Die Büste der von den Nazis ermordeten und heiliggesprochenen Nonne Edith Stein.
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Die Büste der von den Nazis ermordeten und heiliggesprochenen Nonne Edith Stein.

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Edith Stein - Brückenbauerin zwischen Religionen und Welten

Jüdin, Christin, Atheistin, Philosophin, Intellektuelle und Ordensfrau. All das war Edith Stein, die am 9. August 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Die "Patronin Europas", deren Büste in der Walhalla steht, gilt noch heute vielen als Vorbild.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Vor 80 Jahren, am 9. August 1942, wurde die Philosophin Edith Stein im KZ Auschwitz ermordet. Als erste Katholikin jüdischer Abstammung wird sie am 11. Oktober 1998 heilig gesprochen.

Geboren wird Edith Stein als Jüdin 1881 in Breslau. Sie ist eine gute Schülerin und studiert danach Philosophie, Geschichte, Germanistik und Psychologie - für Frauen zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit. 1916 kommt ein Doktortitel in Philosophie dazu.

Von der Jüdin zu Atheistin zur Christin

Ihren jüdischen Glauben hat Edith Stein in der Zwischenzeit abgelegt. Sie wird zur Atheistin, auch durch ihre Auseinandersetzung mit der Philosophie und der Psychologie. Doch schon gegen Ende ihres Studiums beginnt sie, sich von Neuem mit der Religion auseinanderzusetzen.

Dann kommt der erste Weltkrieg. Adolf Reinach, ein enger Freund Ediths, kommt in den Schützengräben ums Leben. Seine Witwe Anna findet Trost und Hoffnung in ihrem katholischen Glauben. Das beeindruckt die Atheistin Edith Stein.

Dass sie einige Jahre später selbst katholisch wird, liegt vor allem an der Heiligen Teresa von Avila. Edith Stein liest deren Biographie und stellt danach für sich fest: "Das ist die Wahrheit."

Verbindungen zum Judentum bleiben bestehen

Neujahr 1922 wird Edith Stein schließlich in die katholische Kirche aufgenommen. Das Datum ist nicht zufällig gewählt: An diesem Tag feiert die Katholische Kirche das Fest der Beschneidung des Herrn. Das Datum steht also symbolisch für Edith Steins Verbindung zum Judentum, die sie Zeit ihres Lebens pflegte.

Eigentlich möchte Edith Stein wie ihr Vorbild Teresa von Avila in die Ordensgemeinschaft der Karmelitinnen eintreten. Aber aus Rücksicht zu ihrer jüdischen Mutter wartet sie damit noch und nimmt zunächst einmal eine Stelle als Lehrerin in Speyer an. Ein paar Jahre später wird sie Dozentin an der Universität in Münster.

Brief an Papst Pius XI.

Nach nur einem Jahr hält sie dort allerdings schon ihre letzte Vorlesung. Denn inzwischen sind in Deutschland die Nationalsozialisten an der Macht und Juden dürfen nicht mehr lehren oder unterrichten. Edith Stein schreibt 1933 einen Brief an Papst Pius XI. und fleht ihn an, die Stimme gegen die Judenverfolgung in Deutschland zu erheben.

Heiliger Vater!

Als ein Kind des jüdischen Volkes, das durch Gottes Gnade seit elf Jahren ein Kind der katholischen Kirche ist, wage ich es vor dem Vater der Christenheit auszusprechen, was Millionen von Deutschen bedrückt. […] Alles, was geschehen ist und noch täglich geschieht, geht von einer Regierung aus, die sich "christlich" nennt. Seit Wochen warten und hoffen nicht nur die Juden, sondern Tausende treuer Katholiken in Deutschland […] darauf, daß die Kirche Christi ihre Stimme erhebe, um diesem Mißbrauch des Namens Christi Einhalt zu tun.

Der Papst geht aber nicht auf ihren Brief ein. Alles, was Edith Stein als Antwort erhält, ist ein Segen für sie und ihre Angehörigen.

Ordenseintritt und Lebensende

Edith Stein nutzt ihr Lehrverbot, um doch noch ins Kloster einzutreten: Im Oktober 1933 geht sie zu den Karmelitinnen nach Köln trägt fortan ihren Ordensnamen: Teresia Benedicta vom Kreuz. Später schreibt sie über ihren Eintritt: "Seit zwölf Jahren war der Karmel mein Ziel. Seit mir im Sommer 1921 das 'Leben' unserer heiligen Mutter Teresia in die Hände gefallen war und meinem langen Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gemacht hatte."

Auch im Kloster setzt Edith Stein ihre wissenschaftliche Tätigkeit fort. Nach den Novemberpogromen von 1938 sucht sie im Ausland Zuflucht: in Echt, einem kleinen niederländischen Ort unweit der deutschen Grenze.

Als getaufte Jüdin hätte sie dort sogar überleben können. Aber die Gestapo nutzt den öffentlichen Protest der niederländischen Bischöfe gegen die Judenverfolgung zu einer Racheaktion und verhaftet auch alle ehemals jüdischen Katholiken. Edith Stein wird nach Auschwitz deportiert, gemeinsam mit ihrer Schwester Rosa. Am 9. August 1942 werden sie direkt nach ihrer Ankunft dort vergast.

Bedeutung Edith Steins für heute

Papst Johannes Paul II. spricht sie 1987 selig und 1998 heilig, ein Jahr später erhebt er sie zur Patronin Europas. 2010 wird sie in die Gedenkstätte Walhalla in Donaustauf aufgenommen.

Edith Stein hat in ihrem Leben Verbindungen geschaffen: zwischen jüdischer und christlicher Existenz, zwischen wissenschaftlicher Leistung und tiefem Glauben. Was von ihr bleibt, ist ihr Ringen um Wahrheit. Ein Vorbild, findet der Regensburger Domvikar Werner Schrüfer. "Weil sehr viel von dem, was unser Leben ausmacht, also zum Beispiel die Suche nach Orientierung oder die Frage, ob es überhaupt Wahrheit gibt, in ihrem Werk auftaucht. Mit diesen Fragen muss sich jeder beschäftigen."

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BR24 wählt regelmäßig Inhalte von unseren europäischen öffentlich-rechtlichen Medienpartnern aus und präsentiert diese hier im Rahmen eines Pilotprojekts der Europäischen Rundfunkunion.

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