Szene aus dem Zeichentrickfilm "Micky, Donald, Goofy: Die Drei Musketiere".
Bildrechte: Walt Disney Company/dpa

Vor 100 Jahren gründeten die Brüder Walt und Roy Disney ihre Firma für Zeichentrickfilme.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Warum Schwarzenbach an der Saale 100 Jahre Disney feiert

Walt Disney selbst war zwar nie Oberfranken – aber Schwarzenbach an der Saale spielt für das Comic-Imperium eine ganz besondere Rolle. In der Kleinstadt lebte einst Erika Fuchs, die für die Disney-Comics in Deutschland entscheidend war.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Der 16. Oktober 1923 – für Comic-Fans ist das ein wichtiges Datum: Vor 100 Jahren gründeten die Brüder Walt und Roy Disney ihre Firma für Zeichentrickfilme. Inzwischen ist daraus ein großer Konzern gewachsen. Rund um den Globus gibt es zum 100-jährigen Bestehen viele Veranstaltungen, auch in Schwarzenbach an der Saale im Landkreis Hof. Denn die oberfränkische Kleinstadt gilt als das "deutsche Entenhausen".

Erika Fuchs: Die Übersetzerin der Micky-Maus-Comics

In Schwarzenbach an der Saale lebte lange Jahre die Übersetzerin Erika Fuchs, die im Jahr 2005 verstarb. Sie war die Erste, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Disney-Comics ins Deutsche übertrug. Mehrere Jahrzehnte lang prägte sie mit ihrem ganz besonderen Sprachwitz die Geschichten von Donald, Mickey und Co. Daran erinnert heute das Erika-Fuchs-Haus – Deutschlands erstes Comic-Museum. "Durch Erika Fuchs ist ein Stück dieses Disney-Glamours in Schwarzenbach gelandet", erklärt die Museumsleiterin des Erika-Fuchs-Hauses, Joanna Straczowski, im Gespräch mit BR24.

Diese einzigartige Verbindung zwischen Disney und Deutschland beleuchtet das Erika-Fuchs-Haus nun in einer Sonderausstellung. Für "100 Jahre Disney" öffnet Museumsleiterin Joanna Straczowski quasi die Schatzkammer. Im Museumskeller lagern in schlichten Pappkartons und Umzugskisten viele Raritäten. Vorsichtig packt Straczowski zum Beispiel ein Buch aus, blättert es behutsam mit weißen Spezial-Handschuhen auf: "Das ist eines unserer ältesten Exemplare, es stammt aus London aus dem Jahr 1937."

Die zerfledderten Seiten beweisen: Diese Gute-Nacht-Geschichten mit Mickey-Maus-Illustrationen sind wohl sehr oft vorgelesen worden. Jahrzehnte später ist das Kinderbuch jetzt Blickfang in der Disney-Sonderausstellung in Schwarzenbach. Eine wahre Schatzkiste, denn der Großteil der Exponate wurde bisher noch nicht gezeigt, so Joanna Straczowski. Im Depot lagern schätzungsweise 60.000 Stücke. Aus diesem schier unerschöpflichen Fundus sind jetzt in der Sonderausstellung einige hundert Besonderheiten zu sehen. Etwa ein aufziehbares Dreirad aus Korea, auf dem die Mickey-Maus schon seit 80 Jahren ihre Runden dreht, wertvolle Donald-Duck-Porzellanfiguren von 2020 oder ein Wackel-Pluto.

"Wer ein Mickey-Maus-Heft hatte, war der King"

Viele der Exponate hat Gerhard Severin zusammengetragen. Der heute 69-jährige Jurist hat seine Sammlung dem Erika-Fuchs-Haus als Grundstock überlassen, damit 2015 das Museum eröffnet werden konnte, hat sich dafür extra von Ingolstadt ans Amtsgericht Hof versetzen lassen. Schon als kleiner Junge war er ein begeisterter Comic-Leser, sparte sein Taschengeld für dieses Vergnügen: "1951 hat ein Mickey-Maus-Heft 75 Pfennige gekostet, damals gab es die Semmel für zwei Pfennig. Wer ein Mickey-Maus-Heft hatte, war der King. Wir haben schon als Kinder gemerkt: Diese Geschichten sind was Besonderes."

Walt Disney selbst interessierte sich gar nicht so sehr für die Comics, erklärt Museumsleiterin Joanna Straczowski. Der Filmproduzent habe die Hefte und die verschiedenen Figuren in allen Variationen vor allem aus wirtschaftlichen Gründen in die ganze Welt gebracht. "Die Comic-Strips waren für ihn eigentlich nebensächlich. Disney brachte 1937 Schneewittchen als ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm auf die Leinwand, produzierte immer aufwändigere Filme. Dafür brauchte er das Geld aus dem Merchandising."

Fragwürdige Comics: Donald Duck und die Atombombe

Die Ausstellung, die in Schwarzenbach an der Saale bis Anfang April 2024 zu sehen ist, will keine Disney-Werbeveranstaltung sein – sondern den besonderen Bezug zwischen Walt Disney und der oberfränkischen Kleinstadt in den Blick rücken, betont Museumsleiterin Straczowski. Die Ausstellung will auch die kritischen Seiten des Disney-Imperiums beleuchten. Zu sehen ist unter anderem ein Comic von 1947, in dem Donald ganz unbedarft eine Atombombe bastelt – gerade mal zwei Jahre nach der Atom-Katastrophe in Hiroshima und Nagasaki. Begleitend zur Ausstellung kommen Comic-Experten aus ganz Deutschland und sprechen über den Kulturkampf und Zensur bei Disney oder erklären, wie neue Geschichten rund um Donald, Mickey und Co. entstehen.

Nicht nur Schwarzenbach, sondern halb Oberfranken sieht sich mitunter als Entenhausen – die Übersetzerin Erika Fuchs hat die Erlebnisse von Donald und Co. in die Region zwischen Fichtelgebirge und Frankenwald verlegt, Onkel Dagobert betreibt zum Beispiel am Ochsenkopf einen Skilift, die Panzerknacker sind auf der legendären Zugstrecke "Schiefe Ebene" unterwegs. Fuchs hat auch Zitate von Klassikern wie Shakespeare und Schiller in ihre deutsche Fassung der US-Comics eingebaut und wird bis heute von Sprachforschern für ihre Wortschöpfungen wie "Seufz", "Ächz", "Stöhn" gefeiert.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!