschutzhunde seien in touristisch stark frequentierten Gegenden keine Option. Zu groß sei die Gefahr, dass die Tiere auch Wanderer und Mountainbiker angreifen, wenn diese der zu beschützenden Herde zu nahe kommen. Stefan Köhler ist überzeugt, dass andere Maßnahmen nötig sind, um "den Wolf zu erziehen". Bei einer Attacke müsse ein Abschuss unkompliziert möglich sein.

Mensch beim Herdenschutz mitdenken

Naturschützer setzen auf einen gut durchdachten Herdenschutz und sind überzeugt, dass dieser auch in bergigen Regionen funktionieren kann. Neben Zäunen und Herdenschutzhunden sollte dabei auch der Mensch eine zentrale Rolle spielen, meint Moritz Klose, Programmleiter Wildtiere Deutschland beim WWF - einer der größten internationalen Natur- und Umweltschutzorganisationen.

Schweiz: Herdenschutz staatlich organisiert

So gebe es in der Schweiz eine lange Tradition der Behirtung. Der Herdenschutz wird über eine zentrale, staatliche Stelle organisiert. Während der Almsaison im Sommer werden mehrere Herden zusammengelegt und von Hirten betreut. Diese werden von Herdenschutzhunden in ihrer Arbeit unterstützt.

Die hohen Kosten für die Behirtung, die von Kritikern immer wieder angeführt werden, räumt Klose ein. Die Anstellung eines Hirten ist erst ab einer Herdengröße von etwa 500 Tieren finanziell tragbar. Geld, das die Eidgenossen in die Hand nehmen, "weil Weidetierhaltung in der Schweiz eine wichtige Rolle spielt und auch in Anwesenheit von großen Beutegreifern funktionieren soll und kann".

Seit 2009 gibt es in der Schweiz einen staatlich organisierten Lehrgang zum Hirten. Vermittelt werden unter anderem Grundwissen der Alpwirtschaft, Tiergesundheit, Herdenführung und der Umgang mit Herdenschutzhunden. Teil der Ausbildung sind außerdem Wildtierkunde und die damit verbundene Gefahrenabschätzung.

Hinzu kommt die Praxisausbildung durch erfahrene Hirten: im Sommer auf der Alm, im Winter im Stall. Seit Einführung haben rund 80 Personen den Hirtenlehrgang abgeschlossen. 350 weitere haben zumindest einzelne Module besucht. Die Nachfrage nach Hirten in der Schweiz ist groß: In Graubünden werden mittlerweile rund 80 Prozent der gealpten Schafe ständig behirtet.

Naturschützer fordern mehr Engagement für den Herdenschutz

Moritz Klose bedauert, dass das Hirtentum in Bayern keine Tradition hat und auch nicht in Erwägung gezogen wird. Für ihn völlig unverständlich, denn im Rahmen der EU-Agrarförderung gäbe es auch Programme, die die Gehälter von Hirten bezahlen. Diese Mittel werden bislang aber von keinem Bundesland abgerufen. Die bayerische Politik habe es "verpasst, die Weidetierhalter auf die Rückkehr der großen Beutegreifer vorzubereiten". Es gebe keine umfangreichen Programme zur Finanzierung von Schutzmaßnahmen. Eine Förderung sei nur in ausgewiesenen Wolfsgebieten, aber nicht flächendeckend vorgesehen.

Die neue Wolfsverordnung, die die bayerische Staatsregierung vor wenigen Tagen verabschiedet hat, hält Klose für "fahrlässig". Den Weidetierhaltern werde "suggeriert, der Abschuss von Wölfen wäre eine Lösung für die Probleme zwischen Wolf und Weidehaltung". Bei einem Abschuss sei oft gar nicht klar, ob wirklich das Tier geschossen wird, das den Riss verursacht hat. Viele Tiere ziehen durch ganz Europa und legen dabei innerhalb kürzester Zeit große Strecken zurück. Der Abschuss als Lösung – so werde eine wichtige Chance verpasst, die Betriebe "wirklich vorzubereiten auf die die Rückkehr der großen Beutegreifer".

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