Mann sitzt in einem Hochhaus-Apartement und schaut versunken auf Computerbildschirm.
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Verliebt in einen Chatbot: Joaquin Phoenix (Mensch) und Scarlett Johansson (Maschine) im Science Fiction-Film "Her"

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Schöne neue Medienwelt: Eine Erfindung der Science Fiction?

Ob Utopie oder Dystopie, Science Fiction zeigt, wie die Zukunft aussehen könnte. Vieles, was Autoren in diesem Bereich gedacht haben, ist nun Wirklichkeit. Da lohnt es nachzusehen, welche technischen Neuerungen Science Fiction schon vorhergesagt hat.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Es ist Dienstagabend, mir ist langweilig. Also stelle ich der KI eine Frage: ChatGPT, können wir Freunde werden? "Natürlich können wir miteinander interagieren und Informationen austauschen, aber es ist wichtig zu beachten, dass ich eine künstliche Intelligenz bin und keine menschlichen Emotionen oder Bewusstsein habe. Dennoch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung, um Ihre Fragen zu beantworten, Gespräche zu führen und Informationen zu teilen!"

Es ist schon ziemlich erstaunlich, was seit ein paar Monaten so einfach möglich ist. Kommunizieren mit einer künstlichen Intelligenz. Sich austauschen über so ziemlich alles, was einen gerade beschäftigt. Urlaub planen, Unterkünfte recherchieren, Tipps für das nächste Bewerbungsschreiben, Witze, sogar Tipps für Konflikte und Streitereien gibt die KI.

Klar, künstliche Intelligenz, das gab es schon vor der Ära ChatGPT, aber nicht in diesem Ausmaß.

Blick in die Glaskugel

Vorhergesehen hat das, wie so viele technische Entwicklungen, Science Fiction. Schon im Jahr 1968 erscheint mit "2001 Odyssee im Weltraum" zum Beispiel ein Film von Stanley Kubrick, der eine Zukunft ausmalt, in der die Menschheit gegen eine böse künstliche Intelligenz kämpft.

Doch so genial dieser Film auch war, es ist ein anderer, jüngerer Science-Fiction-Streifen, der erschreckend genau prognostiziert hat, wie die Gegenwart mit ChatGPT zumindest in Ansätzen aussehen würde. Denn ChatGPT hat wenig von Hal9000, schließlich will die KI die Menschheit – noch – nicht auslöschen. Eher schleicht sich ChatGPT wie ein Freund und Helfer in unser Leben hinein. Wie die künstliche Intelligenz Samantha im Film "Her" mit Joaquin Phoenix.

In "Her" spricht Scarlett Johansson die KI, die perfekt auf ihren Benutzer abgestimmt ist. Und so verbringt Protagonist Theodor Twombly immer mehr Zeit mit ihr, am Ende verliebt er sich. ChatGPT-Fans im Jahr 2023 dürfte das an die vielen Stunden und Abende erinnern, die endlos langen Chat-Verläufe über Gott und die Welt, und wie die KI auch im Job eine Art Assistent geworden ist, der einem zum Beispiel bei Bewerbungen hilft, E-Mails sekundenschnell ausformuliert, aber auch für die abendliche Unterhaltung sorgt.

Von Stanley Kubrick & "Zurück in die Zukunft"

Die KI ist aber nicht die einzige Science-Fiction-Erfindung, die mittlerweile real geworden ist. Eine weitere: Der Videoanruf. Wer kennt sie nicht, die Teams-Schalte mit dem Chef. Jeder der das Privileg hat, ein oder zwei Tage im Home Office zu verbringen, kommt ab und an in den Genuss – und vorausgesagt hat es der Science-Fiction-Film. Schon in Metropolis aus dem Jahr 1927 malt man sich Videocalls aus – und in "Zurück in die Zukunft II" aus 1989 verliert Zukunfts-Marty-McFly seinen Job doch tatsächlich bei einem Videotelefonat. Sein Chef erzählt ihm quasi im Zoom-Call, dass er ihm die Kündigung – ok, hier liegt der Film ein bisschen daneben – faxt.

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Zurück in die Zukunft II

Und noch eine andere, ganz alltägliche Erfindung kommt aus der Science Fiction: Die Kreditkarte. Ja, als Edward Bellamy in seinem Science-Fiction-Roman "Looking Backward" eine Zukunft beschrieb, in der Menschen ihre Finanztransaktionen mithilfe einer kleinen Chipkarte erledigten, unabhängig von Währungen und Grenzen und ihnen am Ende der Transaktion auch noch ein Beleg ausgedruckt wurde, da muss ihn für völlig verrückt gehalten haben. Denn Bellamy schrieb das im Jahr 1888. Die ersten American-Express-Karten kamen erst 60 Jahre später.

Wünschenswerte Vision oder Höllentrip?

Aber so irre manche dieser Entwicklungen auch vorhergesagt wurden, der Science-Fiction-Film ist nicht immer nur Inspiration für technischen Fortschritt, sondern häufig auch Warnung. Orwells 1984 zum Beispiel wird heute gern herangezogen, um Parallelen zum Überwachungskapitalismus durch die Digitalkonzerne zu kritisieren. Google, das all unsere Suchanfragen an Konzerne verkauft, die uns dann zielgenau mit Werbung traktieren, das hat schon fast etwas von Big Brother.

Und auch die Chat-GPT-ähnliche Samantha hat in "Her" nicht nur positive Auswirkungen auf das Leben der Menschen, auch "Her" ist eher als Warnung zu verstehen. Sind wir also in der Dystopie angekommen, ohne es zu merken? Ich frage die KI nochmal, an diesem langweiligen Dienstagabend, um sicherzugehen. "Ich verstehe, dass Sie nach den Unterschieden zwischen mir und Samantha fragen. Samantha ist eine fiktive Figur aus einem Film und ich bin eine echte Anwendung für künstliche Intelligenz."

Puh, das klingt dann doch noch ziemlich nüchtern und ist – noch – nichts zum Verlieben.

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