Die BRD-Nationalmannschaft von 1973 im Tonstudio.
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"Fußball ist unser Leben": Die BRD-Nationalmannschaft von 1973 im Tonstudio.

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Wie Pop und Fußball zueinander fanden

Das Buch "You'll never sing alone" von Gunnar Leue beleuchtet die symbiotische Beziehung von Sport und Musik, die bereits in den 1920ern in Großbritannien ihren Anfang nahm - von "Fußball ist unser Leben" bis Capital Bra.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Den legendären Radiokommentar von Herbert Zimmermann während des WM-Finales zwischen Deutschland und Ungarn 1954 in Bern dürften auch diejenigen schon mal gehört haben, die sich sonst wenig bis gar nicht für Fußball interessieren.

Aber wer von Ihnen wusste, dass diese Radioreportage 36 Jahre später, zur Männer-WM 1990, vom Journalisten Friedrich Küppersbusch als Sample-Material genutzt wurde, um daraus einen Elektro-Pop-Song zu basteln? Diese Art von eher nutzlosem, aber faszinierendem Nischenwissen platziert der Autor und Fußball-Nerd Gunnar Leue in seinem Buch "You'll never sing alone" immer wieder. Auf 250 Seiten erzählt Leue zahllose Geschichten von singenden Fußballern, Fußball-versessenen Musikerinnen und Musikern und Popsongs, die zu Fußball-Songs wurden.

Parallele Entwicklung von Pop und Fußball

Man lernt, wie sich Anfang der 1920er Jahre in britischen Fußballstadien das sogenannte "Community Singing" verbreitete. Um nach dem Ersten Weltkrieg das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, wurden bei großen Fußballspielen Heftchen mit den Volkslied-Texten verteilt - und dem gemeinsamen Singen im Fußball-Kontext zum ersten Mal ein Rahmen gegeben.

Die musikalischen Experimente der ersten Generation der FC Bayern-Superstars Franz Beckenbauer und Gerd Müller werden in "You'll never sing alone" ebenfalls thematisiert. Aber die Songs werden nicht nur erwähnt, sondern auch ins sportliche und popkulturelle Zeitgeschehen eingeordnet - genauso wie die Gemeinsamkeiten zwischen modernen Fußball-Ikonen wie Karim Benzema und Deutschrappern mit Migrationsgeschichte. Der Journalist Leue schildert - chronologisch vorgehend und mit einer mühelosen Art - wie sich der Fußball, die Popmusik und die Medienlandschaft im letzten Jahrhundert parallel zueinander entwickelt und aufeinander eingewirkt haben.

Eventisierung verdrängt Fan-Kreativität

Dabei beschränkt er sich größtenteils auf den Männerfußball im westeuropäischen Raum, schafft es aber immer wieder, den Blick zu weiten und zum Beispiel auf den allerersten Frauenfußball-Hype in Großbritannien zwischen 1917 und 1922 hinzuweisen. Die verkalkte Haltung des Deutschen Fußballbundes gegenüber dem Frauenfußball kritisiert Leue mehrmals, genauso wie die zunehmende Eventisierung des Sports, die den Fans immer weniger Platz einräumt, ihre eigene Kreativität einzubringen.

Das Themenfeld, das Gunnar Leue mit "You'll never sing alone" beackert, ist riesig. Einige der gesammelten kuriosen Wissens-Schnipsel hätte man eventuell weglassen können, um dafür die gestalterische Rolle der Fans noch mehr auszuarbeiten. Zumal Leue sie doch für die Entwicklung und Erhaltung der Fußballkultur für unabdingbar hält. Aber auch so bietet dieses Buch eine fantastische Steilvorlage für Entdeckungs-Reisen bei YouTube und sorgt vielleicht dafür, dass man beim nächsten Fußballspiel nicht nur hinschaut, sondern auch hinhört.

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