Paula Beer in der Rolle der Stella im gleichnamigen Kinofilm
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Paula Beer in der Rolle der Stella im gleichnamigen Kinofilm

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Filmkritik "Stella": Zu viel Silberkleid, zu wenig Erzählidee

Wie erzählt man von einer Jüdin, die in der NS-Zeit unter Druck andere Juden verriet? Was spricht dafür, diese im Roman "Stella" verarbeitete Geschichte nun auch auf die Leinwand zu bringen? Regisseur Kilian Riedhof wagt den Versuch - und scheitert.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Blonde Haare, blaue Augen. Stella vor dem Spiegel. Sie hält sich ein silbern glitzerndes Kleid vor den Körper. Streift es dann über. Ohrringe werden aus einer Schachtel geholt und angesteckt. Lippenstift aufgetragen. Ein tiefer Blick in den Spiegel. Alles ok?

Was wollen uns diese Bilder sagen?

Dann nähert sich Stella der glänzenden Oberfläche und küsst ihr Spiegelbild. Schnitt. Die Kamera wechselt die Position, ist jetzt quasi der Spiegel, blickt der jungen Frau in das sich nahende Gesicht und bekommt einen Kuss aufgedrückt. Schon da fragt man sich als Zuschauer: Was soll diese Szene, dieser Sprung von vor dem Spiegel in die optisch überraschende, aber sonst eher sinnlose Position dahinter? Macht sie etwas deutlich, was uns sonst entgangen wäre? Während der Kritiker grübelt, kommt das nächste Bild:

August 1940. Die Jazzsängerin Stella in einem zum Probenraum umfunktionierten Wohnzimmer. Die Band um sie herum. Stella trägt nun eine rosa Bluse und eine hellblaue Hose. Gleich wieder die nächste Szene: Ausflug mit ihrem Freund zu einem Berliner Badesee. Stella sitzt jetzt in einem weißen Kleid auf dem Gepäckträger eines Fahrrads. Schnitt: Stella in einem hellblauen Badeanzug. Vier Szenen. Vier Outfits. Und so geht es weiter. Abendessen mit den Eltern, rosa Pullover.

Stella wird mit ihren Taten konfrontiert

An solchen Oberflächen bleibt dieser Film kleben, der die spannenden Fragen allenfalls berührt, aber nie durchdringt: Was geht in Stella vor, die sich anfangs als Opfer begreift und dann zur Denunziantin wird? Die, um sich und ihre deutsch-jüdische Familie zu retten, Juden, die sich versteckt haben, an die Gestapo verrät?

Stattdessen sehen wir viel Aktionismus: Stella flirtet mit Nazis. Stella flüchtet. Stella wird verhaftet. Erst in der Zeit nach dem Krieg kommt der Film etwas zur Ruhe. Die Denunziantin muss sich, allein in einem Kino, von Amerikanern in Konzentrationslagern gedrehte Bilder anschauen.

Es gibt einen Prozess. Stella wird mit ihren Taten konfrontiert. Am Ende dann noch einmal sie vor einem Spiegel. Im Alter von 72 Jahren. Wieder schminkt sie sich die Lippen. Es ist das Jahr 1994. Dann die letzten Bilder: Eine Kamerafahrt durch das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Und ein eingeblendeter Satz des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer an alle Nachgeborenen: "Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon."

Nur: Wie es einmal geschehen konnte, darauf gibt dieser reine Ausstattungsfilm keine Antworten. Seine Bilder wissen oft nicht, was sie eigentlich erzählen wollen. Die Seele berührt "Stella" leider nicht.

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