Der Buchstabe auf einer zerschossenen Stahltür
Bildrechte: Sofia Potanina/Picture Alliance

Das Z ist allgegenwärtig: Krieg in der Ukraine

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

"Es bedeutet nichts": Darum hadern Russen jetzt mit Z-Symbol

Im Zeichen der Buchstaben V und Z marschierten Putins Soldaten in die Ukraine ein, doch einige Nationalisten wollen damit nichts mehr zu tun haben: Offenbar haben sie jetzt erst bemerkt, dass das die Namens-Initialen von Vladimir Zelensky sind.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Ausgerechnet einer der flammendsten Putin-Verehrer und rechtsextremen Vordenker will plötzlich nichts mehr mit dem bisherigen Markenzeichen des Angriffskriegs zu tun haben: Der kremlnahe "Philosoph" Alexander Dugin löste mit einem Blogeintrag mächtig Wirbel aus, wonach der viel beworbene Buchstabe Z kein angemessenes Erkennungsmerkmal für die russischen Soldaten sei: "Z ist ein schlechtes Symbol. Es bedeutet nichts. Das ist ein PR-Fake. Wir kämpfen unter dem Banner des Retters, der nicht von Menschenhand gezeugt wurde. Unter dem Banner von [Propagandisten wie dem bei einem Anschlag ums Leben gekommenen] Vladlen Tatarski [bürgerlich Maxim Fomin]: Ich freue mich auf die Auferstehung der Toten und das Leben in der jenseitigen Welt. Sie alle starben nicht für ein Z. Sie starben für Russland, für Christus, für unser Volk. Das ist es, was wir allen sagen müssen. Es ist an der Zeit, die Anmutung eines 'Russland-Konzerns' hinter uns zu lassen. Das Heilige Russland, das große Reich, kehrt in die Geschichte zurück."

"Um zu gewinnen, müssen Sie Fehler einräumen"

Der ebenfalls kremlnahe Politologe Sergej Markow pflichtete seinem Geistesverwandten umgehend bei - mit grotesken Argumenten: "Da hat er Recht. Die Positionierung von Z als Symbol der Nordfront ist ein klares Beispiel für die Schwäche der offiziellen russischen Propaganda. Darüber hinaus war Z als Symbol der Spezialoperation zu deren Beginn durchaus akzeptabel. Als würde man russische Armeetruppen als magische Helden vom Typ Zorro darstellen. Aber diese Hoffnungen auf zauberhafte Ergebnisse zerschlugen sich nach genau einem Monat. Und es war auf jeden Fall notwendig, die Spezialoperation ab April 2022 umzubenennen. Aber das taten sie nicht."

Ausgerechnet das Symbol des "Kampfes um die russische Sprache" sei ein Buchstabe, der im russischen Alphabet gar nicht vorkomme, schimpfte Markow. Im Übrigen sei das Z Bestandteil des Wortes "Nazi": "Aber anscheinend hat jemand riesige Budgetsummen für das Z ausgegeben. Und jetzt lassen sie nicht zu, dass es einkassiert wird." Jeder verstehe, dass das Z ein "unglückliches Symbol" sei: "Daher gibt niemand zu, dass er der Urheber dieses Symbols war. Um zu gewinnen, müssen Sie lernen, Fehler einzuräumen und sich zu ändern. Und je schneller Sie dies tun, desto schneller wird der Sieg kommen." Es sei natürlich Zufall, dass V und Z die Initialen der englischen Schreibweise von Vladimir (Wolodymyr) Zelensky seien: "Nun, wir hätten solche Zufälle schon längst loswerden sollen. Hören Sie auf, für Selenskyj zu werben."

"Gefahr, dass Menschen entfremdet werden"

Die Aufregung könnte damit zu tun haben, dass der russische Schriftsteller Dmitri Bykow gerade eine Selenskyj-Biographie mit dem Titel "VZ" auf den Markt brachte, in dem es nicht nur um den ukrainischen Präsidenten geht, sondern auch um den "Kampf zwischen Altertum und Fortschritt", wie der Autor selbst beteuert.

Blogger wie Oleg Zarew sind dennoch der Meinung, dass Russland die "Pferde nicht mitten auf der Kreuzung" wechseln sollte: "Die Symbole sind zu wichtig, um damit zu spielen, nach der Devise heute so, morgens anders. Ich hoffe, dass die Entscheidungsträger über genügend Weisheit verfügen, um keine plötzlichen Schritte zu unternehmen. Es ist zwar möglich und notwendig, neue Symbole hinzuzufügen oder alte wiederzubeleben. Sie können jedoch bei der Veränderung keine Symbole in den Papierkorb werfen. Dadurch besteht die Gefahr, dass Menschen entfremdet werden. Diejenigen, die unter diesen Symbolen kämpften. Freunde und Angehörige derer, die bereits unter ihnen gestorben sind." Er glaube nicht, dass es eine "gute Idee" sei, an der Markenführung herumzubasteln, so Zarew: Außer, es gehe darum, den militärischen Betrieb durcheinander zu bringen.

"Z aufgeben, würde bedeuten Kämpfer zu verraten"

Der TV-Propagandist Eduard Birow räumte zwar ein, dem Z fehlten "Heiligkeit, hohe Ideale und seelennahe Bilder", außerdem sei es ein lateinischer Buchstabe, aber er werde nun mal seit Kriegsbeginn "reichlich mit dem Blut unserer Soldaten getränkt": "Sie sterben vielleicht nicht für Z, aber unter dem Z-Symbol kämpfen sie, riskieren ihr Leben, werden verwundet und fallen. Und das ist bereits in die Seelen und Herzen von Millionen Menschen eingedrungen. Das Z steht für die Spezialoperation. Z jetzt aufzugeben, würde bedeuten, alle unsere Kämpfer zu verraten, lebende und vor allem tote." Gleichwohl empfiehlt Birow, noch mehr die russischen Nationalfarben, das rote Banner der Sowjetunion und das schwarz-orange St. Georgs-Band ins Feld zu führen.

"Dugin hat Angst, aufgehängt zu werden"

Manche "Patrioten" warfen Alexander Dugin vor, die Armee zu "diskreditieren", wie der einschlägige Paragraf im Strafrecht lautet. Andere wollten sich nicht weiter mit den Einlassungen des "Philosophen" beschäftigen und fertigten ihn mit der Bemerkung ab, auch er schreibe halt manchmal "Blödsinn". Was dessen Hinweis auf "Christus" betreffe, möge er mal mit den russischen Muslimen in den Schützengräben sprechen: "Oder mit den Heiden, auch solche Leute gibt es an der Front."

Einer der nationalistischen Blogger bedauerte, dass es immer noch "kein festgelegtes Ziel für den Krieg" gebe, der eine große Zahl von Menschen das Leben koste: "Dementsprechend braucht es ein Symbol, um die Toten zu ehren, aber hier stellt sich heraus, dass alles sehr kompliziert ist, wenn man sich die Kritik des Philosophen Dugin ansieht." Besonders sympathisch findet der betreffende Kommentator mit 46.000 Fans den rechtsextremen Vordenker nicht. Dessen Bemerkungen seien vielmehr "schädlich". Möglicherweise versuche er, sich bei der "Friedenspartei" einzuschmeicheln: "Bemerkenswert ist Dugins Versuch, sich von der Spezialoperation zu distanzieren, obwohl er seit 2014 zu den ersten Lobrednern dieses Szenarios gehörte. Er scheint Angst um seine Zukunft zu haben und hat Angst, aufgehängt zu werden, weil seine Kampfaufrufe fehlschlugen."

"Ideologisches Vakuum"

Es war auch zu lesen, russische Soldaten würden von den Ukrainern als "Zetniks" verspottet: "Im Allgemeinen werden militärische Symbole und Bilder benötigt, um beim Feind Angst und Schrecken hervorzurufen und uns selbst zu inspirieren. Mit dem Z gibt es weder das eine, noch das andere. Es funktioniert einfach nicht." Das Z stehe vielmehr für ein "ideologisches Vakuum": "Es gab nur keine anderen Symbole, sie mussten nehmen, was gerade zur Hand war." Mit "Siegen und Erfolgen" der russischen Waffen sei das Z "kaum in Verbindung zu bringen": "Ganz im Gegenteil."

"Gewisses innenpolitisches Risiko"

Die russischen Kriegsfanatiker haben einen weiteren Grund zur Irritation: Der Meinungsforscher Waleri Fedorow sagte in einem ausführlichen Interview mit dem Wirtschaftsblatt RBC, nur 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung seien zu den aktiven Kriegsbefürwortern ("Z-Blogger") zu zählen: "Diese Leute fordern mehr, sie kritisieren Strategie, Politik und Kampfeffektivität scharf. Und das ist eine explosive Mischung." Mit diesen Leuten sei ein "gewisses innenpolitisches Risiko" verbunden, das jedoch "beherrschbar" sei. Ein Rückzug auf die Grenzen von 1991 sei für die Mehrheit der Russen zwar "inakzeptabel", so Fedorow mit Hinweis auf aktuelle Umfragedaten, ansonsten sei die Mehrheit jedoch flexibel.

"Wir müssen Gebiete gewinnen und unsere Sicherheit gewährleisten, und dürfen uns nicht mit der ständigen Bedrohung aus Kiew abfinden", so der Demoskop über die Ansicht der Russen zu einem Waffenstillstands-Szenario: "Für manche reicht das schon, zumal es ein gutes, für jeden verständliches Erscheinungsbild gibt – eine 'Landbrücke' zur Krim." Generell überlasse die Mehrheit Putin die Entscheidung, die genauen Friedensbedingungen zu formulieren: "Die Russen haben Putin immer vor allem wegen seiner Außenpolitik geschätzt, die die Grundlage für seine Bewertung bildete. Das funktioniert auch heute noch."

"Frieden, aber zu unseren Bedingungen"

Die öffentliche Meinung interessiere sich in Russland kaum noch für die Frage, wer den Krieg angefangen habe und warum es dazu gekommen sei: "Die meisten sind davon überzeugt, dass wir nicht damit begonnen haben und dass wir uns eher gegen den kollektiven Westen verteidigen als angreifen. Die wichtigste Frage: Wann endet das alles und was muss getan werden, damit es zu unseren Bedingungen schneller endet? Wenn Soziologenkollegen feststellen, dass bei uns ungefähr gleich viele Menschen – jeweils 60 % – einen Marsch bis nach Kiew und einen schnellen Waffenstillstand wollen, dann ist das nur ein scheinbarer Widerspruch. Jeder will Frieden, aber zu unseren Bedingungen."

Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!