Blauer 1000-Rubelschein mit orthodoxer Kirche
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Immer wertloser: Russische Rubel

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"Nicht mal mehr lustig": Putin kann Rubel-Absturz nicht bremsen

Die russische Währung taumelt in immer neue Tiefen, die Inflation steigt, der Haushalt gerät wegen der Kriegskosten aus den Fugen, doch der Kreml gibt sich demonstrativ "gelassen": Sorgen um den Wechselkurs seien "Rudimente aus der Vergangenheit".

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Beim Blick auf die Wirtschaftslage bleibt den Russen nur noch Galgenhumor. Die einen fühlen sich an den Spruch erinnert, der einst fälschlicherweise der französischen Königin Marie Antoinette in den Mund gelegt worden war: "Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!" Andere empfehlen: "Mach es wie die Kinder! Schließe deine Augen und schaue nicht hin." Grund für den bitteren Rat: Der Rubel stürzte abermals ab und war zeitweise weniger wert als ein US-Cent. Und das, obwohl die Zentralbank erst im August die Zinsen auf zwölf Prozent erhöht hatte, was damals durchaus umstritten war, weil es Kredite verteuerte und damit die Wirtschaft ausbremste.

Offenbar hat die Maßnahme nicht viel gebracht. Der Rubel-Absturz sei unkontrollierbar geworden, urteilen Kommentatoren: "Nichts hilft dem Rubel". Der russische Kapitalmarkt sei nämlich durch die Sanktionen mehr oder weniger abgeschottet, kaum ein internationaler Spekulant werde durch die hohen Zinsen angelockt: "Die Lage ist akut." Selbst der Propagandist Sergej Markow schimpfte: "Leider ergreift die Regierung keine Maßnahmen zur Stützung des Rubels, außer den Zinssatz zu erhöhen, was der Wirtschaft schadet." Experten verweisen darauf, dass Putin in einer Zwickmühle steckt. Weil die Benzinpreise in Russland immer neue Rekordhöhen erreichten, drängte er darauf, vorerst keine Ölprodukte mehr zu exportieren. Das allerdings bedeutet, dass Russland noch weniger harte Devisen einnimmt, die es dringend für seine "Grauimporte" benötigt.

"Preise sind normal, wenn man nichts kauft"

Was viele Russen empört, ist der Umgang des Kremls mit der Währungs- und Haushaltskrise. So sagte der russische Finanzminister Anton Siluanow am 28. September auf einem Finanzforum in Moskau: "Ich habe im Internet gelesen, was meiner Meinung nach die richtige Einstellung zur Inflation ist. Dort stand geschrieben, dass die Preise völlig normal sind, wenn man nichts kauft. Ist doch klar, oder? Der Punkt ist einfach, dass es keine Notwendigkeit gibt, die Verbrauchernachfrage zu beschleunigen." Wer "Kopf und Hände" behutsam einsetze, könne sparen, empfahl der Politiker, der für seine Ausführungen mit Hohn und Spott übergossen wurde. So scherzten Beobachter, wenn russische Politiker den Mund hielten, seien sie sogar intelligent.

Nicht besser machte es Kremlsprecher Dmitri Peskow, der zum Wechselkursverfall des Rubels sagte, alle Sorgen seien "Rudimente aus der Vergangenheit". Zwar gebe es "gewisse Schwankungen", aber "übermäßige Aufmerksamkeit für den Dollar-Wechselkurs" sei rein "emotional" erklärbar, schließlich lebten die Russen in der Rubel-Zone. Tatsächlich sei es genau umgekehrt, schrieb der Blogger Wadim Schumilin: Früher, in stabileren Zeiten, habe sich kaum ein Russe um den Rubelkurs geschert, das sei ein relativ neues Phänomen seit Kriegsausbruch. "Die Gelassenheit unserer Staatsmänner gegenüber dem Dollarkurs ist beneidenswert", höhnte ein weiterer Beobachter. Auf der Ebene eines US-Cents sei das Verhältnis immerhin "tröstliche" 1:1.

"Zurück ins Jahr 1993"

Publizist Anatoli Nesmijan machte Peskow mit der Bemerkung lächerlich: "Warum sich Sorgen machen, wenn alles nach Plan verläuft? Zwar scheint niemand diesen Plan gesehen zu haben, auch nicht der Kreml, aber es ist ermutigend, dass er überhaupt existiert." Die Chefredakteurin des Propagandasenders RT, Margarita Simonjan, entgeisterte ihre Landsleute derweil mit dem verunglückten "Scherz", Putin könne ja eine Atombombe "ein paar hundert Kilometer" über Sibirien zünden lassen. Ein Ingenieur habe ihr gesagt, dann werde sämtliche Satellitenkommunikation ausfallen und die Russen seien wieder auf schnurgebundene Telefone angewiesen: "Wir kehren mit Ihnen in das Jahr 1993 zurück. Und ich sage Ihnen – sie haben damals wunderbar gelebt. Ich werde sogar glücklich sein."

Was die staatlich gesteuerten Medien unerwähnt lassen, aber die Blogger thematisieren: Der russische Haushalt ächzt unter den Kriegskosten. Im kommenden Jahr will Putin umgerechnet rund 100 Milliarden Euro in die Rüstung stecken, eine Steigerung um rund vierzig Prozent, die Verschuldung explodiert. Künftig werde Russland damit anteilsmäßig am Gesamthaushalt ungefähr so viel Geld für den Krieg ausgeben wie 1941, rechnete ein Blogger vor, nämlich etwa ein Drittel. Allerdings habe Stalin im Zweiten Weltkrieg zeitweise sogar die Hälfte des Haushalts für das Militär aufgewendet.

"Russland auf dem Weg ins 17. Jahrhundert"

An Sarkasmus wird nicht gespart. Blogger Oleg Schein verwies darauf, dass die Ausgaben für den Flug- und Bahnverkehr im kommenden Jahr drastisch gekürzt werden (müssen): "Wenn Russland mit dem [kremlnahen] Philosophen Alexander Dugin auf dem Weg ins 17. Jahrhundert ist, welche Art von Eisenbahnen und Flugzeugen brauchen wir dann noch?" Blogger Konstantin Ordow schrieb: "Wenn wir einen Dollarkurs von mehr als 100 Rubel sehen, können wir getrost damit beginnen, der Zentralbank und der Regierung Fragen zu stellen, wer wirklich für die Schwächung des Rubels verantwortlich ist und ob das nicht definitiv ein vom Menschen verursachter Faktor ist."

Finanzberater Sergej Kikewitsch fragte sich, warum Putin die Zentralbank nicht anweist, Gold- und Währungsreserven zu verkaufen, um dem Rubel zu helfen. Vermutlich sei der Kreml sogar an einer Schwächung der eigenen Währung interessiert, vermutete der Experte, weil Haushaltsprobleme dadurch leichter zu bewältigen seien. Eine hohe Inflation ist für Schuldner bekanntlich stets vorteilhaft, schmelzen ihre Verbindlichkeiten doch quasi "von allein" wie Schnee in der Sonne. Ein weiterer russischer Ökonom formulierte es geheimnisvoll: "Niemand möchte herausfinden, warum das Kapital das Land verlässt."

Analyst Anatoli Trifonow ließ sich mit den Worten zitieren: "Wir bezweifeln, dass die Aufgabe der Regierung jetzt darin besteht, den Durchbruch auf das Niveau von 100 Rubel pro Dollar zu verhindern, daher erwarten wir keine scharfen Reaktionsmaßnahmen der Behörden, wenn der Rubel unter dieses Niveau fällt – es handelt sich vielmehr um informelle Versuche, das zu unterbinden." Mit anderen Worten: Der Kreml belässt es demnach bei rein kosmetischen Eingriffen in den Finanzmarkt.

"Warum brauchen Sklaven überhaupt Dollars?"

Scherzbolde laufen im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise zur Hochform auf: "Ein Mann steigt in ein Taxi und will vom Bart zur Glatze gefahren werden. Wie meinen Sie das, fragt der Fahrer. Antwort: Von der Marx-Allee zum Lenin-Mausoleum." Oder auch: "Ein Vater ruft in der U-Bahn: 'Hilfe, mein Sohn hat einen Rubel verschluckt!' Prompt eilt eine übergewichtige Dame herbei, greift dem Kleinen beherzt in den Schritt, so dass er aufstößt und den Rubel wieder ausspuckt. Der Vater: 'Sie arbeiten wahrscheinlich als Notärztin?' Antwort: 'Nein, beim Finanzamt.'" Die Russen sollten sich nach dem Ende des Rubel schon mal an das Leben "ohne Geld" gewöhnen, hieß es bitter.

"Richtig, der Dollar-Wechselkurs spielt überhaupt keine Rolle, es ist nur feindlicher Papierkram! Im Allgemeinen wäre es schön, ihn ganz zu verbieten", spottete ein Leser. Ein anderer schrieb: "Warum brauchen Sklaven überhaupt Dollars?" Ein offenbar kremlkritischer Zeitgenosse meinte: "Nichts lässt den Rubel mehr kollabieren als die Zusicherungen der russischen Zentralbank über seine baldige Stärkung." Ernst gemeint dagegen diese Äußerung: "Nun, was Peskow sagt, ist Unsinn! Wie kann man dem Dollar keine Beachtung schenken, wenn unser Land praktisch nichts produziert und die meisten Waren oder Komponenten aus dem Ausland importieren muss?"

"Putin kam zum Dollar-Kurs von 28 Rubel"

Peskow wirke wie ein Hofnarr, urteilt ein Leser, der eine für den Kreml wenig schmeichelhafte Rechnung aufmacht: "Was ist mit der Tatsache, dass alles um uns herum importiert und für US-Dollar gekauft werden muss? Und dass Putin zum Dollarkurs von 28 Rubel ins Amt kam und zum Wechselkurs von 100 Rubel abhaut!" Der russische Präsident habe 2008 versprochen, dass es den Russen bis 2020 deutlich besser gehe, war zu lesen: "Bis 2020 werden die Russen durchschnittlich 2.700 US-Dollar im Monat erhalten, mindestens 100 Quadratmeter Wohnraum für eine dreiköpfige Familie haben und die Mittelschicht mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Gleichzeitig sollte die jährliche Inflation auf drei Prozent sinken."

Zum Vergleich: Die russische Durchschnittsrente beträgt aktuell 19.300 Rubel, also umgerechnet nicht einmal 200 US-Dollar. Gleichzeitig verteuerten sich viele Lebensmittel um bis zu fünfzig Prozent, vor allem Gemüse. Aber auch die Preise für Medikamente, Benzin und Reisen stiegen um dreißig Prozent und mehr. Die deutlich niedrigeren offiziellen Daten werden von Experten als fragwürdig eingeschätzt, von "Putins Potemkin-Wirtschaft" war die Rede.

"Krise" bei Supersportwagen

Selbst den Superreichen in Russland scheint es nicht mehr ganz so gut zu gehen wie ehedem, teilte der Autohändler Autodom mit, der seinen Börsengang auf 2025 verschoben hat. Demnach wurden im laufenden Jahr in Russland drei Mal weniger Supersportwagen verkauft als vor dem Krieg, aber immer noch erstaunliche 43 Lamborghinis , 30 Bentley Bentaygas , 32 Rolls-Royce Cullinans und neun Ferrari Roma, die durch die Sanktionen allesamt rund doppelt so teuer seien wie früher. Die Hersteller haben sich vom russischen Markt zurückgezogen, einen Werksservice gibt es also nicht.

Es sei "nicht mal mehr lustig", wetterte ein Leser: "Herr, werden wir für dumm verkauft? Ja, wir leben in einer Rubel-Zone, aber die Preise für Haushaltsgegenstände, Autos, Ersatzteile, Medikamente, Kleidung und die meisten Lebensmittel hängen direkt vom Rubel-Wechselkurs ab. Sogar Grundschüler verstehen das." Früher hätten russische Politiker sich wenigstens noch die Mühe gemacht zu lügen, ätzte ein weiterer Kommentator, heutzutage würden sie nur noch schweigen: "Nun, nach Siluanows Bemerkung, 'wenn Sie nichts kaufen, sind die Preise normal', erscheint Peskows Aussage gar nicht mehr so seltsam."

"Das alles können Sie ganz einfach fotografieren"

Eine hilfreiche Empfehlung lautete: "Im Allgemeinen ist es an der Zeit, sich daran zu gewöhnen, überhaupt nicht mehr zu denken! Hören Sie nur noch auf Peskow!" Immerhin mache der Kremlsprecher keine schlechteren Witze als Putin, tröstete sich ein Leser, und ein weiterer hatte folgenden bitteren Gag auf Lager: "Ein Mann schaut fern, und auf dem Bildschirm läuft Werbung: amerikanische Jeans, französische Parfüms, deutsche Autos, japanische Elektronik, serbokroatische Sanitäranlagen. Dann die Botschaft: Das alles können Sie ganz einfach mit einer [sowjetischen] Zorki-Kamera fotografieren."

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