Eileen (Thomasin McKenzie, re) und Dr. Rebecca Saint John (Anne Hathaway)
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Eileen (Thomasin McKenzie, re) und Dr. Rebecca Saint John (Anne Hathaway)

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Psychothriller "Eileen": Dramaturgische Schwächen, starke Frauen

Der Bestseller "Eileen" der US-amerikanischen Schriftstellerin Ottessa Moshfegh kommt nun als Film ins Kino. Er erzählt von zwei Frauen, die sich als Angestellte einer Vollzugsanstalt für jugendliche Straftäter kennenlernen. Eine Filmkritik.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Es gibt dieses weit verbreitete Motiv der Kleinstadt im US-amerikanischen Nachkriegskino, in Krimis wie "Im Netz der Leidenschaften" von Tay Garnett, in Thrillern wie "Psycho" von Alfred Hitchcock oder in Dramen wie "Lolita" von Stanley Kubrick. Das Motiv beseelte dann auch die trashigen B-Movies von George A. Romero, Jack Arnold oder Roger Corman. Immer ging es um das Provinzkaff als Ort der Verkommenheit sowie des Bösen und Abgründigen. Regisseur William Oldroyd ist zwar selbst erst Mitte 40, bezieht sich in der filmischen Adaption von "Eileen" aber ganz direkt auf jene Zeit des Kinos. Das macht auch Sinn, denn der Roman spielt in den 1960er-Jahren in einer Kleinstadt Neuenglands. Gleich zu Beginn sieht man die noch jugendlich wirkende Heldin, die 23-jährige Eileen, mit ihrem Auto am Strand. Sie sitzt hinterm Steuer und blickt durch die Windschutzscheibe, an der Regentropfen herabperlen. Um sie herum stehen weitere Wagen, in denen junge Paare knutschen oder auch miteinander schlafen - Sehnsüchte nach einem anderen Leben, Begehren, moralischer Rigorismus, Orientierungslosigkeit und Kleinstadt-Gefühle.

Frust und Neuanfang

Die von ihrem ereignislosen Leben frustrierte Eileen lebt mit ihrem alkoholkranken und cholerischen Vater, einem Ex-Cop, zusammen und arbeitet als Sekretärin in einer Vollzugsanstalt für jugendliche Straftäter. In überzeichneten trashigen Tagträumen hat sie Sex mit den Wärtern oder hantiert gefährlich mit dem Polizeicolt ihres Vaters. Das wirkt bisweilen zu vordergründig und klischeehaft inszeniert, aber die neuseeländische Darstellerin Thomasin McKenzie, die auch schon bei Jane Campions Oscar- und Golden-Globe-Erfolg "The Power of the Dog" mitspielte, weiß das immer wieder zu erden. Eileens Leben ändert sich, als eine neue Gefängnispsychologin in der Jugendstrafanstalt ihren Dienst antritt.

Anne Hathaway überzeugt

Anne Hathaway, die seit ihrer Oscarauszeichnung 2013 als Beste Nebendarstellerin für "Les Misérables" keinen wirklich guten Film mehr gemacht hat und zuletzt zweimal mit der Goldenen Himbeere als Schlechteste Schauspielerin prämiert wurde, hat einen großen Auftritt in "Eileen". Sie spielt Rebecca famos – mit einer unglaublichen Mischung aus lockender Femme fatale, gewitzter Therapeutin und einer Art Kleinstadt-Über-Ich. Alle inszenatorischen und dramaturgischen Schwächen des Films treten in den Hintergrund. Blond gefärbt erinnert Hathaway in ihrem eigenwilligen Spiel, in dem sie Coolness mit Einsamkeit und Verletzlichkeit kombiniert, an manche der filmischen Auftritte von Marylin Monroe. Dazu passen die Lichtsetzungen und visuellen Strategien von Kamerafrau Ari Wegner, die sich am Stil des Mainstream-Hollywoodfilms der 1950er- und 1960er-Jahren orientiert mit einer immer wieder leicht gebrochenen, aber meist gleichmäßig hellen Ausleuchtung.

Freundschaft und Abgründe

Rebecca und Eileen freunden sich an. Treffen sich abends in einer Bar. Flirten und tanzen miteinander. Unterhalten sich über jugendliche Straftäter. Ermitteln schließlich unbefugt in einem Fall familiären Missbrauchs. Man kann "Eileen" als eine Art Edel-Trash über Kleinstadt-Abgründe und ein gewaltvolles Provinzpatriarchat bezeichnen. Zwei Frauen wehren sich. In Erinnerung bleiben vor allem die Szenen mit der restlos überzeugenden Anne Hathaway.

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