Kinobesitzerin Melanie Reil in ihrem neuen zweiten Kinosaal in Viechtach
Bildrechte: BR/Renate Rossberger

Kinobesitzerin Melanie Reil in ihrem neuen zweiten Kinosaal in Viechtach

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Stadt liebt Lichtspielhaus: Eine besondere Kinogeschichte

Die bayerischen Kinos haben in den letzten Jahren gelitten: Zur gestiegenen Streaming-Konkurrenz kam Corona. Seitdem kämpfen viele Lichtspielhäuser ums Überleben. Umso ungewöhnlicher, wie sich ein Kino im kleinen Viechtach behauptet.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Südbayern am .

Kinos, vor allem die auf dem Land, haben es nicht leicht. In der Kleinstadt Viechtach im Bayerischen Wald unterstützt deshalb die Stadt das örtliche Kino. Sie hat sogar einen zweiten Kinosaal spendiert – eine ungewöhnliche Kino-Geschichte.

Ein altes Kino, das überlebt hat

In der Stadt Viechtach – 8.600 Einwohner – gab es immer schon ein kleines Kino. Als die frühere Besitzerin mit über 80 Jahren aufhörte, übernahm es 2014 Melanie Reil zur Pacht. Die ehemalige Polizistin hatte ihren Job an den Nagel gehängt, wollte was anderes machen und sie liebte Kino und Filme. Aber erst mal war sie komplett ahnungslos:

"Im Internet habe ich dann tatsächlich einen Kinoleitfaden gefunden 'Wie gründe ich ein Kino?' Ich habe da gesehen, dass man am Ticket gar nichts verdient. Da bleibt meistens nur ein Zehnerl übrig. Das ist so wie bei den Tankstellen. Man lebt von Getränke- und anderen Verkäufen." Melanie Reil, Kinobesitzerin "Cine Vit"

Aber Melanie Reil bekam viele gute Tipps vom Nachbarkino in Regen, das sie nicht als Konkurrenz, sondern als Kollegin sah. Also stürzte sie sich in ihren Lebenstraum und entwickelte ein Konzept, das für ein Landkino ziemlich ungewöhnlich ist.

Vom Filmfrühstück bis zum Kinderwagenkino

Natürlich braucht auch sie regelmäßig gut besuchte Blockbuster zum Geldverdienen, vom neuesten Eberhofer bis zu Avatar. Aber daneben bemüht sich Melanie Reil immer schon um kleine Nischenfilme, wenig Gespieltes bis hin zu Natur- und Reisedokumentationen.

Es gibt viele besondere Filmtage, zum Beispiel einen "Filmkunst-Dienstag", "Film und Frühstück" am Sonntagvormittag und immer am letzten Montag im Monat das "Kinderwagen-Kino": "Da ist der Ton nicht so laut und das Licht noch ein bisschen an. Es wird auch ein bisschen mehr eingeheizt und dann kommen die Mamas, haben ihre Kinder in einem Maxi-Cosi, im Kinderwagen oder im Tragetuch mit dabei. Oft ist es so, dass die Babys vorne herumkrabbeln und die Mamas natürlich nicht hundert Prozent vom Film mitkriegen, aber zumindest die Chance haben. Das ist immer ganz nett!"

Für das Konzept, ein so buntes, aber auch anspruchsvolles Kinoleben im ländlichen Raum anzubieten, bekam Melanie Reil in den letzten Jahren immer wieder Kinopreise. Das Geld hat sie jeweils sofort wieder in ihr Kino gesteckt, zum Beispiel in neue, bequeme Sitze im alten Kinosaal.

Stadt kauft und renoviert Haus und Kino

Melanie Reil lebt nicht von ihrem Kino. Hauptverdiener für die Familie mit zwei Kindern ist ihr Mann, der weiterhin als Polizist arbeitet. Das Kino ist nur ein Nebenverdienst. Deshalb war es ein Glück, dass sich die Stadt Viechtach 2018 entschieden hat, das große alte Haus, das inzwischen stark renovierungsbedürftig war, zu kaufen und mit Städtebaufördermitteln komplett zu sanieren.

Auch ein Aufzug für Barrierefreiheit und jetzt vor Kurzem auch ein zweiter nagelneuer Kinosaal sprangen dabei raus. Die Entscheidung, als Stadt in ein Kino zu investieren, war im Stadtrat umstritten, aber die Befürworter setzten sich durch:

"Eine Stadt soll auch noch liebens- und lebenswert bleiben. Dazu gehört ein Kulturangebot und eben auch ein eigenes Kino. Wenn wir unseren Bürgern nichts bieten können, dann mag auch keiner mehr nach Viechtach ziehen. Wir wachsen aber im Bayerischen Wald mit am besten. Das wird schon seinen Grund haben." Franz Wittmann, CSU, Bürgermeister von Viechtach

Es gab zwar Städtebaufördermittel und einen Teil des weitläufigen Gebäudekomplexes konnte die Stadt mit Gewinn weiterverkaufen. Trotzdem blieben rund 400.000 Euro, sagt der Bürgermeister, die die Stadt am Ende ganz aus eigener Tasche in das Kino gesteckt hat.

Melanie Reil, die weiterhin Pächterin ist, hat auch selbst eine sechsstellige Summe investiert. Jetzt ist alles im "CineVit" modern und attraktiv. Das hilft, das Überleben des kleinen Kinos zu sichern. Aber "reich werde ich damit nie", betont Melanie Reil, "muss ich auch nicht".

Kinosituation nach Corona angespannt

Derweil bleibt die Situation für viele bayerische Kinos weiter angespannt. Die Corona-Pandemie und damit einhergehende Schließungen und restriktive Zugangsregeln haben bei den Lichtspielhäusern zu dramatischen Einbußen geführt. Und die Krise ist noch nicht vorbei: Nur zögerlich kehrt das Publikum wieder in die Kinos zurück. Zwar füllen sich die Säle wieder, gerade bei großen Blockbustern. Gerade unabhängigere und kleinere Produktionen haben es aber noch schwer.

Kino zieht Publikum aus umliegenden Landkreisen an

Auch in dieser Hinsicht stellt das kleine Kino in Viechtach einen positiven Sonderfall dar: Es hat sich herumgesprochen, dass Viechtach ein gutes Kino hat. In manche Filme, die selten gezeigt werden, kommen sogar Besucher aus weiter entfernten Städten wie Straubing oder Deggendorf, die eigene Kinos haben.

Handerlesenes Filmangebot

Die Viechtacher selber und auch Besucher aus den Nachbarorten sind ebenfalls treu, auch wenn es wie in allen Kinos momentan noch nicht wieder so läuft wie vor Corona. Viele freuen sich, dass sie ein tolles Filmangebot vor Ort haben, also nicht weiter weg in die größeren Städte fahren müssen. Viele nutzen ganz bewusst die Nischenangebote. Andere bevorzugen sowieso kleine Kinos und meiden die riesigen Filmpaläste.

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