TV-Moderatorin und Journalistin Dina Wohnh in der Ukraine
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Hat einen der Briefe verfasst: TV-Moderatorin und Journalistin Dina Wohnh

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"Wie ein Lichtstrahl in der Finsternis": Briefe aus dem Krieg

Das Buch "Wie ein Lichtstrahl in der Finsternis" gibt 38 ukrainischen Autorinnen eine Stimme - indem sie sich per Brief direkt an die Leserschaft richten.

Über dieses Thema berichtet: Kulturjournal am .

Auf eine mögliche Evakuierung hatte sich Marjana vorbereitet. Sie hätte keinen Zweifel daran gehabt, dass Russland die Ukraine irgendwann angreifen werde, schreibt die Journalistin aus Kiew in einem langen Brief. Sie erwähnt den roten Benzinkanister, den sie schon einen Monat vor dem Beginn der russischen Invasion im Kofferraum ihres Autos deponierte, ebenso den gepackten Koffer und eine schwarze Mappe mit ihren persönlichen Dokumenten. Sie berichtet vom Aufbruch.

"Ihr Brief hat etwas Besonderes – im Sinne davon, das sie von starken, zeitlosen Themen spricht wie Religion, Tod, Liebe. Aber auch von kleinen Details des Alltags. Sie erzählt, dass sie Ende Februar ihre Wohnung verlassen hat und vorher noch einmal die Blumen gegossen hat. Sie wusste, sie würde nicht zurückkehren. Aber sie wollte noch einmal die Blumen gießen. Der Brief ist besonders, weil sie noch Hoffnung hat", sagt die französische Publizistin Aurélie Bros, die Marjana zum Schreiben animiert hat. Mit ihr viele weitere Frauen – darunter Journalistinnen, Lehrinnen, Studentinnen, Models, Unternehmerinnen, eine Soldatin.

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Buch "Wie ein Lichtstrahl in der Finsternis"

Briefe an die freie Welt

Auch Schülerinnen kommen zu Wort im Buch "Wie ein Lichtstrahl in der Finsternis". Eine besondere Chronik - der Dokumente, aber auch der eindrücklichen Schwarz-Weiß-Fotografien der Briefschreiberinnen wegen. Aurélie Bros war bei Kriegsbeginn für ein Hilfsprogramm der Zeitung "Handelsblatt" tätig, organisierte Unterstützung für ukrainische Journalistinnen und Journalisten. Dabei entstand die Idee, Frauen und Mädchen aus der Ukraine um Briefe an die freie Welt zu bitten, erzählt Bros: "Vielleicht müssen wir einfach anfangen, diesen Frauen zuzuhören. Am Anfang hat jeder Fernseh-Sender, jedes Radio natürlich mit Experten und Politikern gesprochen – um einfach zu verstehen: Warum ist das geschehen? Aber nach einer Weile muss man akzeptieren: Diejenigen, die das persönlich erleben, können das auch gut erklären."

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Herausgeberin Aurélie Bros

Die Briefschreiberinnen, deren Berichte Aurélie Bros gesammelt hat, kommen aus der ganzen Ukraine, auch aus den Gebieten, die sich seit dem vergangenen Jahr unter russischer Besatzung befinden. Ebenso schreiben Frauen und Mädchen, die ins Ausland geflohen sind und derzeit beispielsweise in Polen oder in Deutschland leben.

In einer Fernseh-Dokumentation wurde die Briefsammlerin auf die Singer/Songwriterin Jerry Heil aufmerksam, schrieb sie an und traf sie in Berlin. Auch sie berichtet von den ersten Kriegstagen: "Sie erzählt in dem Brief, jeder kann Französisch, Italienisch oder Englisch erkennen. Ukrainisch nicht. Und ihr Ziel ist, dafür zu sorgen, dass die Welt die ukrainische Kultur entdecken und erleben kann. Deswegen hat sie das Lied 'Call me Freedom' für das Buch komponiert. Sie wollte Hoffnung geben. Jede Frau in dem Buch versucht, Hoffnung zu haben, versucht, etwas zu machen, um das Land zu unterstützen."

"Und dann kommt die Angst wieder"

Der Brief von Jerry Heil stammt vom August des vergangenen Jahres und beginnt in der Hoffnung, der Krieg möge vorbei sein, wenn wir ihre Zeilen lesen. Sie hat sich bislang nicht erfüllt, die Menschen im von Russland angegriffenen Land blicken dem zweiten Kriegswinter entgegen. Aurélie Bros erzählt, mit vielen der Briefschreiberinnen sei sie weiter in Kontakt: "Es gibt die Schockphase, wo jeder ängstlich wird und nicht weiß, wie es weitergeht. Angst ist extrem spürbar.

Dann kommt die zweite Phase, in der die Akzeptanz da ist. Die Leute haben immer noch Angst. Aber die Fragen verändern sich: Wie kann ich mit dem Alltag zurecht kommen? Wie kann ich meine Routine haben? Und dann kommt die Phase, wo die Ukrainer auch bemerken, dass das Interesse im Westen für den Krieg langsam sinkt. Und dann kommt die Angst wieder. Aber eine andere Angst."

Manche der Briefe, die Aurélie Bros gesammelt hat, sind voller Dunkelheit. Etwa der von Kristina, die nach Ingolstadt geflohen ist und von der Zerstörung Mariupols durch die russischen Truppen erzählt – und ebenso von den Anstrengungen, die belagerte Stadt zu verlassen. Zugleich wird immer wieder eine Vision beschworen: Marjana, die Journalistin aus Kiew, schließt ihren Brief mit dem Wunsch, sie möchte, dass alle Ukrainer in Sicherheit, Frieden und Ruhe leben können – in einem freien Land. Sie bittet die freie Welt um Unterstützung.

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